. Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Möbel nach Maß
Frank-MaImsten-Raab-Asmussen
Katalog Neue Folge Nr. 38. Altes Haus,
Eitelbergsaol + Galerie, Wien 1, Stubenring 5
24. 10.-7. 12. 1975
Wir sind geneigt, große Architektur in vorbildlichen
Lösungen, urbane Planungen, wenn gelungen, als
Sonderleistungen anzuerkennen, weil sie vor allem
ins Auge springen. Wir bezeugen sicher auch den
Schöpfungen der Innenarchitektur die ihnen ge-
bührende Wichtigkeit. Nicht ganz sdieinen uns
äquivalent genug gewürdigt die unser eigentliches
Leben bestimmenden Dinge, die Möbel und deren
Schöpfer. Von der Kunst des Wohnens, der Kunst,
sich mit ienem Mobiliar auszustatten, die ein
„ideales" Heim garantieren, ist bis ins Uferlose
geschrieben und geschwatzt worden. Persönlich-
keiten, die bahnbrechend in diesem Bereich gewirkt
haben, wurden fast vergessen. Josef Frank, der
nach Schweden ausgewanderte Üsterreicher, ist
eine von diesen. Er stand auch im Mittelpunkt
der Ausstellung „Möbel nach Maß", deren
Initiator der Leiter der Mäbelsammlung Dr. Franz
Windisch-Graetz gewesen ist.
Das Schlagwort von der industriellen Revolution,
ienem umwälzenden Aufbruch, seinen erhofften
Segnungen, hat länst seine aufriittelnde Jahr-
hundertkraft eingebüßt. In vielem drängt der
Mensch zurück zum Einfachen, zum Ursprünglichen.
Man hat die modernen, kommunizierenden Wohn-
systeme mit ihren lörmerzeugenden und -leitenden
Materialien zum Teil satt und wohnt gerne
- wieder „mittelalterlich". Abgeschirmt van
meterdicken Mauerwänden. Hierzu kann man
Franks einschneidende Ansicht darlegen, der meinte:
„Wir brauchen es zu Hause nicht schön zu haben.
Wir brauchen nicht einmal nützlich und praktisch
zu mäblieren. Das Heim soll nicht in erster Linie
wie eine gut funktionierende Maschine sein, es
soll vielmehr Bequemlichkeit, Ruhe und Wohnlich-
keit schenken." - Frank nahm damit vor Jahrzehn-
ten voraus, was die Entwicklung bedingte. Das
Wiederentdecken und Aufgreifen des Individuali-
stischen vor dem in der überhandnehmenden
Technisierung Erstarrten. Die schöpferische Hand,
das Hand-werkliche gewinnen wieder an Terrain.
Mit Recht, wie es scheint! Dies beweist die
Ausstellung. Im Eitelbergersaal, ehrlich geteilt zu
gleichen Hälften Josef Frank und Carl Malmsten.
Zwei Möbelkiinstler, die ihre Laufbahn aus gänzlich
verschiedener Position starteten. Ersterer, Oster-
reicher, studierte in Wien Architektur, letzterer,
Schwede, begann als Tischlerlehrling. Unwillkürlich
der Vergleich vor den Obiekten: Franks
wienerische Herkunft stilprägend in den früheren
Schöpfungen (auch den Tapeten], später dessen
Assimilierung zu skandinavischen einfachen Formen;
Malmstens solid durchkonzipierte, material-
gewachsene, handschlichte Schöpfungen, deren
Ursprung aus der Volkskunst ableitbar ist. Beiden
gemeinsam ist die Abstimmung ihrer Möbel auf das
menschliche Maß und das gute Benützen, ihre
bewußt auf Einfachheit und Funktion erarbeiteten
Erfordernisse. Daraus erwachsen Natürlichkeit und
Zeitlosigkeit. Ausläufer auf die Galerie waren Rex
Raab und Erik Asmussen. Ersterer, Engländer, der,
in London Architektur studierte, versucht in seinem
Schaffen noch mehr die Körpergerechtheit als das
Primäre herauszubringen, wird in seinen Formungen
aber dennoch freier, schwungvoller, obgleich er
Loos als bestimmend anführt. Letzterer wiederum
kämpft für die neue Auffassung eines Lebens-
gefühls, das durch gestaltete Möbel erreicht
werden kann, die wohl funktionell stimmen sollen,
darüber hinaus iedoch in ihrer Konzeption das
Ansprechen des menschlichen Gefühls mitein-
schließen. Frank, Malmsten, Raab, Asmussen haben
eines gemeinsam: für sie muß in weitestem Maße
der „Zuschnitt" des Mäbels auf den Menschen
dermaßen sein, daß dieser sein Möbel im Ge-
brauch gerne „ongreift" bzw. benützt. Und da
scheint ihnen wohl hauptsächlich sehr stark an der
handwerklichen Bearbeitung Positives begründet.
Harmonische Rundungen und Maserungen, klare
Grundformung und zweckbedingte Detailansätze.
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Die Gesamtschau dieser vier Möbelkünstler
konnte dem Publikum einmal mehr den guten
Beweis erbringen, daB das handgemachte Möbel als
gebraudisgültig seinen Wert und seine Einmaligkeit
unter allen - oft widrigen - Umständen beweisen
wird. Wenn das Österreichische Museum für
angewandte Kunst und sein Direktor, Hofrat Prof.
Dr. Wilhelm Mrazek, dem Ausstellungen dieser
Art Verpflichtung sind, sowie dem Sammlungsleiter,
Dr. Windisch-Graetz, der sie initiierte, mit diesem
Vorhaben gelungen ist, das Augenmerk auf die
Vorzüge handwerklicher und künstlerischer Möbel-
fertigung zu lenken, so ist der Zweck vollkommen
erfüllt worden. Daß überdies hiermit das heimische
Tischlerhandwerk neue Quellen der Inspiration
vorgesetzt bekam, lag voll in der Absicht wie
auch das Bestreben, dem Möbelkünstler wie auch
dem Tischler von heute das Recht zuzuerkennen, sich
in verstärktem Maße der Herausforderung der
Industrie zu stellen, ia dieser durch gute oder gar
hervorragende Leistungen Paroli zu bieten
(Abb. 1-4].
lnauguration des neuen Rektors,
o. Prof. Arch. Johannes Spalt,
Akademische Feier, Säulenhof
Wien 1, Stubenring 5
Ausstellung der Meisterklassen, Hochschule
für an ewandte Kunst, Neues Haus,
Ausstellungshalle, Wien 1, Weiskirchnerstraße 3
27.11.1975 + 28.11.-14.12.1975
Wenn wir es recht bedenken, ist die Zusammen-
arbeit von Hochschule und Museum nicht mehr in
dem Maße möglich, wie dies in den Anfängen der
Fall sein konnte und der Tradition entspricht. Die
umwälzenden Jahrzehnte des ausgehenden
19. Jahrhunderts, aber auch die großen Namen des
angehenden 20. Jahrhunderts stehen als über-
mächtige Verpflichtung, ia gleichsam als Menetekel
in der Gegenwart. Angesidits der Bedeutung und
Einwirkung von Museum und Schule in damaligen
Zeiten auf die Gesellschaft und alle Lebensbereiche,
heimisch wie international, wird man heute, da die
technische Perfektion das individuelle und somit
auch das künstlerisch-kreative Schaffen dezimiert
und beeinträchtigt, die Frage stellen, wie man dem
steuern kann. Einer der Angelpunkte aber scheint
darin zu liegen, daß das Museum einfach zuwenig
Raum hat, um dessen Präsenz bis in die Gegenwart
herauf unter Beweis zu stellen. Der Fluß der
Sammlungen ist unterbrochen, denn es gibt leider
keine ständige Präsentation des modernen Kunst-
gewerbes. Ankäufe von Künstlern oder Retrospek-
tiven von Künstlern können gelegentlich in Aus-
stellungen gezeigt werden. Diese räumt man ab,
und damit erschöpft es sich. Somit verliegt die
Kunst des 20. Jahrhunderts aber in Depots. Da eine
Vielzahl von Künstlern aus der Hochschule hervor-
geht, bleibt ihre Dokumentation eine verborgene,
ein Besucher wird im normalen Museumsalltag
nichts darüber vorfinden. Also neuerlich eine hoch-
wichtige, grundsätzliche Frage, die von der Raum-
not "geklärt" ist. Wer aber kann hier Abhilfe
schaffen? Wir schicken dies gerade in dem so
feierlichen Moment wie einer Rektoratsübergabe
voraus, um es wenigstens festzuhalten. Am
27. 11. 1975 wurde vom scheidenden Rektor der
Studieniahre 1971172 bis 1974175 o. Prof. Carl Unger
im Zuge einer akademischen Feier das Amt an den
vom Gesamtkollegium der Hochschule mit großer
Mehrheit gewählten neuen Rektor, o. Prof. Arch.
Johannes Spalt, übergeben. In Anwesenheit der
zuständigen Bundesministerin für Wissenschaft uncl
Forschung, Dr. Hertha Firnberg, und Persönlichkeiten
des ministeriellen Stabes füllte ein festlicher Kreis
van Studenten, Assistenten und Professoren Säulen-
hof und Arkaden.
Hofrat Prof. Dr. Wilhelm Mrazek, dem Direktor
des Österreichischen Museums, oblag die Be-
grüßung, in der er die gute Zusammenarbeit mit
dem sdteidenden Rektor unterstrich, wobei aber
auch er auf gewisse Möglichkeiten einer besseren
Koordination aufmerksam machte, wenn widrige
Umstände, meist im materiellen Bereich oder in der
Ungunst der Verhältnisse, dies ermöglichen. Daß
ihm die Zusammenarbeit von Hochschule und
Museum ein echtes Anliegen ist, bekräftigte Hofrat
Dr. Mrazek, indem er dem neuen Rektor
ebenso seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit
bekundete. O. Prof. Carl Unger, der scheidende
Rektor, gedachte eingangs aller in seiner Amtszeit
verstorbenen Professoren und Angestellten und
wies vor allem dankbar darauf hin, daß er für alle
eingeleiteten Reformen und Maßnahmen, die in
ihrer Zielsetzung die Schule als eine Einheit sahen,
bei seinem Ressortdwef, Frau Bundesministerin Dr.
Hertha Firnberg, allergrößtes Verständnis und tat-
krättigste Unterstützung gefunden habe. Auch
dankte er Hofrat Dr. Mrazek für dessen ständige
Offenheit und Bereitschaft zur Kooperation von
Schule und Museum. Seinem umfassenden Bericht
über seine Amtszeit schloß er den Wunsch an
seinen Nachfolger an, dieser möge im Sinne der
gemeinsamen Ziele vier glückliche und erfolgreiche
Jahre der guten Zusammenarbeit haben.
O. Prof. Arch. Johannes Spalt, der neue Rektor,
setzte sich in seiner Antrittsrede vorerst mit der
Grundproblematik der Gegenwart auseinander. Er
akzentuierte mit den Wirkungen des Krieges und
den daraus resultierenden negativen Nachwirkun-
gen, der Technisierung, auch Amerikanisierung, der
Zerrissenheit der Zeit und deren seelischen Nöten,
die besonders die Jugend betreffen, sowie der Hast
des Konsums, die allesamt verstärkte Inaktivität und
Resignation hervorrufen. Die Schule betreffend ver-
merkte er es schmerzlich, daß diese bei ihrer
Gründung noch ein homogener Körper war, was
individuelle Lehrmeinungen nicht ausschloß. Später-
hin iedoch schwächte der verstärkte Hang zur
Isolation der Fachgebiete die Schule. Auch er
sprach von einem großen Umdenken, von neuen
Auffassungen und neuen Zielen, mit denen er für die
Hochschule für angewandte Kunst einen kontinuier-
lichen Erneuerungsprozeß einzuleiten hoffe, zum
Nutzen der studierenden Jugend und der Gesell-
sdiaft. Anschließend an die musikalisch umrahmte
Feier begab sich die Festgemeinde in die Aus-
stellungshalle des Neuen Hauses, um der Eröffnung
der nach zwanzig Jahren wieder erstmals größeren
Gesamtausstellung der Hochschule beizuwohnen.
Man kann das Wesen einer künstlerischen Hoch-
schule, seine Methoden, das „Wie-es-gewarden-
lst", das Spontan-lnspirative, wohl in Skizzen,
Studien u. ä. dokumentieren, doch das fertige
Produkt der Kreativität ist letztlich einzige Möglich-
keit der Selbstpräsentation der Schule. Und da
konnte man auch diesmal einige interessante
Proiekte, vor allem im Bereich der Architektur,
entdecken, die wert scheinen, realisiert zu werden.
Aber auch so wichtige und nützliche Dinge wie das
Modell einer Schultasche, einfach, leicht in
Tragen und Handhabung, optimal „vollstopfbar",
geben Beweis für die Verbindung von Schule und
Leben. Letzteres Proiekt hat eine erfolgreiche
Realisierung erfahren - wie ähnliche Proiekte
auch -, was hoffen Iäßt, daß man den angehenden
Künstlern, Designern und Entwerfern den Erfolg
zutraut und sie arbeiten läßt für den Gebrauch,
für die Gesellschaft, wie es ihrer Funktion zukommt.
Man sah ferner gute Arbeiten bei Malern und
Plastikern, Gebrauchsgrafikern und Schriftkünstlern,
aber auch in den klassischen Grunddisziplinen wie
Akt, der bildnerischen Erziehung in den Meister-
klassen für Gestaltungslehre, Mode, Textil, Metall
und Keramik. Ein reiches Potential von Schöpfungen,
das in seiner Zusammenfassung Zeugnis ablegt für
das Engagement seiner Lehrer, den starken Lern-
eifer und -willen der auszubildenden und schon
ausgebildeten Schüler. Einen Beweis in dieser
Richtung lieferten angehende und in ihrer Aus-
bildung abgeschlossene Studenten unter Leitung
ihrer Lehrer Prof. Alfred Soulek und Arch.
Wolfgang J. Haipl mit dem Unternehmen München-
dorf. Mit passablen Modellen für einen zum
ortsbelebenden Kommunikationszentrum umfunk-
tionierten Heustadel, der unter anderem das nicht
unbeträchtliche Opfer von insgesamt S 35.000.-
zu Lasten der Studenten miteinschloß, bewiesen
iunge Innenarchitekten Ambition und Tatkraft,
wobei sie vor allem die Praxisnähe außerordentlich
anspornte (Abb. 5-9). leapald netopil