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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVIII (1973 / Heft 126)

I Aktuelles Kunstgeschehen, Wien 
 
Österreichische Galerie 
Anton Faistauer (1887-1930) 
57 Olbilder und über 30 graphische Blätter als 
informative Retrospektive. Anlaß zu der Ausstellung, 
die bereits in der Salzburger Residenzgalerie zu 
sehen war, gab die 85. Wiederkehr von Faistauers 
Geburtstag und das Erscheinen einer Werkmono- 
graphie von Franz Fuhrmann. Sicherlich keine 
überragende, international relevante und sonderlich 
attraktive Schau, dafür iedoch eine dankenswerte 
Gelegenheit, Faistauer in seinen historischen 
Relationen ausreichend gerecht zu beurteilen 
(17. 10.-SO. 11. 1972) - (Abb. 1). 
Albertina 
Hans Fronius 
Zweifellos die bisher wichtigste und umfassendste 
Franius-Ausstellung. Ein kompakter Überblick 
bezogen auf das graphische Werk von 1922 bis 
1972. Die Summe von 340 Katalognummern unter- 
strich in gleicher Weise Eigenart wie Produktions- 
vielfalt des 1903 in Saraievo geborenen Künstlers, 
der als Zeichner des reinen Schwarzweiß, als 
expressiver lllustrator bedeutender Werke der 
Weltliteratur über Usterreichs Grenzen hinaus 
Anerkennung und Wertschätzung genießt. Im 
Zusammenhang mit der Schau darf auch auf zwei 
größere Publikationen, erschienen in der Edition 
Tusch, verwiesen werden: auf „Bilder und 
Gestalten", ein Mappenwerk in 100 Exemplaren 
Gesamtauflage mit 18 von Fronius erst vor wenigen 
Monaten geschaffenen Aquatinta-Radierungen, und 
auf das gleichnamige Werksverzeichnis der Druck- 
graphik, ausgestattet mit 386 Abbildungen und 
einem ausführlich zusammenfassenden Text von 
Walter Koschatzky (24. 10.-20. 12. 1972) - (Abb. 2). 
Museum des 20. Jahrhunderts 
Wiener Schule des Phantastischen Realismus 
Nach der erfolgreichen Tournee durch iapanische 
Kaufhäuser und Museen das lange verwehrte 
Gastrecht in Österreichs führendem Museum der 
Moderne. Von der Ausstellung neue Einsichten zu 
erwarten, wäre falsch gewesen. Was sie bot, war 
dem Kenner der Entwicklung zum überwiegenden 
Teil vertraut und rüttelte auch kaum an der 
wiederholt angeschnittenen Problematik. Diese zeigt 
sich - implifiziert zusammen und umrissen 
- primär in den grundsätzlichen Möglichkeiten 
beziehungsweise Nichtmöglichkeiten einer 
eklektizistisdien, traditionsbewußten und auf weiten 
Strecken literarischen Malerei vorwiegend alt- 
meisterlicher Technik als dem umstrittenen Wider- 
part dessen, was als Avantgarde, als Sammel- 
becken progressiver Bestrebungen die zeit- 
genössische Kunstszene im Sinne von Veränderung 
und Entwicklung bestimmt. Dies gilt im Vergleich zur 
inländischen Konkurrenz ebenso wie im Hinblick 
auf die internationale Kunstszene (November- 
Dezember 1972 - (Abb. 3). 
Secession 
Neun Nichtsecessionisten 
In einer Auswahl des Malers Peter Bischof kamen 
neun „Nichtsecessionisten in der Wiener Secession" 
zum Zug. Das Resultat war eine lebendig 
strukturierte Gruppenschau, zwar ohne thematisches 
Konzept, doch nichtsdestoweniger aufschlußreich. 
Die stärkste Gemeinsamkeit der neun Österreicher, 
von denen einige bereits über beträchtliche 
Reputation verfügen, kann in einer entschiedenen 
Hinwendung zu neuen Ausdrucksformen des 
Realismus gesehen werden. Dieser Realismus hebt 
sich ebenso deutlich von den Anachronismen der 
Wiener Sdiule und den „engagierten" Nach- 
expressionisten wie vom Hyper- und Fotorealismus 
der Amerikaner ab, der auf der diesiährigen 
documenta 5 breit vertreten war. Die Zeit- und 
Gesellschaftskritik eines Timo Huber, die stark 
abstrahierten Figurationen von Jürgen Messensee, 
Drago J. Prelogs neue Sicht von Landschaft und 
Stadtorchitektur, die gut bekannten, mit Verve 
gezeichneten Architekturutopien von Zechyr, die 
stärker zur Pop-Art tendierenden Figurenreliefs von 
38 
Ernst Zdrahal, die „Familienbilder" Peter Carers, die 
stilisierte Landschaftsmalerei von Wolfgang Denk, 
aber auch die im Spannungsfeld von Obiektkunst 
und Konzeptart zu ortenden Arbeiten von Gröschl 
wären unter diesem weit gefaßten Aspekt 
analysierend zu werten. Blieb als einziger 
„Nichtrealist" der Kärntner Cornelius Kolig, der 
neben neuen Plexiglasobiekten auch seine als 
„SauerstoffgeneratoW bezeichnete Wasserplastik 
aus 1971 präsentierte (17.-29. 10. 1972) - (Abb. 4, 5). 
Forum Stadtpark Graz 
Kolig begegnete man auch in der Gastausstellung 
des Forum Stadtpark Graz, die - insgesamt 
allerdings auf vergleichsweise schwächerem Niveau 
- mit Obiekten, Malerei uncl Graphik von Peter 
Hoffmann, Norbert Nestler, Friedrich Panzer, 
Ferdinand Penker, Jeanne Rebeau, Rainer Verbizh 
und Erwals Wolf-Schönach bekannt machte. 
Bemerkenswert am Rande: der informative Katalog, 
der die in Wien präsentierten neuen Forum-Mannen 
gut verpackt an den Mann bringt (3. 11.-26. 11. 1972). 
Galerie Schottenring 
Hans Staudacher 
Victor Vasarely 
Seit rund zwei Jahrzehnten nimmt das größtenteils 
dem Lyrischen lnformel und Lettrismus zuzuordnende 
Gesamtwerk des 1923 geborenen Kärntner Malers 
Hans Staudacher innerhalb der österreichischen 
Kunst eine führende Position ein. Dieses Faktum 
unterstrich die von der Ersten österreichischen 
Spar-Casse gezeigte Retrospektive unter deutlichem 
Herausheben der unverwechselbaren Eigenart des 
Künstlers an Hand von elf meist größeren 
Ulbildern und einer Serie von 35 ähnlich qualität- 
vollen Gouachen. Den Schwerpunkt der Schau 
bildete der Abschnitt von 1958 bis 1961, der une- 
fähr in der Mitte der internationalen Hachblüte der 
abstrakten Malerei historisch zu fixieren und inter- 
national vergleichend zu werten ist (6. 10.-11. 11. 
1972) - (Abb. 6). 
Obwohl er zu den arriviertesten und gefragtesten 
Künstlern der Gegenwart zählt, fand eine 
Einzelausstellung von Werken Victor Vasarelys in 
Österreich bisher nicht statt. Diese Lücke schloß die 
Galerie Schottenring mit einer Personale, die 
insgesamt fünfzig Bilder, Multiples und Siebdrucke 
vorwiegend neueren uncl neuesten Datums, umfaßte. 
Der 1908 in Ungarn geborene, seit 1930 allerdings 
in Frankreich lebende Künstler gilt heute als der 
führende Vertreter der Op-Art. Er sieht sich im 
Gegensatz zum traditionellen Künstler als 
„Plasticien", als Hersteller ästhetischer Produkte, 
als Forscher auf ästhetischem Gebiet. Sein auf den 
Lehren des Bauhauses und des Konstruktivismus 
fußendes Werk beweist dies innerhalb eines folge- 
richtig genutzten bildnerischen Kanons vor allem 
seit der Erfindung des Systems der „Plastischen 
Einheiten", 1955. Es beruht trotz der virtuos 
angewandten Vielfalt formaler und farblicher 
Aspekte auf verhältnismäßig wenigen Grund- 
prinzipien von Gestaltung und optischer Formation. 
Diese sind die Verwendung geometrischer 
Grundformen, die Anwendung von Positiv- und 
Negativeffekten, die Prinzipien der Permutation, 
die Addition und Serie von Elementen beziehungs- 
weise die Möglichkeit und Qualität farbiger 
Abstufungen, sogenannter Farbtonleitern, innerhalb 
bestimmter programmierter Abfolgen. Das 
wichtigste Merkmal der zitierten „plastischen 
Einheiten" besteht in der Wahl des Quadrates als 
Grundelement, dem in der Regel ein Kreis oder ein 
kleineres Quadrat eingesdvieben wird. Ein Bild 
kann so aus normierten und beliebig aneinander- 
reihbaren Elementen aufgebaut werden. Dieses 
System bietet sich für eine den heutigen technischen 
Produktionsmethoden angepaßte serielle Fertigung 
in geradezu idealer Weise an. So entstanden in 
Zusammenarbeit zwischen Vasarely, BASF und der 
Edition Pyra die Bilder der Konto-Serie, die als 
„lboyos" bezeichneten multiplen Plastiken und die 
Puzzlespielen vergleichbaren Auflagenobiekte der 
„Planetary Folklore" (17. 11.-22. 12. 1972) - 
(Abb. 7). 
Galerie Würthle 
Gottfried Salzmann 
Georg Schmid 
Peter Pongratz 
Landschaftsaquarelle von großer Sensibilität und 
durchweg erster Qualität. In manchem den Blättern 
Alfred Kargers vergleichbar, mitunter auch an 
Nolde erinnernd. lmponierend die beherrschte 
Reduktion der Farbe und die rasche, doch sichere 
Vargangsweise (28. 9.-14. 10. 1972). 
Eine größere Auswahl von Bühnenbildern des 
bekannten Plakatdesigners und Gebrauchs- 
graphikers Georg Schmid. Darunter zahlreiche 
Arbeiten von autonomer graphisch-malerischer 
Qualität, die in (eweils typischer Art und Weise 
übereinstimmende Pendants zu den literarischen 
Vorlagen abgeben (19.10.-11.11.1972) - (Abb. B). 
Neue Gouachen, Zeichnungen und Lithographien 
von Peter Pongratz in Verbindung mit der 
Präsentation der Mappe: Peter Handke „Traum von 
der Leere der Flüssigkeit" (15. 11.-2. 12. 1972). 
Modern-Art Galerie 
Wander Bertoni 
Eine kleine, doch spezifische Zusammenfassung 
von polychromen Skulpturen der Jahre 1948 bis 
1972 in Verbindung mit iiingst entstandenen 
farbigen Arbeiten aus Polyester, die Bertoni als 
Zyklus mit dem Titel „Das Auge" zusammengefaßt 
hat (12.9.-14. 10.1972) - (Abb. 9). 
Galerie Kaiser 
Peter Carer 
Als Vertreter eines Neuen Realismus, der den 
Menschen so wiedergibt, wie er sich heute in den 
Verhaltensklischees der Gesellschaft zeigt, konnte 
der iunge Wiener Künstler zuletzt zahlreiche Erfolge 
verbuchen. Mit neuen Malereien und Zeichnungen 
präsentierte ihn die ambitionierte Avantgardegalerie 
im Rahmen einer bemerkenswerten, mittelgroßen 
Personale (19. 10.-20. 11. 1972). 
Galerie in der Blutgasse 
Fritz Maierhofer 
Elegante, progressive Schmuckobiekte aus Metall 
und farbigen Kunststoffen, mit denen der 1941 
geborene Wiener Designer sich auch international 
bestens behaupten kann (20. 11.-2. 12. 1972) - 
(Abb. 10). 
Galerie nächst St. Stephan 
Alfred Hofkunst 
Eine beeindruckende Auswahl großer Zeichnungen 
des 1942 in Wien geborenen, heute in der Schweiz 
lebenden Künstlers. Beispiele eines dialektischen 
Realismus, der Alltagsmomente und Trivialvorlager 
(z. B. ein Rollo) als Anstoß penibler bildnerischer 
Durchführung nimmt (15. 11.-2. 12. 1972). 
Galerie Grünangergasse 12 
Dieter Rot 
Auflagenentwürfe, Vertragsentwürfe und eine 
Auswahl von Einzelblättern als kompakte und 
spezifische, im Vergleich zum Gesamtwerk 
(einschließlich seiner Bücher) allerdings etwas 
einseitige lnformationsladung über Arbeits- und 
Denkweise des 1930 in Hannover geborenen 
Wahlschweizers. Rot zählt gegenwärtig zu den 
arriviertesten und gefragtesten Vertretern der 
mittleren Avantgarde (5.-30. 9. 1972) - (Abb. 11). 
Volkshochschule 
Heutige Niederländische Malerei 
Eine verdienstvolle und informative Gruppenschau, 
deren Schwerpunkt um 1960, der Hochblüte des 
abstrakten Expressionismus, liegt. Die Ausstellung 
konfrontierte u. a. mit Bildern von Constant, 
Pieter Defesche, Ger Lataster, Lucebert und dem 
kürzlich verstorbenen Jaap Wagemaker 
(11. 10.-11. 11. 1972) - (Abb. 12). 
Peter Baun
	        
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