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wurde. Der jüngere Sohn Leopold wurde Großherzog von Toscana, welches Land der
habsburgischen Secundogenitur zugewiesen ward. Ferdinand, der viertgeborene, erwarb
durch seine Heirat mit der Erbtochter des Hauses Este das Herzogthum Modena. Von den
Töchtern wurde Caroline Königin von Neapel, Maria Antoinette Königin von Frankreich.
Glücklicher als diese beiden war ihre Schwester Maria Christine, bekannt durch das herrliche
Grabmal in der Augustinerkirche zu Wien, welches ihr der Herzog Albrecht von Sachsen-
Teschen, ihr Gemal, durch Canova errichten ließ. 1765 fand zu Innsbruck die Vermälung
des Erzherzogs Leopold mit einer spanischen Infantin statt. Während der damit verbundenen
Festlichkeiten ereilte den Kaiser der Tod. Eben aus der Oper zurückgekehrt starb er, vom
Schlage getroffen, in den Armen seines Sohnes Josef. Maria Theresia war untröstlich;
sie legte die Trauerkleider nicht wieder ab.
Maria Theresia überlebte ihren Gemal noch fünfzehn Jahre. In der letzten Zeit
fühlte sie sich vielfach vereinsamt. Von ihren Kindern waren mehrere in der Fremde, von
den Männern, die sie einst mit Rath und That unterstützt hatten, rief der Tod einen nach
dem anderen ab. Mit Schmerz nahm sie wahr, wie oft ihre Ansichten und jene ihres Sohnes
— namentlich in religiösen Dingen — anseinandergingen. Wohl hatte sie die Genugthuung,
manch edles Saatkorn, das sie einst ausgestreut, noch reifen zu sehen, allein sie fühlte doch,
wie die Welt ringsum allmälig eine andere wurde. Früher heiter und gesellig, zog sie
sich jetzt gänzlich von Vergnügungen zurück; stundenlang verweilte sie im Oratorium
des Stefansdomes oder in der Kapuzinergruft am Sarge ihres Gemals im Gebete.
Zunehmende Beleibtheit erschwerte ihr die Bewegung im Freien. Von den Blattern, die
sie 1767 befallen hatten, abgesehen, war Maria Theresia selten krank gewesen; aber darüber
konnte sich Niemand täuschen, daß sie weit über ihre Jahre gealtert war. Am 15. Oktober
1780 machte sie ihr Testament, aber erst am 20. November nahm die Erkrankung, die
sie bald darnach befallen hatte, eine ernstere Gestalt an. Am 25. empfing sie das Altar-
sacrament, am 28. nahm sie ergreifenden Abschied von ihren Kindern, am 29. November
war sie eine Leiche.
Auf die Nachricht von ihrem Tode schrieb Friedrich II. von Preußen: „Der Tod der
Kaiserin hat mich geschmerzt; sie hat ihrem Thron und ihrem Geschlecht Ehre gemacht;
ich habe sie bekriegt, bin aber nie ihr Feind gewesen." Klopstock aber, der große deutsche
Dichter des„Messias", besang ihrenTod mit den Worten: „Schlaf' sanft, Du größte Deines
Stammes, weil Du die menschlichste warst! Die wärest Du und das gräbt die ernste
Geschichte, die Todtenrichterin, in ihren Felsen. Dein Sohn mag forschen, strebend, ringend,
dürstend, weinend vor Ehrbegier, ob er Dich erreichen könne? Friedrich mag sein graues
Haupt hinsenken in die Zukunft: ob von ihm Erreichung melden werde die Felseninschrift
der Todtenrichterin?"