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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXI (1976 / Heft 146)

Gußform wirkend - die Spuren ihrer Unvoll- 
kommenheit auf der Oberfläche des Bildes hin- 
terläßt." (Robert Adrian") 
Die Erläuterung der Arbeitsmethade dient nicht 
nur der Entmystifizierung künstlerischer Arbeit, 
sondern im Hinblick auf die Identität von Her- 
stellungsprozeß, Analyse und Resultat [Obiekt 
Bild) auch der Betonung der Tatsache, daß das 
Bild von nichts anderem handelt als sich selbst. 
Die Überbetonung, die dem Herstellungsprozeß 
- abgelöst von Intention und Gegenstand Bild - 
in manchen Passagen von Klaus Honnefs Ver- 
such einer Begriffsbestimmung der „Analyti- 
schen Malerei" zuteil wird, führt übrigens ein 
zeitliches Moment in die Malerei ein, um das 
es den Vertretern der analytischen Malerei bei 
ihrer Analyse der Strukturen des Objektes Bild 
sicher nicht zu tun ist. Ist es doch gerade die 
aus der Identität des Obiektes Bild mit sich 
selbst folgende Atemporalität des Bildes, die 
die malerische Aussage von Aussagen in ande- 
ren Medien der Kunst abgrenzt. Anders als z. B. 
Film, Video oder Aktion ist der Gegenstand Bild 
auch nicht wiederholbar. 
In der Unterstreichung dieses Aspektes der Un- 
Wiederholbarkeit lehnt sich die neue Malerei aus- 
drücklich gegen die Konzeptkunst auf, der sie 
theoretisch und methodisch sehr viel verdankt. 
Auch der Umstand, daß die Erläuterungen von 
Materialien und Herstellungsprozeß in der neuen 
Malerei einer Beschreibung des Bildes gleich- 
kommen bzw. umgekehrt die Beschreibung des 
Bildes auch schon seine Machart aufzeigt, sollte 
nicht darüber hinwegtäuschen, daß der manch- 
mal verwendete Terminus „konzeptuelle Male- 
rei" sowohl von der Konzeptkunst als auch von 
der Malerei her betrachtet ein Unsinn ist: die 
Erläuterung der Malrnittel und des Herstellungs- 
prozesses in der analytischen Malerei hat prag- 
 
9 Giorgio Griffa, Linee orizzontali, 1973 
10 Giantranca Zappettini (ohne Titel) 
Anmerkungen 10-15 
"'ln: Katalog der Einzelausstellung Modern Art Galerie, 
Wien, 1976. 
"In: Presseausseridung zur Ausstellung Galerie Ulysses, 
Wien, 1976. 
H Honnef, op. (n. 
"In: „Data", Milano, 1974, Nr. 10. 
"S: Malewitschs Tafeln zur Theorie der Malerei: ll. 
Analyse der Empfindungen, um Nr. 9. 
" zitiert nach: Antie von Graevenitl „Malewitschs Ant- 
wort auf Sdlapenhauer". Süddeutsche Zeitung Nr. 61, 
13114. März 1976, 
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matischen Charakter. Sie ist nicht - wie in der 
Konzeptkunst gefordert - linguistische: Korrelat 
des Werkes. 
„Das Prinzip des Vorgehens ist dialektisch; The- 
se-Antithese-Synthese, d. h. Farbe - Graphit (An- 
tifarbe) - neue Oberfläche. Die zuerst aufge- 
tragene meist stark Ieuchtende Farbe wird dabei 
einer Belastungsprobe auf ihr Durchsetzungs- 
vermögen unterworfen, indem Graphitstaub mit 
einem Schaumstaffkissen von unten nach oben 
aufgetragen und anschließend mit einem Fön 
weggeblasen wird. Die neu entstandene Farb- 
oberfläche wird überprüft. Dieser Vorgang wird 
so oft wiederholt, bis ein leicht farbig leuchten- 
des, monochrames Graufeld erreicht ist. Da der 
Abdruck des Spachtel: beim Farbauftrag Spuren 
hinterläßt, zumal der Graphitstaub iede klein- 
ste Strukturunebenheit immens betont, bin ich 
davon abgegangen, die Bilder horizontal auf- 
zubauen, weil das bestimmten Analogien Var- 
schub leistete. (Jede Assoziation an eine Land- 
schaft oder an Reflexionen von Licht auf einer 
Wasserfläche sollte vermieden werden.) Der 
senkrechte Aufbau läßt das nicht zu. Die Bild- 
oberfläche wird durch das ständige Auftragen 
und wieder Abreiben der Graphitschicht stark 
diffus, es entsteht dadurch der Eindruck von 
räumlicher Tiefe. Durch Veränderung des Be- 
trachtungspunktes nach hinten, wenn das Auge 
nidlt mehr fähig ist, die Binnenstruktur der Ober- 
fläche zu unterscheiden, wird der Obiektcha- 
rakter des Bildes erfahrbar." (Rolf Rose") 
Erfahrbar wird der Obiektcharakter des Bildes 
- das Bild selbst - also nur in der Konfronta- 
tion mit dem Gegenstand Bild. (Folgerichtig las- 
sen sich die Bilder der analytischen Malerei, 
die keinen anderen Inhalt haben als sich selbst, 
je konsequenter sie sind, desto schwerer re- 
produzieren.) ln der Rezeption dieser Bilder er- 
I0 
hebt sich neuerlich eine Problematik: 
Honnef listet als eines seiner Kriterien 
analytische Malerei folgenden Paragraph 
„Das bildnerische Resultat bedarf iedocl 
aktiven Betrachters. Es provoziert überdi 
Betrachtungsweise, welche die Reflexio 
Denken darüber, was wahrgenommen wir 
vom Akt der Wahrnehmung abspaltet. E 
perzeptionsvermögen des Betrachters wi 
ciert; durch die Forcierung des Apperzc 
Vermögens stellt sich Zug um Zug eine 
renzierung des Rezeptionsvorganges ei 
durch die Differenzierung des Rezepti 
ganges wird am Ende der Reflexionsproz 
geleitet. Dieser Vollzug geschieht nicht 
zelnen voneinander abgetrennten Stad 
geschieht als integrierter Prozeß und is 
sichts der bildnerischen Ergebnisse zwang 
Die Bilder sind in dieser Hinsicht ,primöl 
pettini). Sie thematisieren gewissermaff 
Erkenntnisse des Kunstwissenschafters 
Arnheim, der in seinem Buch Anschaulich 
ken' nachgewiesen hat, daß Wahrnehml. 
Denken nicht voneinander geschieden 
können"? Arnheims Begriff des „an 
chen Denkens" hat zwar dem - ebenfalls 
in Zusammenhang mit der neuen Male 
brauchten - Ausdruck „meditativ" vora 
er alle Assoziationen mit etwas Mystisch 
meidet, andererseits darf nicht ÜbBTSEIV 
den, daß gerade Arnheim postuliert, daf 
Wahrnehmung eine „Anwendung per: 
Kategorien auf das Reizmaterial" stattfi 
die Wahrnehmung durch den Betrachte 
ten sich also in Form von etablierten W 
mungskategorien Inhalte einschleichen, 
die die Identität des Gegenstandes Bild 
selbst wieder gestört wird. Giulio Carlc 
hat in einem Essay unter dem Titel „Re
	        
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