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Volltext: Alte und Moderne Kunst XX (1975 / Heft 141)

deren Zwecken. Es wurde 1868 anstelle des in 
der Sökularisation leider aufgehobenen und 
großteils demolierten Stiftes von St. Anidrö als 
Knabenseminar der Erzdiözese München und 
Freising errichtet und als solches 1972 aus päd- 
agogischen Erwägungen geschlossen. Umbau und 
Adaptierungsarbeiten, die auf den historischen 
Plan des Münchner Architekten Matthias Berger 
größte Rücksicht nahmen, dauerten zwei Jahre. 
Was der erste Direktor, Dr. Sigmund Benker, 
zusammen mit Kustas Dr. Peter Steiner und den 
Herren des erzbischöflichen Bauamtes in Neu- 
gestaltung und Präsentation geleistet haben, 
zeugt von großer Einfühlungsgabe. 
Die Sammlungen des Hauses haben natürlich 
ihre Geschichte. Sie gehen im wesentlichen auf 
die kenntnisreiche und engagierte Tätigkeit dreier 
Münchner Diözesanpriester zurück, die unter 
großen persönlichen Opfern angelegt und diese 
schon zu Lebzeiten auf dem Freisinger Domberg 
wissen wollten. Es waren dies der Lyzealprofes- 
sor Joachim Sighart, dessen Sammlung romani- 
scher Kunstwerke ab 1857 den Grundstock des 
heutigen Museums bildet. 1864 gesellten sich die 
von Heinrich Gotthard, Pfarrer in Oberbergkir- 
chen, in Salzburg und Tirol gesammelten Tafel- 
bilder dazu - zusammen 492 Obiektel Beide 
Sammlungen wurden 1907 von Richard Hoff- 
mann in einem Katalog „Die Kunstaltertümer im 
erzbischöflichen Klerikalseminar zu Freising" der 
Wissenschaft erschlossen; öffentlich zugänglich 
waren sie nie. 1929 schließlich stiftete der letzte 
königliche Hofkaplan, Josef Aumiiller, seine 1500 
Gegenstände umfassende Kunstsammlung gleich- 
falls nach Freising. 
Mehr als 100 Jahre schlummerten diese Bestände 
in diversen Depots - wahrlich ein Wunder, daß 
sich noch so viel erhalten hat. Aus dem Um- 
stand, doß die Freisinger Sammlungen ihre Wur- 
zeln in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 
haben, erklärt sich der beachtliche Bestand an 
romanischen und gotischen Kunstwerken. ln 
einem Augenblick, da die Kunst des Barock und 
Rokoko kaum geschätzt, um nicht zu sagen ver- 
achtet wurde, sammelten Sighart und Gotthard 
in der romantischen Sehnsucht der beginnenden 
Neogotik die damals hochgeschätzten Werke 
der altdeutschen Kunst. Man erwartet in einem 
kirchlichen Museum Bayerns dominierendes Ba- 
rock - man findet eine erlesene Sammlung qua- 
 
Hl. Jakobus; Meister von Rabenden, um 1520, 
Lindenholz, H 121 cm (Leihgabe des Bayerischen 
Natianalmuseums). (lnv.-Nr. L 7454) 
Hi. Jungfrau; vielleicht vom HI. Grab an der 
Stiftskirche St. Andreas in Freising. Sandstein, 
um 1330 (ausgestellt in Salzburg, Stabat mater), 
H 106 cm. (lnv.-Nr. P 6] 
Hi. Michael; Detail der überlebensgroßen 
Schreinfigur aus dem Hochaltar von Weihen- 
stephan, 1489. Meister der Blutenburger Apostel, 
Fassung barock, Lindenhalz. (lnv.-Nr. P 13) 
HI. Johannes Evangelist einer monumentalen 
Kreuzigungsgruppe; Bayern um 1470, Linden- 
holz, Fassung 15. oder 16. Jahrhundert, H 170 cm. 
(lnm-Nr. P 43) 
HI. Michael; aus Türtenhausen bei Freising, um 
1500, Lindenholz, barocke Fassungsreste, H 119. 
(lnv.-Nr. P 70) 
Kopf eines Engels oder Diakons; bayerisch, um 
1480, Lindenholz, Originalfassung. (lnv.-Nr. P 35] 
Anbetung der Könige; aus dem Dreikönigsoltar 
des Freisinger Doms, Meister der Blutenburger 
Apostel, um 1480, Lindenholz, Fassung 20. Jahr- 
hundert. (lnv.-Nr. P 583) 
litätvollster Plastik und Tafelmalerei vom ' 
zum 16. Jahrhundert. 
Auch wenn man die Kunstwerke ihrer He 
nach analysiert, ergibt sich ein weitgespc 
Bogen. Fast wird man an den geschichtstl 
gisch bedeutsamen Ausspruch des Babenbi 
Otto, des Propstes von Klosterneiuburg Ul 
schofs von Freising (gest. 1158), erinnert: „l 
humana scientia seu potentia in Oriente 
et in Occidente terminatur." (Alles mensc 
Wissen und Können ging im Morgenlan 
und wird im Abendland vollendet.) Das E 
tinische Madonnenbild, der Legende nacf 
hl. Lukas gemalt, steht hier wohl mit Recl 
Anfang aller ausgestellten Obiekte. Sollte i 
Zufall sein, daß gleich der nächste Rau 
„Salzburger Saal" bezeichnet ist? Um vorn 
herzukommen, muß man hier vor allen 
Pyxide aus Bergkristall gedenken, die vern 
in Venedig geschliffen wurde. Zahlreiche F 
fässer, Hostiendosen, Scheibenleuchter un 
seltenes Aquamanile stehen an der Spitz 
Kunstgewerbes. Überraschend reich sind de 
chen die Bestände von italienischem und 
schem Glas aus dem 15. und 16. Jahrhu 
Vor allem als Reliquienbehälter hat dieses 
bare Material - zumeist in Wachs eingeh 
Verwendung in kirchlichem Bereich gefu 
Die Entwicklung vom Maigelein über den H4 
becher zum Krautstrunk mit allen seinen 
arten kann hier geschlossen verfolgt werde: 
Von der Salzburger Tafelmalerei soll vc 
lem der Altar erwähnt werden, den der 
bischöfliche Hofmeister Johannes Rauchenk 
vor 1429 vermutlich für den Salzburger 
gestiftet hat. Pfarrer Gotthard hat den 
baren Epitaph im Salzburger Kapuzinerk 
erworben. In der Qualität der Malerei g 
diese erhaltene Tafel zum Besten, was sic 
dem internationalen Weichen Stil erhaltet 
Erwähnenswert ist gleichfalls eine Kreuzig 
tafel aus dem ehemals salzburgischen M6 
bei Mühldorf. Die Malerei der 2. Hälfti 
15. Jahrhunderts ist mit zwei Spitzenwerkei 
treten: Die Geburt Christi von Konrad Lail 
die Kirchenvätertafel des Meisters von t 
gmain. 
Nicht minder gut bestückt ist das MuseL 
Werken gotischer Plastik aus dem Salzb 
Kunstkreis. Da muß zu allererst das 1970 

	        
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