1
24
Rathaus der Hansestadt Bremen. Güldenkam-
mer, ausgeführt 1905 nach Entwürfen von Hein-
rich Vogeler. Sicht auf den mit reichem Gitter
dekorierten Kamin
Heinrich Vogeler, Kapitell. Entwurf für die Gül-
denkammer, unbezeichnet. Bleistift auf Calquen-
Rlapier, 239x265 mm. Kunsthalle Bremen, lnv.-
r. 061494
Heinrich Vogeler, Phantastischer Vogel. Entwurf
für die Güldenkammer, unbezeichnet. Tusch-
zeichnung, 238x185 mm. Kunsthalle Bremen,
lnv.-N r. l906I485
seltener ist ein ackerähnlicher Zwischenton. Diese
Farbgestaltung ist durchgehend beibehalten war-
den und ergibt eine reizvolle Kontrastwirkung
der Einzelteile. Neben den Detailvorzeichnun-
gen bewahrt die Kunsthalle Bremen ebenfalls
Entwürfe für die Gestaltung der vier Wände auf.
Diese waren als direkte Vorlagen für die Aus-
führung bestimmt und enthalten zum Teil An-
weisungen Vagelers für die Handwerker.
Die einzelnen Zeichnungen sind sowohl in der
Qualität als auch im Entwurfsstadium unter-
schiedlich. So war für die Kaminumrandung der
linken Seite zunächst ein einfaches Blumenmuster
vorgesehen, das später durch das hervorragende
Vogelornament ersetzt wurde. Über der Tür war
ein Segelschiff in farbiger Seidenapplikation var-
gesehen mit seitlichen Delphinen als Valuten-
figuren. Der Kamin der rechten Seite war ur-
sprünglich mit einem protzigen Marmoraufsatz
geplant, für dessen Ornamentierung auch stili-
sierte Köpfe verwendet werden sollten, die bei
der Ausführung ebenfalls weggefallen sind. Der
vorgesehene Kaminaufsatz erinnert in seiner Or-
namentform an das Knorpelwerk, das entvvick-
lungsgeschichtlich eine ähnliche Bedeutung hatte,
wie die Pflanzenornamentik des Jugendstils.
Die Ausführung wurde in vielen Teilen verein-
facht und den technischen Erfordernissen der
handwerklichen Arbeit angepoßt. Der repräsen-
tative Kaminaufsatz ist weggefallen. Dadurch
kommt die durchgehende rot-goldene Lederta-
pete besser zur Wirkung. Das Segelschiff über
der Eingangstür ist dem von zwei Löwen gehal-
tenen Bremer Wappen gewichen. Die in den
Entwurfszeichnungen leuchtende Farbskala wurde
gemildert und auf Gold, Braun und Rot abge-
stimmt. Hinzu kommt der in sensibler Rot-Grau-
Grün-Nuancierung wirkungsvolle Teppich. Dunk-
lere Holztöne sind relativ selten und geben Ak-
zente im Rahmen der Gesamtgliederung. Auch
die Stühle sind in der Ausführung organischer
gerundet als in den Entwurfszeichnungen.
Der Raum ist relativ niedrig. Eine Holzdecke
trennt ihn von dem darüberliegenden zweiten
Versammlungsraum. Den oberen Teil der Wand
bekleidet die reichgeschmückte Ledertapete. Die
niedrig gehaltene Täfelung der unteren Wand-
teile lößt den Raum höher erscheinen, als er in
Wirklichkeit ist. Ihr helles Holz wird durch die
zarten lntarsien differenziert und erhält nur an
den Türen stärkere Akzente durch dunklere Ein-
lagen. Obgleich die Wandgliederung sowenig
wie möglich plastisch hervortritt, zeigt der Ent-
wurf noch stärkere Flöchigkeit und läßt die archi-
tektonische Funktion der Wand noch mehr zv-
rücktreten. Die beiden Kamine (nur einer ist
wirklich als Kamin ausgebildet, währen-d der in
der Nähe der Eingangstür gelegene zweite in
Wirklichkeit einen Zentralheizungskörper ent-
hält) sind durch Marmorumkleidungen hervorge-
hoben, die reich mit Vogelornamenten verziert
4 Heinrich Vo eler Phaniasfischer Vogel. Enfwurf
für die Gü deniwmmer, unbezeichnet. Tusche
und Aqucnima, 238 x 185 mm. Kunsthalle Bremen,
lnv.-Nr. 19061481
5 Heinrich Vageler, Einer von den beiden reicher
dekorierten Stühlen an der Schmalseite des Rafs-
iisches in der Güldenkammer
6 Raihaus der Hansestadt Bremen, Güldenkam-
mer mit Sicht auf den offenen einfachen Kamin