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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXI (1976 / Heft 148 und 149)

Hunderte von Porzellanfiguren tragen den Wie- 
ner Bindenschild, ohne Erzeugnisse der Wiener 
Porzellanmanufaktur zu sein: Zwergfiguren, 
Soldaten, Niobiden und Bacchanten, Wäscher- 
mödel und Fiaker, Kaufrufe, Krinalinenfiguren, 
Schüferinnen und Schäfer, Harlekine und Kolom- 
binen, Putten und Amaretten, Bettler und tan- 
zende Bauern. Tausende von Tellern, Vasen, Ge- 
fäßen sind mit einem nicht authentischen blauen 
Bindenschild gemarkt. Mythologische und alle- 
gorische Darstellungen, Ornamente des Rokoko 
und Klassizismus, „Watteau-Bilder", Umdruck, 
Abziehbild und Fotografie schmücken die Wan- 
dungen dieser Porzellane. 
Wie erkennt man, doß der Bindenschild dieser 
Porzellane gefälscht ist? Wie erkennt man spä- 
tere Fölschungen, Ubermalungen, das Entfernen 
der ursprünglichen Marke, die Hinzufügung des 
blauen Bindenschilds? Viele dieser Probleme 
wurden in früheren Aufsötzen' bereits ange- 
schnitten. lm vorliegenden Beitrag seien einige 
signifikante figurale Beispiele herausgegriffen, 
die aus der oben genannten Ausstellung stam- 
men. 
Von hervorragender Modellierung ist eine Serie 
von kleinen Zwergenfiguren (8,3 bis 8,9 cm hoch), 
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die in der Charakterisierung der Gesichter, der 
Modellierung der verwachsenen Körper, der 
Stofflichkeit des Kostüms kleine Kostbarkeiten 
der figuralen Porzellankunst darstellen (Abb. 1, 
5-9). Vermutlich erst zu Beginn des 20. Jahrhun- 
derts entstanden, scheint es rätselhaft, warum so 
qualitötvolle Porzellane mit dem gefälschten 
Wiener Bindenschild versehen wurden, vor allem 
wenn man bedenkt, daß diese Zwerge mit den 
sogenannten „Callot-Figuren" der alten Wiener 
Porzellanmanufaktur nichts gemeinsam haben. 
Die „Callot-Figuren" aus Wiener Porzellan (Abb. 
2) entstanden in den Jahren 1744-1750 (die 
meisten tragen den eingepreßten, einige bereits i 
den unterglasurblauen Bindenschild und sind da- 
her relativ genau zu datieren) und gehen auf 
Stichserien zurück, die nur mehr sehr bedingt 
mit dem Werk Jacques Callots in Zusammen- 
hang zu bringen sind - auch wenn eine dieser 
Stichfolgen „ll Callotto resuscitato" benannt 
wurde. 
Trugen diese echten Wiener Porzellane die Be- 
zeichnung „Callot-Figuren", ohne tatsächlich sol- 
che zu sein, so sind die erwähnten Fälschungen 
(Abb. 1, 5-9) Modelle, die teilweise wirklich auf 
Waltraud Neuwirth 
Wiener Porzellan - 
echt oder gefälscht? 
Aus der Ausstellung des 
Osterreichischen Museums für 
angewandte Kunst 
Im Österreichischen Museum für angewandte 
Kunst findet vom 18. November 7976 bis 31. März 
1977 die Ausstellung ,. Wiener Porzellan - 
echt oder gefälscht?" statt. Sie zeigt rund 300 
Exponate, die zum Großteil aus Privatbesitz stammen 
und die nach ihrer Präsentation in Wien auch 
in den Bundesländern gezeigt werden sollen. 
Stichen Callots beruhen: die „Varie Figure 
Gobbi" vom Beginn des 17. Jahrhunderts dienten 
diesen Kopien offensichtlich als Vorlage. Noch 
ist die Manufaktur, die diese Porzellane erzeugte, 
unbekannt, doch existiert ein alter Katalog der 
Firma Thierne in Potschappel, in dem einige die- 
ser Zwergenfiguren, wenn auch bemalt und in 
seitenverkehrter Ansicht, abgebildet sind. Das 
Porzellan der Fälschungen, obwohl ausgezeich- 
net modelliert, ist in Masse und Glasur fehler- 
haft. Dies fällt um so mehr auf, als die Figuren 
zwar weiß glasiert, aber nicht bemalt sind und 
die braunen Glasurfehler daher durch keine Ma- 
lerei verdeckt wurden. 
Woran sind diese Figuren nun als Fälschungen 
erkennbar? Erstens wurden diese Modelle in der 
Wiener Porzellanmanufaktur nie ausgetormt. 
Zweitens tragen sie keinen Bossiererbuchstaben, 
wie die meisten der echten Wiener Figuren, und 
drittens - der deutlichste Beweis einer Fälschung 
- weisen alle die Ritznummer 1774 auf (Abb. 7). 
Diese Nummer ist bei echten Porzellanfiguren 
des 18. Jahrhunderts aus der Wiener Manufaktur 
absolut undenkbar. 
lm Gegensatz zu den eben erwähnten Zwergen-
	        
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