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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXI (1976 / Heft 144)

A Künstlerprofile 
Max Rieder 
 
 
 
Hirte für St. Koloman, 1mm. 
Marmor, 2,35 m 
Anton Hanak, 1943. 
Gips für Bronze. so cm 
Prozession, 1975. 
Gips für Bronze, H 2l cm 
Entwurf für eine Brunnenfigur, 
1975. 
Gips für Bronze, L a4 cm 
Max Rieder 
Der „Hirte" bewachte lange Zeit das kleine Haus des 
Künstlers an der linken Glanzeile in Salzburg. Sein 
Haupt erreichte fast die Hohe der Dachgleiche, sein 
Antlitz sah so friedfertig wie unerschrocken auf den 
Eingang. Der Ankommende hatte den Eindruck, 
es schmiegte sich das Haus an den Überlebens- 
großen Hüter, wie das Lamm sich zu seinen Füßen 
drängt. Man brauchte nicht die höheren Weihen 
einer Akademie der bildenden Künste empfangen 
zu haben, um sofort innezuwerden, Hirt und Haus 
stehen zueinander in gebrochener Proportion, 
man wußte im Augenblick, baid werde sich der 
Hirte auf den Weg machen, um seinen angestamm- 
ten Platz einzunehmen. Dort, in St. Kolomon, scheint 
er nun eingegangen in die Landschaft, gleichsam 
gewachsen. Man hat es vor Augen und erfährt es 
doch wie ein Wunder: die Proportion zwischen 
Plastik und Landschaft hat sich auf eine natürliche 
Weise hergestellt. 
Der „Hirte" ist die letzte größere Auftragsarbeit, 
die Max Rieder ausgeführt hat. Wir verweilen noch 
bei ihm, schließen iedoch in unsere Betrachtung auch 
die Figurengruppe „Musizierende" vor dem 
Salzburger Kangreßhaus, die „Pieta" in Fuschl, 
das Kanzelrelief in der Salzburger SL-Andrö-Kirche, 
die „Madanna" für das Salzburger Btindenheim 
und nach andere Bildwerke von ihm ein, wenn uns 
der Satz des unvergeßlichen Julius Meier-Graefe 
einfällt, mit dem er seine immer erregende Einsicht 
in die bildende Kunst des Abendlandes festgehalten 
hat: „Nur das unzerlegbare Menschliche kann sie 
tragen." Der Satz behält seine aufregende Gültig- 
keit, auch wenn er heutzutage verschüttet scheint 
vom unseligen Treiben der ldeologen aller Schat- 
tierungen, die von der Kunst das verlangen, was 
nur praktische Politik vollbringen kann. Jedem 
schöpferischen Künstler bleibt die Erhaltung und 
Weitergabe künstlerischer Substanzen eine existen- 
tielle Verpflichtung, eher wird er ins Schweigen 
der Öffentlichkeit eintreten und „unrepräsentatiW 
bleiben, als daß er Kraft und Talent für die 
sogenannte „Veränderung der politischen und 
gesellschaftlichen Systeme" verschleudert. Das kann 
und soll, ist er einer solchen Überzeugung, auch ein 
Schneider oder Schuster. Max Rieder nun hat es 
vorgezogen, den Prozeß der künstlerischen Läute- 
rung in der Stille zu vollziehen und für keine 
modische Tendenz als „reprösentativ" zu gelten. 
Diese Entsagung entspricht seinem Glauben an die 
Fortdauer des Menschen und birgt die Rettung 
in sich, insoferne er die freie natürliche Regung des 
Humanen offenbart. 
Seine sinnliche, sinnenhafte Wahrnehmung der Welt 
schließt die pure Abstraktion aus, und weil er 
dieser Sinnenklarheit rückhaltlos vertraut, antwortet 
seinen Figuren das Gemüt und nicht der Intellekt. 
Er kennt die Materie, aus der er schafft, mit der 
er umgeht, sei es nun Bronze, Stein oder Marmor, 
und diese Vertrautheit mit dem Material ruft den 
Mann ins Gedächtnis, der 1903 in sein Tagebuch 
die Notiz eingetragen hatte: „Es ist mir ein Rätsel, 
daß einen das Material so ganz beherrschen kann. 
Man wird förmlich neugeboren und erzogen . . ." 
Es war Anton Hanak. 
Dieser bedeutende Bildhauer, dessen ständige innere 
Vibration im „Brennenden Menschen" den ebenso 
formgerechten wie unwiederholbaren Ausdruck fand, 
hat den iungen Rieder, der eben seine Holzbild- 
hauerlehre in Salzburg absolviert hatte, in Wien wie 
ein zweiter Vater aufgenommen. Unter ihm hat 
er sein akademisches Studium begonnen, er ist ihm 
in der Folge durch fast zwei Jahre, bis zu Hanaks 
Tod, bei den großen bildnerischen Aufgaben in 
Ankara Freund und Helfer geworden. Auch hier 
offenbart sich eine der Eigenschaften von Max 
Rieder: Danken aus frahem, unbeschwertem Herzen 
kann nur, wer Größe in sich trägt und mit 
Bescheidenheit zu verbinden weiß. 
Franz Taucher
	        
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