Literaturbericht.
Neue Publicationen über die kunsthisorischen Sammlungen des Aller-
höchsten Kaiserhauses. I. Freydal. Des Kaisers Maximilian I. Tur-
niere und Mummereien, herausgegeben mit Allerhöchster Genehmigung
Sr. Majestät des Kaisers Franz Joseph I. unter Leitung des k. k. Oberst-
kämmerers, Feldzeugmeister Franz Grafen Folliot de Crenneville
von Quirin von Leitner. Wien, 1880-82. F01.
Wir haben bereits, als die ersten fünf Lieferungen dieses Werkes erschienen waren,
die Veröffentlichung desselben freudig begrüßt. Jetzt, da mit dem l. Bande des Jahr-
buclies der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöcltsten Kaiserhauses die Publica-
tionen über dieselben in so schönes Geleise gekommen sind, ziemt es sich wohl, auf den
inzwischen vollendeten Freydal zurückzukommen; umsomehr, als dieses Werk auffallender
Weise nicht jene allgemeine Würdigung zu finden scheint, die es doch im höchsten Maße
verdient. Auf die hohe Bedeutung Freydals als des Kaisers ureigenes Werk in dem herr-
lichen Cyklus: Theuerdank, Weißltunig, Triumph und Ehrenpforte haben wir bereits in
unserer ersten Notiz hingewiesen und l.eitner's Verdienst um Feststellung dieses künst-
lerischen und literarischen Zusammenhangs hervorgehoben. Nun ist das ganze Werk in
255 von 1.. Pisani ausgezeichnet gedruckten Heliogravuren zum ersten Male vollständig
veröffentlicht und l.eitner's geschichtliche Einleitung ermöglicht jetzt eigentlich erst das
Verstandniss und die Werthschatzung. Gerade gder Freydal ist für die] Charakteristik
des Kaisers Max als des letzten Ritters und echten Humanisten außerordentlich wichtig.
Maximilian hat den Werth der Ritten-spiele ihrem Wesen nach richtig erkannt und durch
eigenes Beispiel die Ritterschalt für die Turniere wieder zu begeistern gewusst, welche
er mit dem Ernste eines Sportsmanns betrieb, wie er ja auch selbst ein gediegener Kenner
der Harnischmeisterei war. Wenn er nun den Freydal bereits seit 1505 als] das Vorwerk
zum Theuerdank plante und wir in demselben die poetische und künstlerische Ausgestal-
tung der ritterlichen Minnefahrt um Maria von Burgund zu erblicken haben, so leitete den
Kaiser dabei ein mehrfacher Zweck. Als echter Humanist hat er selbst für seinen Nach-
ruhm gesorgt, denn r-Wer lme in seinem Leben kein gedachtnuss macht, der hat nach
seinem tot kain gedachtnussu So sollte der Freydal ein Denkmal bilden für des Kaisers
eigene Ritterlichkeit, aber auch ein ehrendes Andenken allen jenen sichern , welche in
des Lebens frohen und trüben Tagen ihm mit klugem Rath und ritterlicher That nahe
gestanden sind, vielleicht ihre Treue auf dem Felde der Ehre mit dem Tode besiegelt
haben. ln dem vom Kaiser selbst corrigirten Namensverzeichniss all' der Thetlnehmer
an den Stechen, Rennen, Kämpfen und Mumn-iereien ist, abgesehen von dem fragmen-
tarisch gebliebenen Texte, der historische Kern des Freydal, neben jenem cultur-
historischen, welchen uns die Abbildungen reichlich bieten. Diese beiden Richtungen
vollständig abgeklärt zu haben. ist nun l.eitner's Verdienst in seinem einleitenden Texte.
Darin wird zunächst der Codex des Freydal nach Einband, Papier und den Künstlerhand-
schriiten, welche sich in den 255 Illustrationen erkennen lassen, mit der eingehendsten
Genauigkeit beschrieben. Es wird die Vermuthung, dass die eolorirten Abbildungen des
Frcydal von vornherein für den Sehwarzdruck in Holzschnitt hergestellt wurden, bis zur
Gewissheit wahrscheinlich gemacht, die allmshlige Entwicklung des Ereydal in dem Plane
des Kaisers bis zum Jahre 1515 historisch nachgewiesen und sodann der obenerwlhnte
fragmentarisch gebliebene Otiginaltext, in welchem die Ritterspiele Maximilians auf 64
Minnehofe vertheilt sind, zum Abdruck gebracht.
Eine sehr pracis gehaltene Abhandlung, unterstützt durch Abbildungen noch er-
haltcner Originalrustungen in der Walfensammlung des Kaiserhauses, belehrt den Leser
über das gesammte Rüstzeug für Mann und Ross bei den Ritterspielen. Und schließlich,
was sonst an einem Buche gewiss selten vorkommt, wird hier das Register beziehungs-
weise zum Haupttheil. Allerdings ist dieses Register auch nicht ein bloßes Namens-
verzeichniss, sondern, um es kurz zu sagen, fast ein biographisches Lexicon über den
Adel der Maximilianischen Zeit geworden, ein imponirender Beweis für die Gewissen-
haftigkeit, Vorsicht und Rastlosiglteit Leitner's als Historiker. Der Fälle, wo der Mangel
jedweder Quelle ihn zwingt, einen einzelnen Fragepunkt lieber offen zu lassen, als sich
und den Leser mit vagen Andeutungen und Vermuthungen hinwegzutauschen , sind
verschwindend wenige. Fast durchgehends finden wir die ausreichendsten Notizen über
das Leben der'genannten fürstlichen Persönlichkeiten, und zwar nicht bloß aus bereits
Fortsetzung auf der Beilage.