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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXI (1976 / Heft 144)

Gregor Martin Lechner OSB 
Das barocke Spitzenbild 
Schon im Antiquitätenhandel sind sie heute sel- 
ten und kostbar geworden, jene zarten Filigrane 
aus bemaltem Pergament, aber seltener Papier, 
die Spitzenbilderk Sie versuchen, in Fremdma- 
terial eine textile Spitze varzutöuschen, was 
ihnen meistens gelingt, und gelegentlich gilt es 
schon genau hinzuschauen, um Pergament von 
Stoff zu unterscheiden. Im Gegensatz zu den 
Bildern aus wirklicher Textilspitze und verschie- 
densten Stoffenz käme dem Pergamentbild 
eigentlich die passendere Bezeichnung „Schnitt- 
bild" zu, doch hat sich seit Spamers „Andachts- 
bild" dieser Terminus „Spitzenbild" überall" 
durchgesetzt. Die zeitgenössische, barocke Lite- 
ratur gibt solchen Werken den lateinischen Aus- 
druck „lmago incisa", so häufig in den hand- 
Auskünften und Hinweisen älterer Kloster- 
frauenä, die sich an die Herstellung in ihren 
Klöstern noch erinnern können oder, was selten 
ist, selber noch Spitzenbilder schnitten. Die Frage 
nach der Herstellungsdauer eines klösterlichen 
Spitzenbildes blieb bisher iedoch unbeantwortet. 
Die immer noch als schmales Rinnsol fortdau- 
ernde Tradition der Spitzenbildherstellung in 
Handarbeit zeigt sich auch darin, daß die ieizige 
Anordnung und Gestaltung des Spitzenfiligrans 
„moderner" Bilder sich kaum merklich von alten 
Spitzen unterscheidet. Einen stilistischen Hinweis 
geben eindeutig nur die ausgeführten Miniatur- 
telder, sofern diese nicht aus alten Andachts- 
bildern übernommen und eingeklebt sind. Heute 
sind Schneider und llluminatar bei einer erlö- 
schenden Produktion fast immer identisch. 
Der Herstellungsvorgang von handgearbeiteten 
Spitzenbildern verlief in Hauptzügen wie folgt: 
Ein Pergamentblatt aus feinster Ziegenhaut wird 
mittels vier Zwecken an den ieweiligen Bild- 
ecken auf Leder ausgespannt. Mit Blei- oder 
1 
Profanes Papierspitzenbild (H 3211x3405 mm] von 
1700. Als gewöhnliches, unbemalles Faltschnill- 
bild diente als Graluluiionsbillel. 
Frühes Pergamentspilzenbild mil hl. Georg von 
1714. Betonle Ruhmung und Farbigkeit unler 
Verwendung floraler Motive im Asparagusgrund. 
Format: H 256 x B 203 mm. 
Fergamenlspitzenbild mit S. Antonius von Padua 
um 1715. Beispiel eines frühen Bildtypus mit 
Häufung floraler Motive und vordringlicher Far- 
bigkeit, beinhaltet das sellene Föchermotiv. For- 
mat: H 280x B 212 mm. 
Pergamentspitzenbild mit St. Georg als Drachen! 
stedier, Ausschnitt. Zurückhultend ausgewogene 
Spilzenmoiive, vorherrschend das Schriflmotiv 
zentral unter dem lnschriftband, Rand im Ne- 
gativschnill. Äußerst zurückhallende Farbigkeit, 
1721. Format: H 284 x B 196 mm. 
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schriftlichen Diarienbänden des Göttweiger 
Priors Gregor Schenggl (l684-l750)' zu finden, 
wenn er ein solches Bild als Geschenk des Kon- 
vents an seinen Abt Gottfried Bessel verzeichnet. 
Spitzenbild ist damit die Bezeichnung für ein 
Andachtsbild, welches mittels Federmesser, 
Arztskalpell, Schere, Punze, Nagel und Nadel 
überwiegend aus Pergament auf harter Leder- 
unterlage geschnitten und gestochen wird. Dabei 
ist der Schnitt dieser Spitzenfalgen und Spitzen- 
fimirnn rin: Primiirn rinr nFt ririe nncnmln Rlntt. 
Silberstift wurden Medaillonfeld und Spitzen- 
verteilung skizzenhaft in ihrer Figuration vin 
Hauptzügen festgelegt, ebenso Rahmen- und 
Blumenverteilung. Fehlen einer Vorzeichnung 
oder nur eingedrückte Linien lassen den Schluß 
zu, daß in diesen selteneren Fällen mit Scha- 
blonen gearbeitet wurde, mit auf durchschei- 
nendem Papier aufgetragenen, kanonischen 
Spitzenbildfeldern. Eine häufige Variante, be- 
sonders bei anspruchsloseren Gratulationsbillets 
nhnn eniitnm Rnmnliinn linrit im hnrinxritnlon 
Anmerkungen 1-7 4 
'Bezeichnung von Adolf Spamer, im kleine Andachtsbild 
{Emilia bis 20. Jahrhundert, München 1930, S, MÄICH, 
25oldie Bilder wurden häufig geklebt oder in Applika- 
tionstechnik autgenähi. Widitig ist besonders der Uni- 
stand, daß zu solchen Klosterarbeiten Materialien Ver- 
Wendung fanden, die w" geweihten Paramanten als 
Restaurierungsabtall antielen und aus Pietätsgriinden so- 
mit verarbeitet wurden und damit wieder in einen ge- 
heiligten Dienst als Devotionsbild traten. 
'Weitere Literatur: Ausstellungskatalog Graphisches Ka- 
binett Stift Göttweig, Barocke Spitzeribilder, Jahresaus- 
stellung 1974, 11. Ausstellung von "I0. Mai bis 24. Sep- 
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