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Volltext: Alte und Moderne Kunst XX (1975 / Heft 142 und 143)

Varia 
 
Fritz Wotruba t 
Mit ihm ging heuer eine der profiliertesten 
Künstlerpersönlichkeiten Österreichs aus der 
gegenwärtigen Kunstszene. Herzversagen . . . Abrupt 
verließ er diese Welt, unvermittelt hart, wie es 
seine zyklopischen Figuren und Monumentalblöcke 
im Grunde sind. So hart und direkt, wie er auch 
gewohnt war, von oder über etwas - in erster Linie 
Kunst - zu sprechen, zu urteilen. Er kam von Hanak, 
studierte an der Wiener Kunstgewerbeschule, 
war im übrigen aber Autodidakt. Wotrubas 
abstrahierend-„vierschrötige" Verkörperung des 
Menschenbildes fand vorerst wenig, später dann 
erst im „engeren" Kreis, vor allem aber außerhalb, 
im internationalen Bereich, Anerkennung, 
Würdigung und richtige Einschätzung. Sein Name 
stand gleich geachtet in der Reihe der Marini, 
Giacometti, Laurens und Moore, hatte aber, 
was das Werk betrifft, eine einsame Eigenständig- 
keit, die ienen zu klotzig und ungehobelt erscheinen 
muß, die in einem ästhetischen Plastizismus ihr 
Ideal sehen. Der Mann von der Straße, der im 
Wiener Gänsehöufel vor dem „Stehenden Jüngling" 
Wotrubas, dessen blockhafte Gestaltung eher als 
„unschön" empfindet und nicht viel damit 
anzufangen weiß, ist symptomatisch im Verhalten 
weiter Kreise zu Wotrubas Kunst. Seine Abstraktion 
bzw. Reduktion auf von ieder natürlichen Forrn 
abweichende, anatomisch-einfachste Formung 
eines vom Geist und seiner Haltung her 
verstandenen Menschenbildes hat im Grund zwar 
„Wahres", aber wenig „Anziehendes" an sich. 
Somit teilt Wotruba das Los vieler großer Künstler, 
er fand Anerkennung in der Kunstgeschichte dieses 
zerrissenen 20. Jahrhunderts, breite Schichten aus 
dem Volke aber stehen ihm, wenn schon nicht 
ablehnend, so doch verständnislos gegenüber. 
Aber das ist eine Misere, die so alt wie die Welt 
und die Menschen ist. Österreich hat dennoch 
einen großen Bildhauer verloren, das wird die 
Zukunft erweisen, der auch seinen „Jüngern" viel 
mitzugeben vermachte, denen er lehrte, ihre eigene 
künstlerische Sprache zu suchen. Urteil, Avram is, 
um nur einige bedeutende zu nennen. Wotruba, 
der sich nur widerwillig zu Ämtern oder Institutionen 
bestimmen ließ, war unter anderem auf der 
Brüsseler Weltausstellung 1958 mit dem Grand Prix 
ausgezeichnet worden, obwohl sein Kolossalrelief 
für den Österreidipavillon widersprüchliche 
Aufnahme fand. Widerspruch, der durch das Leben 
eines Künstlers zog, der kaum Konzessionen zu 
machen bereit war. So wie er spontan, nach 
flüchtigen Skizzen, unmittelbar aus dem Block 
heraus meißelte, agierte er zeitlebens auch, 
und es scherte ihn nicht, daß mitunter, natürlidier- 
weise, Splitter auch ins Auge flogen. I. netopil 
 
In memoriam Becker-Donner 
Am 24. September 1975 ist Frau Hofrat Prof. Dr. Etta 
Becker-Donner, Direktor des Museums für 
Völkerkunde in Wien, durch einen allzu frühen Tod 
aus dem aktiven Dienst gerissen worden, dem sie 
bis zu ihrer schweren Erkrankung zu Beginn dieses 
Jahres alle ihre menschlichen und fachlichen Kräfte 
gewidmet hat. In ihrer zwanzigiährigen Leistungs- 
tätigkeit hat sie den Ausbau des Museums für 
Völkerkunde auf allen Sektoren, insbesondere der 
technischen Dienste und der Schaffung von 
Außenstellen, in hervorragender Weise geführt. 
In ihrer wissenschaftlichen Forschungstätigkeit ist 
sie als international bedeutende Ethnologin 
auf den lateinamerikanischen Raum spezialisiert 
gewesen, war Mitbegründerin und Präsidentin 
des Österreichischen Lateinamerikainstituts und hat 
sich auch in ihren fachlichen Publikationen und 
ethnalogisdien Ausstellungen vornehmlich mit 
dem Raum Süd- und Mittelamerika befaßt. 
Frau Direktor Dr. Etta Bedrer-Donner wurde am 
5. Dezember 1911 in Wien geboren und studierte 
an der Universität Wien Ethnologie und Linguistik. 
Bereits als Studentin unternahm sie ihre erste 
selbständige ethnologische Expedition und trat im 
Jahre 1938 in den wissenschaftlichen Dienst des 
Museums für Völkerkunde. In den Jahren 1947 
bis 1956 unternahm sie zahlreid1e Forsdiungsreisen 
84 
nach Brasilien, Argentinien und Chile, in deren 
Verlauf sie ethnologische, linguistische und 
archäologische Studien betrieb und mehrere große 
Sammlungen heimbrachte. 1956 bereiste sie China, 
1959 Rußland und Turkestan. Von 1962 an wandte 
sich ihr Interesse in besonderem Maße der 
Erforschung der kontemporären Volkskunst 
Lateinamerikas zu. Im Verlaufe von Sammelreisen 
nach Mexiko und Zentralamerika, später nach 
Guatemala, Peru, Ecuador, Columbien, Ponama 
und Honduras legte sie für das Museum für 
Völkerkunde in Wien umfangreiche Spezial- 
sammlungen zu diesem Thema an, die 1973 zu 
einer bedeutenden internationalen Wanderaus- 
stellung „Lateinamerikanische Volkskunst" 
zusammengestellt wurden. 
Seit 1955 hat Frau Direktor Dr. Becker-Donner eine 
rege Tätigkeit auf dem Gebiet der Volksbildung 
entfaltet und viele wechselnde Sonderousstellungen 
geschaffen, die zu einer Vertiefung des öffentlichen 
Interesses an den außereuropäischen Kulturen 
beigetragen haben. Darüber hinaus hat sie in 
zunehmendem Maße Interesse an den Fragen 
der Entwicklungsfärderung gewonnen und im 
Rahmen des Lateinamerikainstituts sich aktiv mit 
Entwicklungshilfeproiekten beschäftigt. So war sie 
Mitbegründerin einer österreichischen Schule und 
eines landwirtschaftlichen Entwicklungsproiektes 
in Guatemala und hat einer Landwirtschaftsschule 
in Brasilien und einer Bergwerksschule in Bolivien 
von österreichischer Seite aktive Hilfe zuteil 
werden lassen. 
In ähnlicher Weise war sie auch Initiatorin von 
Infarmationskursen über einzelne ausgewählte 
Regionen der „dritten Welt", die am Museum für 
Völkerkunde in Zusammenarbeit mit der 
österreichischen UNESCO-Kommission und dem 
Lateinamerikainstitut abgehalten wurden. 
Ein überaus arbeitsreiches Leben, das der 
ethnologischen Forschung und der Anwendung 
der durch Forschung gewonnenen Erkenntnisse in 
Vorträgen, Ausstellungstätigkeit und Beiträgen zur 
Entwicklungsfärderung gewidmet war, hat durch 
eine unvermutet auftretende Krankheit ein iähes 
Ende gefunden. Das Museum für Völkerkunde in 
Wien, dessen Direktorin sie durch zwei Jahrzehnte 
gewesen ist, dankt ihrer hingebungsvollen Arbeit 
nicht nur zahlreiche bedeutende ethnologische 
Sammlungen und Ausstellungen, sondern auch die 
wohlüberlegte Schaffung von wichtigen 
Einrichtungen der Infrastruktur, die eine 
unersetzliche Voraussetzung für die weitere Tätigkeit 
dieser wissenschaftlichen Institution sein werden. 
Hans Manndorff 
Zürich - Schweizerisches Institut für 
Kunstwissenschoft 
Das Institut bittet um Mitarbeit bei der Zusammen- 
stellung von Werkkatalogen zweier Künstler. 
Werkkatalog Giovanni Segantini. Dr. Annie-Paule 
Quinsac, Prof. für Kunstgeschichte in Calumbial 
South Carolina, bereitet in Zusammenarbeit mit 
dem Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaftl 
Zürich und der Landis B1 Gyr-Stiftung, Zug, eine 
vollständige Ausgabe des gemalten und 
gezeichneten Guvres von Segantini vor. Erstmals 
werden dadurch sämtliche Bilder und Zeichnungen 
des Meisters in Abbildung und wissenschaftlicher 
Beschreibung zugänglich sein. Alle Besitzer, die 
Werke von Segantini besitzen und bisher mit 
keiner der oben genannten Personen oder 
Institutionen in Verbindung stehen, sind gebeten, 
sich beim Institut zu melden. 
Werkkatalog Niklaus Manuel Deutsch. Hans 
Christoph von Tavel vom hiesigen Institut bereitet 
den vollständigen Katalog des bildnerischen Werkes 
von Gemälden, Zeichnungen, Holzschnitten, 
Glasfenstern u. a. von N. M. Deutsch vor. Auch hier 
die Anfrage an Institutionen und Personen um 
Mithilfe. Auch fragliche Werke oder Kopien können 
Hinweise geben und können helfen, das noch nie 
vollständig bearbeitete und publizierte Guvre 
zu beschreiben. Hinweise bitte an den Autor. 
Adresse in beiden Fällen: Schweizerisches Institut 
für Kunstwissensdtaft, Postfach 392, 8034 Zürich. n 
Karl Schwanzer 1- 
„Fünfundzwanzig Jahre Leben mit der schönsten 
Arbeit, die ich mir wünschen konnte, 
vergingen im Fluge." Der Schlagzeile „Tod des 
Stararchitekten" und der gewohnten Zerpflückung 
seines beruflichen und privaten Lebens folgte die 
lapidare letzte Aussage nach dem Freitod auf dem 
schlichten Fartezettel. Verhieß ihm dieses Leben 
nach diesen 25 Jahren angesichts der Rezession, die 
Ardtitekten und Baubranchererfaßt, nicht den 
angestrebten Hähenflu, keine berufliche Erfüllung 
mehr? Oder waren es wie kolportiert Mißerfolge 
(sprich Baumängel) am letzten Bau, Depressionen? 
Warum sucht man doch immer sensationslüstern 
die Ursachen nach einem solchen Tod? 
Wahrscheinlich ist von allem etwas mitbestimmend 
an diesem. Schwanzer war ein Rastloser, einer, 
der ohne Arbeit nicht leben konnte, der sich im 
Dienste am Werk bis zum letztmöglichen 
engagieren mußte, der bis zur persönlichen 
Selbstaufgabe zu gehen bereit war. Mit seinen 
Schlüsselbauten zum Erfolg: dem Österreichpavillon 
der Brüsseler Weltausstellung 1958 und dessen 
erfolgreicher Umfunktionierung zum Wiener 
Museum des 20. Jahrhunderts, dem Philips-Haus 
in Wien, das dem vom Süden Kommenden breit 
entgegenwächst und einsame Skyline bildet, 
und als Triumphat und Krönung dem BMW-Gebäude 
in München wurde Schwanzer weithin über 
Österreichs Grenzen bekannt. Mit dem letztge- 
nannten Bau vermeinte er sogar, mit an die Spitze 
der weltbekannten Architekten vorgedrungen 
zu sein. Ein neuer Neutra? Doch nur ein kurzes 
Aufflammen größten Erfolges war es, dem Neues 
und Größeres nicht folgte. Ob er, der nur in die 
Zukunft stürmte, der das ganz Große, den 
ultramodernen Turmbau zu Babel schaffen wollte, 
an dieser Aussichtslosigkeit vor allem, dann aber 
auch am beginnenden Klein-Klein einer mäkelnden 
Bauherrenschaft nicht tatsächlich verzweifelte? 
In einem Sonderheft dieser Zeitschrift zum 
Denkmalschutziahr 1975 erwies er sich als Publizist 
mit einem zukunftsweisenden Artikel „Architektur 
von heute - Baudenkmäler von morgen?" - Darin 
bricht er in der für ihn typischen Weise eine 
Lanze für den Architekten der Gegenwart: 
„Wir müssen uns doch als Baukiinstler des ,Heute' 
bewußt sein". Oder: „Die Furcht vor der Spitzhacke, 
die Unwertes zerstört, um Neuem Platz zu machen, 
muß dem Vertrauen zum Können unserer Gegen- 
wartsorchitekten weichen. Diese haben ein Recht, 
Zeugnisse vom Heute für das Morgen zu schaffen, 
die genauso aussagekräftig sind wie die Beispiele 
der Vergangenheit." Hier sprach einer 
naturgemäß auch pro domo und noch dazu mit 
großem Selbstbewußtsein. Schwanzer achtete und 
anerkannte das Alte, forderte aber die Zukunft 
durch den Heutigen und für das Heutige. 
Mit Recht wie uns scheint. Aber er hinterläßt nun 
vor der Zeit ein brennendes Vermächtnis. Eines, 
das alle „Betroffenen" zu heiligem Ernst 
verpflichtet. I. netopil 
IEI 
Bundesministerium für Wissenschaft 
und Forschung 
Besucherstatistik der staatlichen 
Ivguseen und Kunstsammlungen 
1 75 
Das Bundesministerium für Wissenschaft 
und Forschung gibt bekannt, daß in den ihm 
unterstehenden staatlichen Museen und 
Kunstsammlungen in den Monaten 
Juli 171.153 
August 172.541 
Besucher gezählt wurden.
	        
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