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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXI (1976 / Heft 148 und 149)

us Eggert 
lS Neue Hofburgtheater 
s Werk 
ittfried Sempers 
Jahre Wiener Burgtheater 1776-7976 
önnen im folgenden nicht alle Detoilkriterien 
eführt werden, welche stilkritische Argumente 
eine fast gänzliche schöpferische Urheber- 
ift Gottfried Sempers am Neuen Burgthea- 
liefern. Vielmehr soll die Stellung des Thea- 
als eines Ganzen und in seinen Hauptteilen 
trhalb von Sempers Theaterwerk gezeigt 
:len, vornehmlich was den Außenbau an- 
I. 
innersten Wesen von Semper und seiner 
che, welche der Verfasser Kontinuismus 
it - statt „Historismus", gemäß ihrer Grund- 
lussetzung, zeitlicher und räumlicher Konti- 
ät, in schöpferischer, zugleich bewußter Ima- 
ition erschaffen - liegt es, daß das Ende 
CEuvre mit dem Anfang verbunden ist; das 
e ist gesteigerte Restitution der Anfänge. 
Burgtheater steht ziemlich am Ende des 
rre von Semper. Eine Analogie zum Anfang 
' bereits darin, daß schon Sempers erstes 
ster, das erste Dresdener Hoftheater, Teil 
s monumentalen Forums aus Monarchenre- 
nz und Museum sein sollte, wie das Burg- 
iter ebenfalls am Anfang der Planung. 
Hauptfront des ersten Dresdener Theaters 
d nach Max G. Mütterlein 1837 fest'. Die 
iührung erfolgte 1838-1841". Der Bau ist in 
m und Fläche zur Mitte hin gestaffelt, wie 
gebaute Burgtheater ebenfalls; allerdings 
t die Verselbständigung des Bühnenhauses 
enüber dem Auditorium wie beim Burgthea- 
u. a. durch Erhöhung und Verschmälerung 
Bühnenhauses bewirkt. Bei der Staffelung 
Mitte am ersten Dresdener Semper-Theater 
hdringen sich die Richtungen der Bauteile 
arm eines imaginären Achsenkreuzes. Das 
itorium tritt halbzylindrisch vor; ein niedri- 
ir Ring, im Houptgeschoß das Foyer enthal- 
, ist ihm vorgelegt. Der Kern, Auditorium 
Bühnenhaus enthaltend, ist von Anbauten 
Interfahrten, Vestibüle und Treppen flankiert. 
Ganze weist innerhalb Sempers Theater- 
: relativ die meiste Geschlossenheit auf; 
e darf aber nicht mit Kompaktheit verwech- 
werden, mit der seit dem Aufklärungsratio- 
:mus Unifizierung als Surrogat für Einheit 
erlich verstandesmäßig produziert wurde. 
he Unifizierung findet sich, auch als Pro- 
ion eines „Ganzen", als Summe nahezu oder 
:tändig identischer, unselbständiger Partikel, 
in Summe als Surrogat für das Inbegriff- 
: als Einheit aufgefaßt wird, beispielsweise 
len dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts 
rfach im europäischen Theaterbau, wobei 
rfach eine äußerliche Ähnlichkeit zu Dres- 
l besteht, insofern halbzylindrische Audito- 
vorkamen. Das war schon vorher in Jac- 
i Durands Architekturlehrbuch der Fall ge- 
an, worauf schon Martin Fröhlich hinwies". 
walbzylindrisclwes Auditorium hat dann Pietro 
giorgi in seinem bekannten Theaterproiekt 
18215 Hier tritt auch im Aufriß schon das 
tsseumssystem auf wie bei Dresden l; aber 
:cherweise besteht bei Sangiorgi das ge- 
wte Äußere des Theaters völlig einseitig 
den Kolossumsachsen in monotoner Reihung, 
t fehlt die Hähenstaffelung des Dresdener 
iters; Unifizierung durch Summierung identi- 
r Partikel statt Einheit aus Komposition selb- 
diger Teile, die sich wechselseitig zu einer 
Klimax im Zentrum steigern, wie es bei Semper 
allgemeines Prinzip ist, und Unifizierung durch 
Kompaktheit statt Sempers Gegliedertheit. 
Auch Georg Mollers Mainzer Theater von 1833 
oder das kgl. Theater in Antwerpen von P. B. 
Bourla (1834) besitzen halbzylindrische Audito- 
rien. 
Sempers erstes Dresdener Theater ist bei aller 
Geschlossenheit derartig groß rhythmisiert, ma- 
numental und organisch, daß er hier unter Über- 
springen des Frühkontinuismus dessen reife 
Phase, für den deutschen Sprachraum wenigstens, 
um etwa dreißig Jahre vorwegnahm. Die Ent- 
wicklung ging in seinem Guvre wie allgemein 
im Kontinuismus freilich weiter zu noch größerer 
Gegliedertheit, Einheit aus der Vielfalt, und zu 
organischeren Formen, konkret etwa zum orga- 
nischeren segmentbogigen Auditorium statt des 
stereometrisch „exakten" Halbzylinders bei Dres- 
den l und zu langen seitlichen Treppenflügeln, 
die noch weitgehender als selbständige Bauteile 
das Ganze gliedern als die kürzeren Treppen- 
anbauten bei Dresden I. Lange seitliche Treppen- 
flügel haben etwa Sempers Entwürfe für ein 
monumentales Richard-Wagner-Festtheater, 
München, vor dem 28. Mai 1866 vollendets so- 
wie das Burgtheater in einem Teil der Planung 
und in der Ausführung. 
1858 schuf Semper eine Entwurfsfolge für eine 
Konkurrenz zu einem kaiserlichen Theater in Rio 
de Janeiro; der Plan Sempers wurde nicht ausge- 
führtf. Gegenüber Dresden l besteht nun die 
Staffelungskomposition aus weniger Bauteilen 
(Stufen), und die Vertikale ist mehr betont, so- 
wohl an sich als auch durch die schluchtartigen 
Einschnitte zwischen dem turmartigen Zentral- 
komplex von Bühnenhaus und Zuschauerraum 
und den bei Frontalsicht flankierten Treppen- 
trokten. Beim Zentralkomplex ist erstmals das 
Bühnenhaus seinerseits noch verselbständigt, ist 
letzte Steigerung des Ganzen durch machtvolle 
Erhöhung. Dieser Zug bleibt von nun an bei 
Sempers weiteren Monumentaltheatern (Mün- 
chen, Wien, Dresden II). 
Die schluchtartigen Einschnitte sind auch Mittel 
für die angestrebte, gegenüber Dresden I grö- 
ßere Verselbständigung der Bauteile allgemein, 
also nicht nur der seitlichen Treppentrakte, son- 
dern auch des hemizyklischen Foyerringes, der 
sich wie in Dresden l vor den Zuschauerraum- 
Halbzylinder legt. Verselbständigt ist auch das 
Portal, das eine Exedra im Hauptgeschoß über 
sich hat. Beim Portal wird die Verselbständigung 
durch die Erhöhung unterstützt, durch welche es 
dahinter liegende Bauteile überschneidet. 
Bei perspektivischer Sicht von vorn gäbe es nach 
mehr Überschneidungen. Somit würde die sehr 
mächtige räumliche Staffelung des Proiektes für 
Rio in solcher Sicht durch die Überschneidung 
in der Wirkung gewaltig gesteigert. Dresden I 
hatte noch eine mehr auf die Flächendimension 
beschränkte Staffelung, gemäß seiner früheren 
Stilstufe. 
So weit die Verselbständigung der Bauteile geht, 
so weit geht auch ihre Einheit. Völlig im Ge- 
gensatz zu vorkontinuistischen Epochen, die Ein- 
heit nur aus dem relativ Analogen kennen, er- 
schafft der Kontinuismus aus Kontrasten, sogar 
vorzugsweise aus polaren. Diese Polaritätskon- 
zeption ist eine der eindeutig romantischen Vor- 
aussetzungen des Kontinuismus. In großzügig 
weit gedehnten Schichtungen verklammern die 
Erdgeschoßkolonnade und die doppelgeschos- 
sige des Foyerringes bei optischer Auffassung 
der Front die drei vertikalisierten Baukörper mit- 
einander. Und optisch ist die gesamte roman- 
tisch bedingte Kunst bestimmt, im Gegensatz zu 
der haptischen Substantialität vorkontinuistischer 
Epochen. 
Durch die schluchtartigen Einschnitte ZVt 
ihnen und dem Kernbau und durch die l 
Horizontalen der Kolannaden werden d 
Frontalsicht den Kernbau flankierenden 
pentrakte in die Weite verspannt. Dam 
zu der Konzentration (am Kernbau) nun I 
sion. Aus dem Kontrast von Konzentratic 
Distension entsteht die Einheit des Baug 
Extreme in ungeheuer dramatischer Wut 
Synthese bringend. Einheit aus den Ext 
von Distension und Konzentration ist v 
Anliegen größter Meister des Kontinuismi 
zeigt sich beim ausgeführten Segmentflüg 
Sempers Neuer Hofburg in Wien (mit räur 
Kurvierung) und etwa auch beim Heinr 
Wien (ehemals gegenüber der Oper, nac 
abgerissen), von Theophilos Edvard Freiht 
Hansen. In einer Untersuchung des Iel 
Baues ist der Verfasser ausführlich auf 
Phänomen eingegangenÄ Dem Streben, 1 
lungen zur Mitte (also Konzentration) Dist 
entgegenzusetzen, entsprechen bei den l 
ten für das monumentale Münchner Theatt 
bei einigen Projekten und der Ausführur 
Burgtheaters die langen seitlichen Trep; 
gel. 
Gegenüber Dresden I ist die Fläche zug 
einer durchbrochenen Gerüststruktur weit 
miniert. Diese Struktur des Projektes für 
wichtiges Ausdrucksmittel für Sempers zun 
bol ihrer selbst transzendierte Tektonik 
Symbol ist einer der Hauptbegriffe OL 
seiner Kunstphilasophies. Bemerkenswert is 
die schlank aufsteigende Großformatigke 
Proiekts für Rio. 
Das Exedramotiv ist ein uraltes Ausdruck 
für Hoheit". Eine Exedra ist ein zu einen 
bau verselbständigter betretbarer größer 
schenraum, häufig über einem Portal ur 
Raum vor sich, wie das auch bei Semper 
nen für Rio der Fall ist. Die Hoheit ist bei 
per und überhaupt im Kontinuismus symi 
aufzufassen, auch wenn in Rio vielleicht 
empirischen materiellen Realität der Kai 
der Exedra repräsentiert hätte. Im Kontini 
dient nicht die Kunst dem „Leben", sonder 
gekehrt das „Leben" der Kunst. Semper I'll 
nun an die Exedra mehrfach verwende 
wurde ein charakteristisches Hauptmotiv i 
nem CEuvre. Sie findet sich bei den Entv 
für das monumentale Münchner Theate 
Burgtheaterproiekten, beim zweiten Dres 
Hoftheater und an der Neuen Wiener Hofl: 
Das Theoterproiekt für Rio steigert Monur 
lität ins übermenschlich Grandiose, und zw 
gar bei vollkommener, in sich selbst ruh 
und sich genießender Harmonie. ln diese 
sicht wurde es in der Architekturgeschicht 
speziell in der Geschichte des Theaterbaur 
gends übertroffen. 
Bei den verschiedenen Proiekten zu einen 
nen-Weihe-Festspieltheater zur Aufführun 
Werke Richard Wagners für München, w 
wähnt, vor dem 28. Mai 1866 vollendet' 
Semper den Typus des ausgeführten Burg 
ters erschaffen. Entscheidend gegenüber de 
her besprochenen Semper-Theatern sind di 
gen Festtreppenflügel, den Kernbau flankii 
Sie setzten der Konzentration zum Zentrui 
Baues Distension entgegen, wie analog dir 
gen Kolonnadenhorizontalen der Pläne fü 
Die Einheit aus der Konzentration und E 
sion wird gegenüber Rio aber nicht mit scl' 
artiger Aufgliederung und mit weniger V: 
lisierung geschaffen. Dafür ist die Horiz 
dehnung, ein Ausgreifen in die Unendli 
symbolisierend, generell mehr ausgepräg 
räumliche Staffelung ist auch geringer a 
dem Ria-Proiekt. Alle aufgewiesenen Kri
	        
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