Mechtild Wierer
50 Jahre ART DECO -
Die Jubiläumsausstellung
in Paris
Frankreichs Anspruch auf internationalen Ruhm
in bezug auf seine Mitwirkung an der Ent-
wicklung der modernen dekorativen und im
weitesten Sinne industriellen Kunst der ersten
Jahrzehnte dieses Jahrhunderts wurde von nicht
wenigen Zeitgenossen, auch französischer Natio-
nalität, angefochten und als fragwürdig einge-
stuft. Es verwundert daher kaum, daß heute
französische Kenner und Spezialisten der zwan-
ziger Jahre sich immer wieder mit größter Vehe-
menz gerade für diese kunstgeschichtliche, für
Frankreich doch so maßgebende Epoche ein-
setzen. So etwa auch Yvonne Brunhammer vom
a des Arts Decaratifs in Paris, die nun in
n Museum vorn 14. Oktober 1976 bis zum
ITUOT T977 die bedeutende und lang erwar-
Jubiläumsausstellung „CINQUANTENAIRE
EXPOSlTlON W25" präsentieren wird. i
s 1966 organisierte Yvonne Brunhammer
ern Musee des Arts Dekoratits die erste
lende auf die dekorative Kunst von 1925.
usstellung unter dem Titel „Les Annees 75"
te eine Lawine ungeheuren Ausmaßes ins
t. Die „Retro-Welle" begann den Markt zu
aülen.
die Assoziation einflußreicher Bewegun-
nit dem Art Deco - der Untertitel der
ellung lautete: Art DecolBauhauslEsprit
eaulStijl - wertete das Art Deco, bis dato
mehr oder weniger national gebliebene
arscheinung der Franzosen, weltweit auf.
eginn des 20. Jahrhunderts herrschte in
reich weder von seiten der Industrie noch
onsumenten viel Interesse an zeitgenössi-
avantgardistischem Kunstgewerbe. Die
iven konnten daher nur individuelle sein.
ersuche wendeten sich an ein bestimmtes
abendes Publikum: begeisterte Amateure,
oder Frauen, die sich den Eingebungen
„Exposition internationale des Arts decoratifs
et industriels modernes 1925" - Jardin von
Mallet-Stevens. Bäume aus Zement der Brüder
Martin
„Porte d'Orsay" der „Exposition 1925". Entwurf
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der Mode beugten. Der französische Kunstge-
werbler hatte den traditionellen Anforderungen
an Luxus, Eleganz und Erlesenheit Genüge zu
leisten. In Österreich, Deutschland, Belgien hin-
gegen entwickelte sich seit Anfang des Jahr-
hunderts ein streng funktioneller, schmuckloser
Stil, dessen Verkörperung und Reinheit einer
besseren Anwendung diente und außer seiner
ästhetischen Bestimmung auch eine soziale Mis-
sion zu erfüllen hatte.
Dank der von Yvonne Brunhammer analytisch
hervorragend konstruierten Ausstellung wurde
dem Publikum der 66er Jahre eine umfassendere
Kenntnisnahme und Einschätzungsmöglichkeitge-
boten. Die Wirkung war gewaltig. Eine Unzahl
von Mode-, Textil-, Schmuck-, Lampen-, Deko-
ratians-, Möbel-, Werbe-, Verlags- und Filmin-
dustrien sorgte schnell für ein marktgerechtes
Comeback des Stiles der 25er Jahre, und eine
immense Kitschflut überflutete die Lande. Retro-
gaststötten schossen wie Pilze aus dem" Boden.
Die Auktions- und Antiquitfitenpreise pendelten
sich ein. Das Interesse am Entrümpeln und Ver-
äußern vieler - in Haushalten, Kellern und auf
Dachböden - vergammelnder Art-Deco-Obiekte
wurde geweckt. Das plötzlich an authentischen
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