A Künstlerprofile
Max Rieder
Hirte für St. Koloman, 1mm.
Marmor, 2,35 m
Anton Hanak, 1943.
Gips für Bronze. so cm
Prozession, 1975.
Gips für Bronze, H 2l cm
Entwurf für eine Brunnenfigur,
1975.
Gips für Bronze, L a4 cm
Max Rieder
Der „Hirte" bewachte lange Zeit das kleine Haus des
Künstlers an der linken Glanzeile in Salzburg. Sein
Haupt erreichte fast die Hohe der Dachgleiche, sein
Antlitz sah so friedfertig wie unerschrocken auf den
Eingang. Der Ankommende hatte den Eindruck,
es schmiegte sich das Haus an den Überlebens-
großen Hüter, wie das Lamm sich zu seinen Füßen
drängt. Man brauchte nicht die höheren Weihen
einer Akademie der bildenden Künste empfangen
zu haben, um sofort innezuwerden, Hirt und Haus
stehen zueinander in gebrochener Proportion,
man wußte im Augenblick, baid werde sich der
Hirte auf den Weg machen, um seinen angestamm-
ten Platz einzunehmen. Dort, in St. Kolomon, scheint
er nun eingegangen in die Landschaft, gleichsam
gewachsen. Man hat es vor Augen und erfährt es
doch wie ein Wunder: die Proportion zwischen
Plastik und Landschaft hat sich auf eine natürliche
Weise hergestellt.
Der „Hirte" ist die letzte größere Auftragsarbeit,
die Max Rieder ausgeführt hat. Wir verweilen noch
bei ihm, schließen iedoch in unsere Betrachtung auch
die Figurengruppe „Musizierende" vor dem
Salzburger Kangreßhaus, die „Pieta" in Fuschl,
das Kanzelrelief in der Salzburger SL-Andrö-Kirche,
die „Madanna" für das Salzburger Btindenheim
und nach andere Bildwerke von ihm ein, wenn uns
der Satz des unvergeßlichen Julius Meier-Graefe
einfällt, mit dem er seine immer erregende Einsicht
in die bildende Kunst des Abendlandes festgehalten
hat: „Nur das unzerlegbare Menschliche kann sie
tragen." Der Satz behält seine aufregende Gültig-
keit, auch wenn er heutzutage verschüttet scheint
vom unseligen Treiben der ldeologen aller Schat-
tierungen, die von der Kunst das verlangen, was
nur praktische Politik vollbringen kann. Jedem
schöpferischen Künstler bleibt die Erhaltung und
Weitergabe künstlerischer Substanzen eine existen-
tielle Verpflichtung, eher wird er ins Schweigen
der Öffentlichkeit eintreten und „unrepräsentatiW
bleiben, als daß er Kraft und Talent für die
sogenannte „Veränderung der politischen und
gesellschaftlichen Systeme" verschleudert. Das kann
und soll, ist er einer solchen Überzeugung, auch ein
Schneider oder Schuster. Max Rieder nun hat es
vorgezogen, den Prozeß der künstlerischen Läute-
rung in der Stille zu vollziehen und für keine
modische Tendenz als „reprösentativ" zu gelten.
Diese Entsagung entspricht seinem Glauben an die
Fortdauer des Menschen und birgt die Rettung
in sich, insoferne er die freie natürliche Regung des
Humanen offenbart.
Seine sinnliche, sinnenhafte Wahrnehmung der Welt
schließt die pure Abstraktion aus, und weil er
dieser Sinnenklarheit rückhaltlos vertraut, antwortet
seinen Figuren das Gemüt und nicht der Intellekt.
Er kennt die Materie, aus der er schafft, mit der
er umgeht, sei es nun Bronze, Stein oder Marmor,
und diese Vertrautheit mit dem Material ruft den
Mann ins Gedächtnis, der 1903 in sein Tagebuch
die Notiz eingetragen hatte: „Es ist mir ein Rätsel,
daß einen das Material so ganz beherrschen kann.
Man wird förmlich neugeboren und erzogen . . ."
Es war Anton Hanak.
Dieser bedeutende Bildhauer, dessen ständige innere
Vibration im „Brennenden Menschen" den ebenso
formgerechten wie unwiederholbaren Ausdruck fand,
hat den iungen Rieder, der eben seine Holzbild-
hauerlehre in Salzburg absolviert hatte, in Wien wie
ein zweiter Vater aufgenommen. Unter ihm hat
er sein akademisches Studium begonnen, er ist ihm
in der Folge durch fast zwei Jahre, bis zu Hanaks
Tod, bei den großen bildnerischen Aufgaben in
Ankara Freund und Helfer geworden. Auch hier
offenbart sich eine der Eigenschaften von Max
Rieder: Danken aus frahem, unbeschwertem Herzen
kann nur, wer Größe in sich trägt und mit
Bescheidenheit zu verbinden weiß.
Franz Taucher