Georg Wacha
Wallfahrerzeichen von
Sankt Wolfgang
ln einer Art Familienmuseum, dem „Praunschen
Kabinett", verwahrte die Familie von Praun ver-
schiedene Kleidungsstücke des Nürnberger Pa-
triziers Stephan lll. Praun (1544-1591) von dessen
Reisen und Wallfahrten. Ein Doppeltäschchen
aus grauem Wildleder mit autgenähten raten
Arabesken (orientalische Arbeit) gehörte wahr-
scheinlich zur Ausstattung des Reisenden auf
dem Weg nach Konstantinopel (1569), andere
Stücke trug er 1571 auf seiner Pilgertahrt nach
Santiago: Einen blauen Tuchmantel mit aus-
knöptbaren Seitenteilen, einen gelben Tuchman-
tel mit Seidenstickereien und dazugehöriger
Kapuze, gefüttert mit grünem Samt, einen leder-
nen Pilgermantel, mit Muscheln verziert, eine
Ledertasche, Lederschuhe sowie Sandalen aus
getlochtenem Hanf, endlich einen Pilgerhut aus
schwarzem Filz, mit Muscheln verziert'. Der
Jakobs-Pilger des späten Mittelalters ist zum
bildlichen Topas für einen Pilger überhaupt, die
Muschel als Abzeichen der Compostelatahrer ist
Signum aller Pilger geworden. Pilgerdarstellun-
ser Pilgerzeichen die Herstellung (mittels
alten Form) erst wesentlich später ertalgt
kann'.
Eine Menge Pilgerzeichen und andere Plal
hat man bei Baggerarbeiten unterhalb des
neut in Paris aus der Seine zutage getördr
die man sie geworfen hatte, als unter der F
rung Franz I. die Wechslerbrücke abge
wurde und die auf der Brücke stehenden
kaufsstände geräumt werden mußten. Die kl
„Signes de Pelerinage", die Pilgerabzeiche
13. und 14. Jahrhunderts, bilden einen uns:
baren, aber interessanten Bestand des l
de Cluny in Paris, handelt es sich dabei do:
die ersten greifbaren Massenartikel des ß
altersä. Der Abguß erfolgte in Blei oder in
Zinnlegierung, nur für besser situierte K
gab es auch Silberstücke. ln Ram hatten sie
Päpste das Monopol zur Herstellung der F
Zeichen vorbehalten; seit etwa 1200 übert
sie dieses Recht der Kirche St. Peter. Im
1451 wird in Einsiedeln ein eigenes „Zeichen
Anmerkungen 1-7
'Aufgang der Neuzeit, Deutsche Kunst und Kultur von
Dürers Tod bis zum Dreißigiährigen Krieg 1530-1650, Aus-
stellung des Germanischen Natianalmuseums Nürnberg
1953, Katalog S. 59, Nr. J 74-1 B1.
2 (Lpejiika? der christlichen lkonagraphie 3, 1971, Sp. 439 tt.
t ger .
'Alltag und Fest im Mittelalter, Gotische Kunstwerke als
Bilddakumente, Katalog der Usterreidiisdwen Galerie
Wien, 1970, S. 87, Nr. 53.
'Erwin Ortmann, Zinntiguren einst und ietzt, Zürich 1973,
S. 16 tt. und Abb. 13.
5 In Österreich befanden sich ausgewählte Beispiele in der
Sammlung Figdor (Katalog „Die Sammlung Dr. Albert
Figdor, Wien", 1. Teil, 1930, Nr. 211 fi, einiges ge-
langte von dort nach Eisenstadt in die ammlung von
Alexander (Sünder) Wolf und wurde in Band Z4 der
Üsterreichischen Kunsttopographie (Eisenstadt und mm),
1932, S. 143, beschrieben.
tHanns-Ulridi Haedeke, Zinn, Zentren der Zinn ießkunst
von der Antike bis zum Jugendstil, Leipzi 197 , S. 46.
Max Bernhart, Medaillen und Plaketten, ibliathek für
Kunst- und Antiauitätensammler, Band 1, 2. AutL, Berlin
WQO, 5, 101,
' Haedeke, S. 46 und Abb. 3.
16
gen ieglicher Art und Pilgerpatrone sehen ein-
ander darin gleich (Koloman, Rochus, Sebald
usw., selbstverständlich St. JakobF. Ein wichti-
ges Attribut war der Pilgerhut, an dessen vorn
oder seitlich umgeschlagener Krempe die Pilger-
zeichen in Gitterguß mit Ösen festgenäht waren.
Wahrscheinlich wiederholte man damit die reiche
Agraffe als Schmuck vornehmer Leute, wie sie
seit dem Spötmittelalter die Kopfbedeckungen
der Männer schmückte. Die bildlichen Darstel-
lungen konnten einen Hinweis auf das Pilgerziel
oder die bereits absolvierte Wallfahrt beinhal-
ten. Ein Gemälde des hl. Cantius vom Meister
des Krainburger Altars (um 1500) in der Öster-
reichischen Galerie zeigt auf dem Pilgerhut fol-
gende Applikationen: gekreuzte Pilgerstöbe, ge-
kreuzte Schlüssel (Rampilger), Veraikon (Jeru-
salem, vielleicht Konstantinopelf. Das älteste
Stüd: aus Mitteleuropa wurde in Magdeburg ge-
tunden, es zeigt ein Silberplättchen mit der An-
betung der Könige, als oberer Abschluß eine
Architekturdarstellung, wobei rechts und links
von einem Engelkopf im Mittelgebiet ie drei
Fenster durchbrochen sind. Zwei Ösen an ieder
Seite ermöglichen die Befestigung. Wenn auch
die Dotierung aus stilistischen Gründen ins 12.
Jahrhundert gerechtfertigt ist, so muß doch be-
tont werden, daß bei der langen Tradition die-
erwähnt, das die Herstellung und den Vs
der Pilgerzeichen zu besorgen hattet. Am
St. Michel in der Normandie verkaufte
Pilgerzeichen mit dem Bildnis des heilige
chael, aus dem nördlichen Frankreich sta
solche mit dem heiligen Dionysius, aus
solche mit dem heiligen Quirinus7.
Wie steht es nun mit den größten Wollt:
auf dem Gebiet des heutigen Österreich
das späte Mittelalter waren der heilige Wal
und seine Kultstätte am Abersee ein Anziel
punkt von ungeheurer Zugkraft. Die große
der Wolfgangskirchen und Kapellen, me
den Wallfahrerwegen angelegt, gibt heute
davon Kunde. Als Unikat ist ein spötmitte
liches Wallfahrtszeichen des Heiligen anzui
das Günther Probszt 1942 in der Medaillen:
lung des Stiftes Göttweig auffand. Es wc
Silber, 2,85 cm im Durchmesser, Vorder
Rückseite zeigen die gleiche Darstellung: S
TVS WOLFGANG in ganzer Figur sitzen
Mitra, den Krummstab in der Rechten, dc
chenmodell auf dem Schoß, das Beil i
Linken. Durch die engen Beziehungen zw
dem Kloster Mondsee (das die Wallfahrt
Wolfgang betreute) und Salzburg ist wohl
nehmen, daß die Herstellung dieses Pilg
chens in Salzburg und nicht in dem weite