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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXI (1976 / Heft 144)

sanders aus Klosterwerkstätten von Bildhönd- 
lern und Kraxentrögern über Land verkauft und 
dann erst in der Werkstatt des heimischen Klo- 
sters oder beim sogenannten „Briefmaler" nach- 
träglich ausgemalt wurde. Als geläufiges Er- 
kennungszeichen dieses Handels kann gelten, 
daß figürliche Motive im Spitzenbild von attri- 
buthatter Bedeutung für die Medaillonminiatur 
nicht mit den obligaten Attributen der oder des 
Medaillonheiligen oder -szene harmonieren? 
Mit fortschreitendem 1B. Jahrhundert nimmt ie- 
doch eine derartige ikonographische Festlegung 
oder Kohärenz mit dem Besitzer und der Ge- 
schenkabsicht im Spitzenbild zunehmend ab und 
gibt breiteste Bemalungsmöglichkeiten trei. 
Zunehmende Konzentration der Farbigkeit auf 
nur eine Miniaturfläche innerhalb eines Spitzen- 
bildes bietet sich ebenso als Datierungsstütze 
an, da frühe Spitzenbilder im süddeutsch-öster- 
reichischen Raum durchwegs neben graphischen 
Elementen starke Farbigkeit, über das Gesamt- 
bild verstreut, kennzeichnet, bevorzugt werden 
Medaillon und Rahmung. Diese Bildgattung steht 
noch in Nähe zum süddeutschen Spiegelrahmen- 
bild in der volkstümlichen Hinterglasmalerei An- 
fang des 18. Jahrhunderts. Besonders schöne 
Stücke dieser frühen Zeugen verwahrt die Spit- 
 
Ab 
Roth, München'. 
Nadelstich- 
zenbildsammlung Eugen 
1760 gewinnt das sogenannte 
bildl" als ersatzhafte Variante des Spitzenbildes 
zusehends an Bedeutung, zum Unterschied vom 
länger schon gepflegten Nadelstichbild, dessen 
Spitzenfiligran aus quadratischer oder rauten- 
förmiger Musterung besteht". 
Namentlich Berühmtheit erlangten die frühen 
Schnittbilder der Niederländer, die in ihren Bil- 
dern durchgehend auf Farbigkeit verzichteten 
und selten nur religiöse Motive brachten. Ihre 
Qualität übermittelte uns auch die Namen be- 
rühmt gewordener Schneider und Schneiderin- 
nen, wie eine Anna Maria van Schurmann 
(1607-1678) zu Utrecht", eine Johanna Koerten- 
Block (1650-1715) zu Amsterdam", die ein An- 
gebot van 1000 Gulden in Gold durch Kurfürst 
Johann Wilhelm von der Pfalz für drei ihrer 
Schnittbilder als zu niedrig ausschlug. Bekannte 
Größen sind ferner zu Rotterdam die Elsbeth 
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Rhijberg und Gilles van Vliet (1674-1701), der 
Chirurg Van den Bogard, Johannis Capper, in 
Amsterdam ein Carnelis Pronck (1691-1759)" 
und ein Hendrik van Winter (1717-1782), Willem 
Roels und Willem Eigenmann arbeiteten zu Ley- 
den. In Amsterdam erschien denn auch 1686 die 
einzige Anleitung zum Papierschnitt „Kanstig en 
vermaakeliik tiid-verdriif der Hollandsche Jut- 
ferne of onderricht der papierenen sniiden". 
Namentlich bekannte Spitzenbildschneider aus 
dem süddeutschösterreichischen Raum gibt es 
wenige: die beiden Augsburgerinnen Susanne 
Mayer (1600-1674)", die sogar Joachim von 
Sandrart 1679 in seiner „Teutschen Akademie" 
im 3. Buch (2. Teil, Kap. 22, Nr. 262) erwähnt, 
und Rasina Barbara Pretting, die Mutter des 
berühmten Kupferstechers Johann Esaias Nilson 
(1721-1788). Sandrart erwähnt ferner „ein ab- 
sonderlicher Künstler in Pergament ausschnei- 
den mit der Scheer..., desgleichen in Europa 
nicht mehr zu finden seyn", gemeint damit ist 
der für die Steiermark van 1645-1677 nachge- 
wiesene Scherenschneider Rudolph Wilhelm Herr 
von Stubenberg auf Kapfenberg, bekannt unter 
seinem fehlgedeuteten Manogramm R. W. Hus". 
Von den vielen Klosterfrauen, die anderen zeit- 
lichen Gesetzen unterliegen, sind die Namen ver- 
laren. 
Die geläufigen Spitzenbildtormate reichen von 
155x105 bis 402x320 mm. Damit beweisen 
diese Größenformate, daß die Bilder zunächst 
und erstmals nicht als Gebetbucheinlagen Ver- 
wendung fanden, vielmehr in gesonderter Ver- 
wendung standen. Dies zeigt deutlich die Spit- 
zenbildersamrvilung des Oöttweiger Kupferstich- 
kobinetts, die erstmals durch die Auslagerung 
nach Krems im Zuge der Aufhebung des Klo- 
sters im Dritten Reich und deren Eingliederung 
als Ausstellungsobiekte in die Kremser Museums- 
röume 1943 an die Öffentlichkeit gelangte. lhren
	        
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