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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVIII (1973 / Heft 126)

die Vorstellung zu herrschen scheint, sie könne 
ganz neu geschaffen und das (nach wie vor 
vorhandene) Gewesene könne ignoriert werden. 
Da sich ohnedies zeigt, daß derartige Forde- 
rungen politischer Erziehung mittels sensorischer 
Materials"" - ob berechtigt oder nicht, viel- 
versprechend oder nichtssagend - von der über- 
wiegenden Mehrzahl der Betroffenen nicht 
übernommen werden wollen, kann befürchtet 
werden, daß gar nichts geschieht. Daß also der 
Einbezug eines veränderten Denk- und Arbeits- 
bereichs in wenigstens gleichbleibender und 
nicht verkürzter Form vor allem an unseren 
höheren Schulen deswegen nicht erfolgen kann, 
weil man sich über mögliche Zielsetzungen zwi- 
schen „musiscW-bürgerlicher und ganze Lebens- 
bereiche unter entsprechenden Aspekten be- 
rücksichtigender Kommunikationsversuche über- 
haupt nicht einigen kann, was zur Folge hätte, 
daß selbst die simpelsten und berechtigtsten 
Neuerungsvorschläge nicht durchgesetzt werden. 
Erst unter Berüdßichtigung all dieser sich bei 
näherer Betrachtung des Problems ergebenden 
Aspekte zeigt sich die Notwendigkeit einer 
Rettungsaktion für dieses Fach, scheint es drin- 
gend geboten, Ansätze dafür zu finden, diesen 
Bereich für die Schule einerseits überhaupt zu 
erhalten und andererseits in seinem Wirkungs- 
radius auf attraktive und einsichtige Weise 
zu erweitern, was eine - wenn auch nur be- 
scheidene - Änderung des Systems zwangsläufig 
mit sich bringen müßte. Über linke Modellvor- 
stellungen einerseits und Beharrungstendenzen 
andererseits hinaus ergeben sich dabei, soll die 
Auseinandersetzung überhaupt fruchtbar wer- 
den, für deren Weitertragen vor allem zwei 
simple Gesichtspunkte: 
l. Ohne die Entwicklung (eines auch kritischen) 
Verständnisses für Fragen, die unser Wohnen, 
unsere Architektur, unsere Mode, die Werbung 
und Erfahrung einer freien Gestaltbarkeit un- 
serer Umwelt betreffen, bleibt das Einführen in 
künstlerisch-ästhetische Probleme eine Ange- 
legenheit für entsprechend vordisponierte Min- 
derheiten. 
2. Ohne die Ausbildung eines ganz neuen 
Lehrertyps,der sich dieser Fragen annehmen und 
sie entsprechend derStruktur der ihm konfrontier- 
ten Schüler sowohl theoretisch wie praktisch we- 
nigstens insofern zu lösen versteht, daß er ihre 
Problematik bewußt werden läßt und entspre- 
chende Anstöße vermittelt, sind Vorstellungen 
nicht annähernd realisierbar, die darauf abzie- 
len, eine gemeinsame anthropologische Basis zu 
gewinnen, die „zugleich eine gemeinsame Be- 
gründungsebeneaw sein könnte. 
in Österreich unterrichten hauptsächlich noch 
immer Halb- oder Dreiviertelkünstler meist sehr 
durchschnittlicher Qualität ohne iede pädagogi- 
sche Ausbildung und mit einer Selbstzufrieden- 
heit, die wenig dazu angetan ist, ihre Partei zu 
ergreifen oder ihre Interessen zu unterstützen. 
Darum geht es auch nicht: Was uns interessieren 
muß, ist die neu heranwachsende Generation, 
der mit anderen Methoden und Argumenten ge- 
holfen werden muß, kein abgestumpftes Lei- 
stungstier ohne Sensorium zu werden, als es mit 
den althergebrachten Mitteln, die keine Folge- 
erscheinungen haben, möglich war. Wer sich da- 
bei auf einen für neue Vorstellungen keinen 
Raum bietenden Lehrplan beruft, muß daran 
erinnert werden, doß es sich bei ihm um „Leer- 
formeln" handelt, die „mit Leben zu erfüllen" 
sind". ln der Konfrontation kulturell-schöpfe- 
rischer Bereiche mit den wissenschaftlichen sollte 
stets bedacht werden, daß die Welt nur nüchtern 
ist, „wenn man die Wirklichkeit der Wissen- 
schatten für die volle Wirklichkeit der Welt 
hält" (K. Fiedler)'5. 
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6 Thema Rudern. Pinselzeichnung eines Achtzehn- 
iähri en zum Aspekt: „Strukturelle Ausprägun- 
en er Bildwirklicltkeit auf der figuralen Ebene". 
s entsteht ein in sich bewegtes und rhythmisch 
strukturiertes Formfeld für den lnhalt Rudern. 
(Aus: Klaus Sliwka, a. o. O.) 
(Anmerkungen 32-35 s. S. 31) 
7 „Kybernetes' Schiffchen". Arbeit eines 17- bis 
l8iährigen Schülers, entwickelt aus dem Anlaß 
Faltobiekte „möglichst in gleicher Größe unc 
Gestalt" herzustellen, „sie aber nicht als ver- 
stümmelte, zertretene Abfälle wirksam werder 
zu lassen, sondern ihren ästhetischen Wert ZL 
erhalten". (Aus: Florian Merz, Material-Bildet 
und Obiekte im Kunstunterricht. Ravensburg 1971 
_ Unser Autor: 
Kristian Sotriffer 
Kunstkritiker 
Grillparzerstraße 5 
lOlO Wien 

	        
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