DURUTHEUM
KUNSTABTEILUNG, WIEN, l., DOROTHEERGASSE 11,
Tel. 523129
610. Kunstauktion
2., 3., 4. und 5. Dezember 1975
14 Uhr
Gemälde, Graphik.
Jugendstil, Skulpturen, antikes Mobiliar,
Antiquitäten, Asiatika,
Waffen.
Besichtigung:
27., 28., 29. November und 1. Dezember1975
vonlO bis18 Uhr
Sonntag, 30. November, von 9 bis13 Uhr
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der dreißiger Jahre, im besonderen der Sammlung
„Figdor", wird diesmal eine bedeutende Berliner
Sammlung vorgestellt: Die Sammlung
Goldschmidt-Rothschild.
In den letzten Mörztagen 1931 wurde diese,
eine der bedeutendsten Sammlungen der
Zwischenkriegszeit, versteigert.
Das gepflegte Haus des Herrn Erich von
Goldschmidt-Rothschild in der Tiergartenstraße 4
in „Groß-Berlin" war die Sammelstätte.
Der Versteigerer Hermann Ball nützte den
repräsentativen Rahmen; Der prösumtive Käufer
konnte am Orte des Sammlers die Besichtigung
vornehmen.
Ein höchst kultivierter, stark persönlich eingestellter
Geschmack, verbunden mit einer umfassenden
Kenntnis der Materie und einem sicheren Qualitäts-
gefühl, hatte hier in iahrelanger intensiver
Sammeltütigkeit die Verwirklichung des ldeals
erstrebt, das im 18. Jahrhundert selbstverständlich
erschien: Der gesamte Bestand an Gemälden,
Zeichnungen, Farbstichen, Mobiliar, silbernem und
bronzenem Gerät, Tapisserien, Seidenstoffen,
Biiouterien und Porzellan war nach einem wohl-
überlegten Plan als Dekoration der Wohnräume
zu einer großartigen Gesamtwirkung zusammen-
gefaßt. Innerhalb dieses Ensembles hatte iedes
einzelne Obiekt eine bestimmte Funktion, ohne daß
es in seiner selbständigen Geltung beeinträchtigt
worden wöre. Mit Eifer wachte der Besitzer darüber,
daß die bis ins kleinste festgelegte Anordnung
nicht gestört wurde. Sein intimes Verhältnis zu
den Dingen duldete nicht, daß der unmittelbare
Kontakt mit dem Kunstwerk durch Vitrinen erschwert
oder unmöglich gemacht wurde. Nur die
empfindlichen Meißner Geschirre mit Feinmalereien
der früheren Höroldt-Periode waren für sich im
Speisezimmer in einem großen Glasschrank
vereinigt, der selten dem Besucher offenstand.
Dieser an sich schon imponierende Kunstbesitz
erhielt durch das Vermächtnis der Baronin Mathilde
von Rothschild in Frankfurt und des Barons
Ferdinand von Rothschild in London einen qualitativ
bedeutenden Zuwachs an Gemälden, Graphik,
Möbeln, Bronzen, Biiouterien und Porzellan, der
sich organisch dem Ganzen einfügte. Damit empfing
die Sammlung die letzten Glanzlichter. Bei dem
hohen Durchschnittsniveau und dem beträchtlichen
Umfang der vorliegenden Sammlung können hier
nur einige der allerwichtigsten Werke erwähnt
werden.
Bei den Gemälden sei besonders auf die Gesell-
schaftsszene von Pater hingewiesen, die in
Auffassung und Art stark an dessen Lehrer Watteau
erinnert. Großes lnteresse erregten die beiden mit
Sepia lavierten, voll bezeichneten, 1776 und 1778
datierten Tuschzeichnungen von Moreau le Jeune
„L'Accord parfait" und „Le Pari gagne", Original-
vorlagen zum berühmtesten Kupferstich des
18. Jahrhunderts: „Monument du Costumes". Von
Moreau sind insgesamt nur 24 Zeichnungen bekannt.
Aus der großen Anzahl der Mezzatintodrucke des
18. Jahrhunderts stechen vor allem die Blätter von
Jainnet hervor. Das bedeutende Blatt der Miß
Farren nach Lawrence sowie englische Fortdrucke,
wie „The Angling Repast" nach Morland, zählen
zu den gesuchtesten.
Bei den Möbeln verbliiffen die Vielfalt der Typen und
die große Zahl signierter Stücke.
(Fortsetzung) Wolfgang A. Siedler
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