Varia
Fritz Wotruba t
Mit ihm ging heuer eine der profiliertesten
Künstlerpersönlichkeiten Österreichs aus der
gegenwärtigen Kunstszene. Herzversagen . . . Abrupt
verließ er diese Welt, unvermittelt hart, wie es
seine zyklopischen Figuren und Monumentalblöcke
im Grunde sind. So hart und direkt, wie er auch
gewohnt war, von oder über etwas - in erster Linie
Kunst - zu sprechen, zu urteilen. Er kam von Hanak,
studierte an der Wiener Kunstgewerbeschule,
war im übrigen aber Autodidakt. Wotrubas
abstrahierend-„vierschrötige" Verkörperung des
Menschenbildes fand vorerst wenig, später dann
erst im „engeren" Kreis, vor allem aber außerhalb,
im internationalen Bereich, Anerkennung,
Würdigung und richtige Einschätzung. Sein Name
stand gleich geachtet in der Reihe der Marini,
Giacometti, Laurens und Moore, hatte aber,
was das Werk betrifft, eine einsame Eigenständig-
keit, die ienen zu klotzig und ungehobelt erscheinen
muß, die in einem ästhetischen Plastizismus ihr
Ideal sehen. Der Mann von der Straße, der im
Wiener Gänsehöufel vor dem „Stehenden Jüngling"
Wotrubas, dessen blockhafte Gestaltung eher als
„unschön" empfindet und nicht viel damit
anzufangen weiß, ist symptomatisch im Verhalten
weiter Kreise zu Wotrubas Kunst. Seine Abstraktion
bzw. Reduktion auf von ieder natürlichen Forrn
abweichende, anatomisch-einfachste Formung
eines vom Geist und seiner Haltung her
verstandenen Menschenbildes hat im Grund zwar
„Wahres", aber wenig „Anziehendes" an sich.
Somit teilt Wotruba das Los vieler großer Künstler,
er fand Anerkennung in der Kunstgeschichte dieses
zerrissenen 20. Jahrhunderts, breite Schichten aus
dem Volke aber stehen ihm, wenn schon nicht
ablehnend, so doch verständnislos gegenüber.
Aber das ist eine Misere, die so alt wie die Welt
und die Menschen ist. Österreich hat dennoch
einen großen Bildhauer verloren, das wird die
Zukunft erweisen, der auch seinen „Jüngern" viel
mitzugeben vermachte, denen er lehrte, ihre eigene
künstlerische Sprache zu suchen. Urteil, Avram is,
um nur einige bedeutende zu nennen. Wotruba,
der sich nur widerwillig zu Ämtern oder Institutionen
bestimmen ließ, war unter anderem auf der
Brüsseler Weltausstellung 1958 mit dem Grand Prix
ausgezeichnet worden, obwohl sein Kolossalrelief
für den Österreidipavillon widersprüchliche
Aufnahme fand. Widerspruch, der durch das Leben
eines Künstlers zog, der kaum Konzessionen zu
machen bereit war. So wie er spontan, nach
flüchtigen Skizzen, unmittelbar aus dem Block
heraus meißelte, agierte er zeitlebens auch,
und es scherte ihn nicht, daß mitunter, natürlidier-
weise, Splitter auch ins Auge flogen. I. netopil
In memoriam Becker-Donner
Am 24. September 1975 ist Frau Hofrat Prof. Dr. Etta
Becker-Donner, Direktor des Museums für
Völkerkunde in Wien, durch einen allzu frühen Tod
aus dem aktiven Dienst gerissen worden, dem sie
bis zu ihrer schweren Erkrankung zu Beginn dieses
Jahres alle ihre menschlichen und fachlichen Kräfte
gewidmet hat. In ihrer zwanzigiährigen Leistungs-
tätigkeit hat sie den Ausbau des Museums für
Völkerkunde auf allen Sektoren, insbesondere der
technischen Dienste und der Schaffung von
Außenstellen, in hervorragender Weise geführt.
In ihrer wissenschaftlichen Forschungstätigkeit ist
sie als international bedeutende Ethnologin
auf den lateinamerikanischen Raum spezialisiert
gewesen, war Mitbegründerin und Präsidentin
des Österreichischen Lateinamerikainstituts und hat
sich auch in ihren fachlichen Publikationen und
ethnalogisdien Ausstellungen vornehmlich mit
dem Raum Süd- und Mittelamerika befaßt.
Frau Direktor Dr. Etta Bedrer-Donner wurde am
5. Dezember 1911 in Wien geboren und studierte
an der Universität Wien Ethnologie und Linguistik.
Bereits als Studentin unternahm sie ihre erste
selbständige ethnologische Expedition und trat im
Jahre 1938 in den wissenschaftlichen Dienst des
Museums für Völkerkunde. In den Jahren 1947
bis 1956 unternahm sie zahlreid1e Forsdiungsreisen
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nach Brasilien, Argentinien und Chile, in deren
Verlauf sie ethnologische, linguistische und
archäologische Studien betrieb und mehrere große
Sammlungen heimbrachte. 1956 bereiste sie China,
1959 Rußland und Turkestan. Von 1962 an wandte
sich ihr Interesse in besonderem Maße der
Erforschung der kontemporären Volkskunst
Lateinamerikas zu. Im Verlaufe von Sammelreisen
nach Mexiko und Zentralamerika, später nach
Guatemala, Peru, Ecuador, Columbien, Ponama
und Honduras legte sie für das Museum für
Völkerkunde in Wien umfangreiche Spezial-
sammlungen zu diesem Thema an, die 1973 zu
einer bedeutenden internationalen Wanderaus-
stellung „Lateinamerikanische Volkskunst"
zusammengestellt wurden.
Seit 1955 hat Frau Direktor Dr. Becker-Donner eine
rege Tätigkeit auf dem Gebiet der Volksbildung
entfaltet und viele wechselnde Sonderousstellungen
geschaffen, die zu einer Vertiefung des öffentlichen
Interesses an den außereuropäischen Kulturen
beigetragen haben. Darüber hinaus hat sie in
zunehmendem Maße Interesse an den Fragen
der Entwicklungsfärderung gewonnen und im
Rahmen des Lateinamerikainstituts sich aktiv mit
Entwicklungshilfeproiekten beschäftigt. So war sie
Mitbegründerin einer österreichischen Schule und
eines landwirtschaftlichen Entwicklungsproiektes
in Guatemala und hat einer Landwirtschaftsschule
in Brasilien und einer Bergwerksschule in Bolivien
von österreichischer Seite aktive Hilfe zuteil
werden lassen.
In ähnlicher Weise war sie auch Initiatorin von
Infarmationskursen über einzelne ausgewählte
Regionen der „dritten Welt", die am Museum für
Völkerkunde in Zusammenarbeit mit der
österreichischen UNESCO-Kommission und dem
Lateinamerikainstitut abgehalten wurden.
Ein überaus arbeitsreiches Leben, das der
ethnologischen Forschung und der Anwendung
der durch Forschung gewonnenen Erkenntnisse in
Vorträgen, Ausstellungstätigkeit und Beiträgen zur
Entwicklungsfärderung gewidmet war, hat durch
eine unvermutet auftretende Krankheit ein iähes
Ende gefunden. Das Museum für Völkerkunde in
Wien, dessen Direktorin sie durch zwei Jahrzehnte
gewesen ist, dankt ihrer hingebungsvollen Arbeit
nicht nur zahlreiche bedeutende ethnologische
Sammlungen und Ausstellungen, sondern auch die
wohlüberlegte Schaffung von wichtigen
Einrichtungen der Infrastruktur, die eine
unersetzliche Voraussetzung für die weitere Tätigkeit
dieser wissenschaftlichen Institution sein werden.
Hans Manndorff
Zürich - Schweizerisches Institut für
Kunstwissenschoft
Das Institut bittet um Mitarbeit bei der Zusammen-
stellung von Werkkatalogen zweier Künstler.
Werkkatalog Giovanni Segantini. Dr. Annie-Paule
Quinsac, Prof. für Kunstgeschichte in Calumbial
South Carolina, bereitet in Zusammenarbeit mit
dem Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaftl
Zürich und der Landis B1 Gyr-Stiftung, Zug, eine
vollständige Ausgabe des gemalten und
gezeichneten Guvres von Segantini vor. Erstmals
werden dadurch sämtliche Bilder und Zeichnungen
des Meisters in Abbildung und wissenschaftlicher
Beschreibung zugänglich sein. Alle Besitzer, die
Werke von Segantini besitzen und bisher mit
keiner der oben genannten Personen oder
Institutionen in Verbindung stehen, sind gebeten,
sich beim Institut zu melden.
Werkkatalog Niklaus Manuel Deutsch. Hans
Christoph von Tavel vom hiesigen Institut bereitet
den vollständigen Katalog des bildnerischen Werkes
von Gemälden, Zeichnungen, Holzschnitten,
Glasfenstern u. a. von N. M. Deutsch vor. Auch hier
die Anfrage an Institutionen und Personen um
Mithilfe. Auch fragliche Werke oder Kopien können
Hinweise geben und können helfen, das noch nie
vollständig bearbeitete und publizierte Guvre
zu beschreiben. Hinweise bitte an den Autor.
Adresse in beiden Fällen: Schweizerisches Institut
für Kunstwissensdtaft, Postfach 392, 8034 Zürich. n
Karl Schwanzer 1-
„Fünfundzwanzig Jahre Leben mit der schönsten
Arbeit, die ich mir wünschen konnte,
vergingen im Fluge." Der Schlagzeile „Tod des
Stararchitekten" und der gewohnten Zerpflückung
seines beruflichen und privaten Lebens folgte die
lapidare letzte Aussage nach dem Freitod auf dem
schlichten Fartezettel. Verhieß ihm dieses Leben
nach diesen 25 Jahren angesichts der Rezession, die
Ardtitekten und Baubranchererfaßt, nicht den
angestrebten Hähenflu, keine berufliche Erfüllung
mehr? Oder waren es wie kolportiert Mißerfolge
(sprich Baumängel) am letzten Bau, Depressionen?
Warum sucht man doch immer sensationslüstern
die Ursachen nach einem solchen Tod?
Wahrscheinlich ist von allem etwas mitbestimmend
an diesem. Schwanzer war ein Rastloser, einer,
der ohne Arbeit nicht leben konnte, der sich im
Dienste am Werk bis zum letztmöglichen
engagieren mußte, der bis zur persönlichen
Selbstaufgabe zu gehen bereit war. Mit seinen
Schlüsselbauten zum Erfolg: dem Österreichpavillon
der Brüsseler Weltausstellung 1958 und dessen
erfolgreicher Umfunktionierung zum Wiener
Museum des 20. Jahrhunderts, dem Philips-Haus
in Wien, das dem vom Süden Kommenden breit
entgegenwächst und einsame Skyline bildet,
und als Triumphat und Krönung dem BMW-Gebäude
in München wurde Schwanzer weithin über
Österreichs Grenzen bekannt. Mit dem letztge-
nannten Bau vermeinte er sogar, mit an die Spitze
der weltbekannten Architekten vorgedrungen
zu sein. Ein neuer Neutra? Doch nur ein kurzes
Aufflammen größten Erfolges war es, dem Neues
und Größeres nicht folgte. Ob er, der nur in die
Zukunft stürmte, der das ganz Große, den
ultramodernen Turmbau zu Babel schaffen wollte,
an dieser Aussichtslosigkeit vor allem, dann aber
auch am beginnenden Klein-Klein einer mäkelnden
Bauherrenschaft nicht tatsächlich verzweifelte?
In einem Sonderheft dieser Zeitschrift zum
Denkmalschutziahr 1975 erwies er sich als Publizist
mit einem zukunftsweisenden Artikel „Architektur
von heute - Baudenkmäler von morgen?" - Darin
bricht er in der für ihn typischen Weise eine
Lanze für den Architekten der Gegenwart:
„Wir müssen uns doch als Baukiinstler des ,Heute'
bewußt sein". Oder: „Die Furcht vor der Spitzhacke,
die Unwertes zerstört, um Neuem Platz zu machen,
muß dem Vertrauen zum Können unserer Gegen-
wartsorchitekten weichen. Diese haben ein Recht,
Zeugnisse vom Heute für das Morgen zu schaffen,
die genauso aussagekräftig sind wie die Beispiele
der Vergangenheit." Hier sprach einer
naturgemäß auch pro domo und noch dazu mit
großem Selbstbewußtsein. Schwanzer achtete und
anerkannte das Alte, forderte aber die Zukunft
durch den Heutigen und für das Heutige.
Mit Recht wie uns scheint. Aber er hinterläßt nun
vor der Zeit ein brennendes Vermächtnis. Eines,
das alle „Betroffenen" zu heiligem Ernst
verpflichtet. I. netopil
IEI
Bundesministerium für Wissenschaft
und Forschung
Besucherstatistik der staatlichen
Ivguseen und Kunstsammlungen
1 75
Das Bundesministerium für Wissenschaft
und Forschung gibt bekannt, daß in den ihm
unterstehenden staatlichen Museen und
Kunstsammlungen in den Monaten
Juli 171.153
August 172.541
Besucher gezählt wurden.