Gußform wirkend - die Spuren ihrer Unvoll-
kommenheit auf der Oberfläche des Bildes hin-
terläßt." (Robert Adrian")
Die Erläuterung der Arbeitsmethade dient nicht
nur der Entmystifizierung künstlerischer Arbeit,
sondern im Hinblick auf die Identität von Her-
stellungsprozeß, Analyse und Resultat [Obiekt
Bild) auch der Betonung der Tatsache, daß das
Bild von nichts anderem handelt als sich selbst.
Die Überbetonung, die dem Herstellungsprozeß
- abgelöst von Intention und Gegenstand Bild -
in manchen Passagen von Klaus Honnefs Ver-
such einer Begriffsbestimmung der „Analyti-
schen Malerei" zuteil wird, führt übrigens ein
zeitliches Moment in die Malerei ein, um das
es den Vertretern der analytischen Malerei bei
ihrer Analyse der Strukturen des Objektes Bild
sicher nicht zu tun ist. Ist es doch gerade die
aus der Identität des Obiektes Bild mit sich
selbst folgende Atemporalität des Bildes, die
die malerische Aussage von Aussagen in ande-
ren Medien der Kunst abgrenzt. Anders als z. B.
Film, Video oder Aktion ist der Gegenstand Bild
auch nicht wiederholbar.
In der Unterstreichung dieses Aspektes der Un-
Wiederholbarkeit lehnt sich die neue Malerei aus-
drücklich gegen die Konzeptkunst auf, der sie
theoretisch und methodisch sehr viel verdankt.
Auch der Umstand, daß die Erläuterungen von
Materialien und Herstellungsprozeß in der neuen
Malerei einer Beschreibung des Bildes gleich-
kommen bzw. umgekehrt die Beschreibung des
Bildes auch schon seine Machart aufzeigt, sollte
nicht darüber hinwegtäuschen, daß der manch-
mal verwendete Terminus „konzeptuelle Male-
rei" sowohl von der Konzeptkunst als auch von
der Malerei her betrachtet ein Unsinn ist: die
Erläuterung der Malrnittel und des Herstellungs-
prozesses in der analytischen Malerei hat prag-
9 Giorgio Griffa, Linee orizzontali, 1973
10 Giantranca Zappettini (ohne Titel)
Anmerkungen 10-15
"'ln: Katalog der Einzelausstellung Modern Art Galerie,
Wien, 1976.
"In: Presseausseridung zur Ausstellung Galerie Ulysses,
Wien, 1976.
H Honnef, op. (n.
"In: „Data", Milano, 1974, Nr. 10.
"S: Malewitschs Tafeln zur Theorie der Malerei: ll.
Analyse der Empfindungen, um Nr. 9.
" zitiert nach: Antie von Graevenitl „Malewitschs Ant-
wort auf Sdlapenhauer". Süddeutsche Zeitung Nr. 61,
13114. März 1976,
34
matischen Charakter. Sie ist nicht - wie in der
Konzeptkunst gefordert - linguistische: Korrelat
des Werkes.
„Das Prinzip des Vorgehens ist dialektisch; The-
se-Antithese-Synthese, d. h. Farbe - Graphit (An-
tifarbe) - neue Oberfläche. Die zuerst aufge-
tragene meist stark Ieuchtende Farbe wird dabei
einer Belastungsprobe auf ihr Durchsetzungs-
vermögen unterworfen, indem Graphitstaub mit
einem Schaumstaffkissen von unten nach oben
aufgetragen und anschließend mit einem Fön
weggeblasen wird. Die neu entstandene Farb-
oberfläche wird überprüft. Dieser Vorgang wird
so oft wiederholt, bis ein leicht farbig leuchten-
des, monochrames Graufeld erreicht ist. Da der
Abdruck des Spachtel: beim Farbauftrag Spuren
hinterläßt, zumal der Graphitstaub iede klein-
ste Strukturunebenheit immens betont, bin ich
davon abgegangen, die Bilder horizontal auf-
zubauen, weil das bestimmten Analogien Var-
schub leistete. (Jede Assoziation an eine Land-
schaft oder an Reflexionen von Licht auf einer
Wasserfläche sollte vermieden werden.) Der
senkrechte Aufbau läßt das nicht zu. Die Bild-
oberfläche wird durch das ständige Auftragen
und wieder Abreiben der Graphitschicht stark
diffus, es entsteht dadurch der Eindruck von
räumlicher Tiefe. Durch Veränderung des Be-
trachtungspunktes nach hinten, wenn das Auge
nidlt mehr fähig ist, die Binnenstruktur der Ober-
fläche zu unterscheiden, wird der Obiektcha-
rakter des Bildes erfahrbar." (Rolf Rose")
Erfahrbar wird der Obiektcharakter des Bildes
- das Bild selbst - also nur in der Konfronta-
tion mit dem Gegenstand Bild. (Folgerichtig las-
sen sich die Bilder der analytischen Malerei,
die keinen anderen Inhalt haben als sich selbst,
je konsequenter sie sind, desto schwerer re-
produzieren.) ln der Rezeption dieser Bilder er-
I0
hebt sich neuerlich eine Problematik:
Honnef listet als eines seiner Kriterien
analytische Malerei folgenden Paragraph
„Das bildnerische Resultat bedarf iedocl
aktiven Betrachters. Es provoziert überdi
Betrachtungsweise, welche die Reflexio
Denken darüber, was wahrgenommen wir
vom Akt der Wahrnehmung abspaltet. E
perzeptionsvermögen des Betrachters wi
ciert; durch die Forcierung des Apperzc
Vermögens stellt sich Zug um Zug eine
renzierung des Rezeptionsvorganges ei
durch die Differenzierung des Rezepti
ganges wird am Ende der Reflexionsproz
geleitet. Dieser Vollzug geschieht nicht
zelnen voneinander abgetrennten Stad
geschieht als integrierter Prozeß und is
sichts der bildnerischen Ergebnisse zwang
Die Bilder sind in dieser Hinsicht ,primöl
pettini). Sie thematisieren gewissermaff
Erkenntnisse des Kunstwissenschafters
Arnheim, der in seinem Buch Anschaulich
ken' nachgewiesen hat, daß Wahrnehml.
Denken nicht voneinander geschieden
können"? Arnheims Begriff des „an
chen Denkens" hat zwar dem - ebenfalls
in Zusammenhang mit der neuen Male
brauchten - Ausdruck „meditativ" vora
er alle Assoziationen mit etwas Mystisch
meidet, andererseits darf nicht ÜbBTSEIV
den, daß gerade Arnheim postuliert, daf
Wahrnehmung eine „Anwendung per:
Kategorien auf das Reizmaterial" stattfi
die Wahrnehmung durch den Betrachte
ten sich also in Form von etablierten W
mungskategorien Inhalte einschleichen,
die die Identität des Gegenstandes Bild
selbst wieder gestört wird. Giulio Carlc
hat in einem Essay unter dem Titel „Re