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magen, DDEF Im irmanunseiemenr des onnuppens
beim Betrachten gleichbleiben. Blickt man auf die
„lkone" und folgt dem verweisenden Gestus der
Finger, liest man im aufgeschlagenen Buch „Plate
I" und wird überrascht den tellerartigen
Nimbus entdecken. Aber er meint keinen Heiligen-
schein, sondern ist ein vor den farbig
durchgezeichneten Körper geblendeter Teller, auf
dem in Grisaille der Kopf erscheint. Der Teller
wirft seinen Schatten auf den Blattgrund, ist diesem
räumlich nahe gedacht. Strobl zeichnet keinen
Pantocrator, sondern sein Bild geht von der
Wirklichkeit auch der Ikone ab und kommt zur
Zeichnung eines „wirklichen" Tellers mit der
Abbildung des Kopfes, Strobl ist nicht an
Problemen interessiert. Sie ist ständig auf der
Suche nach Dissonanzen, noch widersprüchlichen
Konfrontationen und ästhetisiert sie - der Stille
mancher Bilder ist nicht zu trauen. Anstelle
ohnmächtigen Wehklagens setzt sie ihren Zynismus.
Ihre manchmal unbequemen Themen und bösen
Spielereien haben oft am schlechten Gewissen der
Kritiker gerüttelt, die nicht „zurück auf die Bäume"
wollten oder sich von „Nerzpfoten angeklagt
fühlten". In der „lkane" scheint gedämpft ihre
Doppelbegabung auf.
Die 1949 in Schladming geborene Künstlerin hat
T972 an der Hochschule für angewandte Kunst in
Wien das Diplom für Graphik und nach nur zwei
Jahren Studium am Royal College of Art in London
1974 den Master of Arts in Keramik erworben.
Gleich die erste Ausstellungsbeteiligung
brachte ihr den 2. Preis des Forum Stadtpark Graz.
Kunsthandwerk ist für Strobl Medium der Distanz.
Wenn man mit Viktar Schklovski als eine
wesentliche Eigenheit des modernen Künstlers „das
Sanderbarrnachen der Dinge" ansieht, bezeichnet
man d a s Anliegen dieser Künstlerin. Sie
verfremdet scheinbar Bewußtes und macht Fremdes
scheinbar bewußt. In ihren Zeichnungen setzt sie
menschliche Kultur und Unkultur gegen Natur.
So knabbert im stillen Winkel eine Maus ein
paar Krumen, unberührt van der Epiphanie zweier
schwebender Messer einer unbekannten,
erloschenen Kultur, oder verirrt sich ein Steinbock
im Gebirge aufgetürmter, abstrakt linearer
Quader. In die graue Kälte historischer Distanz
setzt sie buntes Leben. Ihre kühlen Witze einen
Zeitlichkeit (und Vergänglichkeit) menschlichen Tuns
mit dem dagegen anbrandenden Leben der
Evolution, das durch den Menschen gefährdet ist.
Wenn ein winziges Rhinozeros von einem
riesenhaften Knochen derselben Spezies
zerquetscht wird, konfrontiert sie wissenschaftliches
Interesse mit dem Spiel. Verspricht die geschlossene
Chicken-Box, an viktorianische Confiseriedosen
erinnernd, ein Dessert, zeigt sie geöffnete
Hühnerklauen. Ist der Appetit verdorben, tröstet die
handwerkliche Perfektion über die enttäuschten
Erwartungen hinweg. Strabl setzt ihre überragende
Virtuosität gegen die Vorurteile des Betrachters ein,
spielt mit den Materialempfindungen den Tastsinn
gegen Augenreize aus: ob sie auf einem Teller
neben einem bunt gemalten Tisch plastisch
ausgeführte, glasierte (oder gefiederte) Fische ohne
Farbigkeit setzt oder ob sie auf einem Foto mit
einer sie umwindenden Riesenschlange posiert, die
sich dann als Horn einer seltenen Tierart erweist,
oder auch lediglich zwei halbe Teller aneinander-
kettet. Die surrealistische Tendenz zur Verfremdung
führt nie in ein Reich des Traumhaften, die
analytische Begabung resultiert in einem
klärenden Lernprozeß, Geheimnisvoll bleibt nur, daß
auch nach dem Verstehen der Effekte sich keine
Langeweile einstellt. Gerade weil sie sich den
Luxus erlaubt, auf Gefälligkeiten zu verzichten, und
dem Geschmack keine Konzessionen macht,
tauchen inmitten ihres Gruselkabinetts von
gerupften Hühnermenschen und gequälten
Zwitterwesen meisterhafte Kabinettstücke auf, die
originell und unauslotbar zugleich sind.
Thomas Zaunschirm