Für den Kunstsammler
Franz Winzinger
Auktion der Collection Henri Vever
bei Sotheby in London
Am 26. März l974 und genau ein Jahr später wurden
in London Teile der Sammlung iapanischer Holz-
schnitte, Zeichnungen und illustrierter Bücher aus
dem Besitz des verstorbenen Pariser Sammlers
Henri Vever versteigert. Weitere Teile der außer-
ordentlichen Sammlung sollen in Zukunft unter den
Hammer kommen.
Den Auktionen kam wegen der ungewöhnlichen
Qualität der Sammlung eine besondere Bedeutung
zu. Für die Bewertung des Japanhalzschnittes
wurden dabei ganz neue Maßstäbe gesetzt.
Henri Vever ll854el943l, ein bedeutender Gold-
schmied ? er gestaltete den Ehrendegen für
Marschall Foch -, war der Typ des besessenen
Sammlers. Seit seinem l7. Lebensiahr, als er seine
erste Rembrandt-Radierung erwarb, hatte er mit
höchstem Kunstverstand eine außerordentliche
Fülle kostbarster Werke zusammengebracht: neben
Druckgraphik und persischen Miniaturen lnkunabeln
und moderne illustrierte Bücher, griechische Münzen
sowie französische lmpressionisten. Entscheidend
war, daß Vever selber ein guter Maler war und
daß ihm das Erlebnis des schöpferischen Vorgangs
tiefe Einsichten in das Wesen des Kunstwerkes
vermittelte.
Als auf der Pariser Weltausstellung von 1867 die
ersten iapanischen Holzschnitte gezeigt wurden,
war Vever ein Knabe von 13 Jahren. Aber es muß
ihn von der ersten Stunde an gepackt haben,
denn sein ganzes Leben lang hat ihn die Leiden!
schaft zu diesen farbigen Blättern beherrscht.
Er gehörte von Anfang an in die Reihe iener
kunstbegeisterter Männer, die im Umkreis der
Gebrüder Gancourt iene legendären Pariser
Sammlungen zusammenbrachten, von denen die
Vever-Sammlung die letzte überlebende war.
Vever hatte immer nur die höchsten Maßstäbe an
den künstlerischen Wert und die Druckqualität der
Blätter gelegt, und da er an der Quelle saß, kam
eine Sammlung zusammen, die ganz und gar
einzigartig war.
Für viele überraschend, verkaufte er in der Notzeit
der frühen zwanziger Jahre seine Sammlung an den
iapanischen Reeder Baron Matsukata, der sie später
dem Natianalmuseum in Tokio vermachte, wo sie
den entscheidenden Kern der heutigen Sammlung
iapanischer Holzschnitte bildet. Jedermann dachte
damals, daß das das Ende der berühmten Sammlung
gewesen wäre, aber Vever hat sich doch eine
größere Anzahl der feinsten Blätter zurückbehalten,
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