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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXII (1977 / Heft 150)

luchdruckerei Knorr G Hirth wurde 1875 ge- 
aam von Hirth und seinem Schwager ge- 
let. Nun konnte er seine großen Heraus- 
'- und Verlagswerke aus Kunst und Kunst- 
werk im eigenen „Georg Hirth's Kunstver- 
erscheinen lassen. Diese Tatsache ermög- 
es ihm aber auch, eines seiner Hauptan- 
1 zu verwirklichen: die Buchreform. In bi- 
hiler Aufmachung wurden prächtige Kunst- 
e publiziert. Die Illustrationen entsprachen 
ür die damalige Zeit modernsten Erkennt- 
1 der Reproduktionstechnik. Nicht nur die 
'e Aufmachung des Buchs hatte künstleri- 
Anforderungen zu genügen, es wurde auch 
apier, Ausstattung, Satz und Druck geach- 
irth bot diese Kunstbände relativ billig an. 
tverstieß er zwar gegen die Praktiken ge- 
tlicher Interessen, aber es gelang ihm der 
aß zu einem großen Rezipientenkreis. Sein 
2 wurde oft genannt. Öffentliche Anerken- 
falgte. Man wird unterstellen dürfen, daß 
ganz bewußt auf dem Gebiet der Kultur- 
ttätig wurde. 
men erstarrte, hatte sich Hirth längst von dieser 
Bewegung gelöst. Er trat aus dem Vorstand des 
Kunstgewerbevereins aus und wetterte dagegen, 
daß sich die „offizielle Kunst" beharrlich wei- 
gerte, Anregungen aus Westeuropa und Japan 
zur Kenntnis zu nehmen. 
Als sich 1892 in München die Verfechter der 
„Sezession" durchsetzten, war Hirth einer der 
rührigsten Mitbegründer. Er sah hier weniger 
den Sammelpunkt moderner und revolutionärer 
ldeen, er wollte eher jungen Leuten ermöglichen, 
sich frei, individuell und fortschrittlich entwickeln 
und entfalten zu können. Un-d deshalb wurden 
er und sein Haus zum Zentrum künstlerischen 
und gesellschaftlichen Lebens. 
ln diese Phase fallen die ersten wesentlichen 
Überlegungen bezüglich der Publikation einer 
Zeitschrift. Tageszeitungen und Buchkunst hatte 
er schon nachdrücklich beeinflußt, niun bedurfte 
es noch einer Zeitung, die nach den Richtlinien 
dekorativer lllustrationsgraphik gedruckt wurde. 
Man macht es sich aber zu leicht, wenn man be- 
hauptet, die „Jugend" habe in der Luft gelegen, 
ihm genügend finanziellen Rückhalt. Aber auch 
die „Jugend" kam nach mühsamen und langen 
Jahren des Anlaufs aus den roten Zahlen heraus. 
Das alles veranlaßte Hirth, den eingefleischten 
Journalisten, iedoch keineswegs aufzuhören, sel- 
ber aggressive Leitartikel und Reportagen zu 
schreiben. Besonders engagiert trat er für die 
Pressefreiheit ein und attackierte alle Versuche, 
künstlerische Aussagen zu unterlaufen. Hirths 
einseitige Vorliebe für Bismarck und dessen 
Deutsches Reich war erkaltet. ln der „Jugend" 
agierte er deshalb auch wieder politisch anhand 
etlicher scharfer Artikel. Nach Bismarck war viel 
ins Stocken geraten; Hirths iugendlicher Idealis- 
mus war verflogen. Zwar noch unitarisch im Her- 
zen, war er doch recht eigentlich Bayer gewor- 
den. Die Reichsregierung wurde von ihm nicht 
gelobt. Die preußische Göngelung des bayri- 
schen Königreichs war allzu spürbar. Ludwig ll. 
hatte dem Prinzregenten Luitpold Platz machen 
müssen: und Hirth stand der Politik in München 
durchaus kritisch gegenüber. Sein Zorn und seine 
ständigen Angriffe aber galten Kaiser Wil- 
l". 
28 
JUGEND 
1896 
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. A] f Illlllllllflfißgäßlßä;  
 
liederbelebung der deutschen Renaissance 
r jedenfalls das, was man in ienen Jahren 
ter verstand - war Slogan und Motto zu- 
. Dem verschloß sich auch Hirth nicht. Im 
1teil, er wurde zum unermüdlichen Verfech- 
wes Geschmacks, der sich über viele Jahre 
'I Wohnungen „kunstliebender" Deutscher 
eren sollte. Unter diesem Aspekt muß auch 
erste wesentliche Publikation gesehen wer- 
„Der Formenschatz" erschien in Monats- 
I ganze dreißig Jahre lang. Die Wohnkul- 
) würde man es heute wohl nennen, stand 
ttelpunkt. In diesem Sinn folgten u. a. „Das 
Lhe Zimmer der Gotik und Renaissance", 
schöne Mensch in der Kunst aller Zeiten" 
das „Kulturgeschichtliche Bilderbuch aus 
ahrhunderten". 
taus an Münchens Propyläen richtete Hirth 
ich im Renaissancestil ein. Da gab es das 
utsche Zimmer", vielgeliebt, überall nach- 
1t, oft kritisiert. Hirths eingleisige Vorliebe 
Jektische und bombastisch überladene In- 
chitektur dürfte auch der Grund dafür sein, 
reine ästhetischen und kunsttheoretischen 
'en nie so recht Anklang finden konnten 
eute belächelt werden. Aber immerhin hatte 
h Hirth zur Aufgabe gemacht, das allge- 
Stilpotpaurri zu beseitigen" und damit 
Weg zu ermöglichen für eine eigenständi- 
nstrichtung. Als der Neoklossizismus in sei- 
wochentrockenen und unkünstlerischen For- 
die Zeit sei sozusagen dafür reif gewesen. Hirth 
hatte sehr wohl auch persönliche Gründe, denn 
- anders als in der täglich erscheinenden Zei- 
tung - konnte er nur in einem magazinähnlichen 
Blatt seine eigenen Ansichten vehement und ziel- 
führend vertreten. Individuell wollte er seine 
Kunstauffassungen einem breiten Leserpublikum 
weitergeben. Dabei ließ er auch dem Stilmittel 
der Satire genügend Raum, denn damit, so 
glaubte er, könne er seinen Gegnern gewachsen 
bzw. überlegen sein. 
Hirths eigenständige Persönlichkeit und sein häu- 
fig pluralistisches Verhalten lassen sich ohne 
Mühe in seiner „Jugend" wiederfinden. Linda 
Koreska-Hartmann spricht in diesem Zusammen- 
hang sehr treffend von Hirths unerschütterlichem 
Optimismus und seinem etwas naiven Fortschritts- 
glauben, von seiner Vielseitigkeit, seinem empha- 
tischen Idealismus und iugendlichem Über- 
schwang - „trotz seines damals bereits vorge- 
schrittenen Alters". Und Eugen Rath schrieb: 
„Georg Hirth war ein alter Feuerkopf, ein ge- 
borener Herausgeber. ,Die Saat des Guten', rief 
er begeistert, ,müssen wir überall streuen und 
pflegen, das Schlechte aber niedertreten mit 
ElefantenfüßenV Nur wußten seine Redakteure 
manchmal nicht, ob sie säen oder niedertrampeln 
sollten, denn er war sehr rasch in seinen Zu- und 
Abneigungen . . K's. 
Die entscheidende und zugleich auch größte Zei- 
tung Münchens war in Hirths Besitz. Das sicherte 
helm ll., dessen Taktlosigkeiten, politische Un- 
fähigkeit, Großmannssucht, Geschmacklasigkeit 
und „PersönlichkeiW ihn abstießen. Besonders 
iedoch wütete Hirth publizistisch gegen den in- 
toleranten süddeutschen Klerikalismus und das 
reaktionäre norddeutsche Junkertum. Die bayri- 
sche ultramontane Bewegung und die einfluß- 
reichen konservativen Parteien wurden zu erbit- 
terten Feinden Hirths und nannten ihn einen 
Atheisten, philosophischen Nihilisten oder gar 
Antichristen. 
Der erfolgreiche Autor und engagierte Journa- 
list, der Besitzer eines wirtschaftlich stabilen Ver- 
lags, der eintlußreichsten Münchner Tageszei- 
tung und einer weithin Widerhall findenden 
Kunstzeitschrift, die eine eigenwillige Mischung 
darstellte aus Artikeln eines Magazins, Illustra- 
tionen und Reportagen einer Illustrierten und 
dem Niveau eines Kunstblattes, verlagerte sein 
Hauptinteresse während seiner letzten Lebens- 
iahre auf das naturwissenschaftliche Gebiet. 
Hirth wollte „die physiologischen Grundlagen 
künstlerischen Sehen!" ergründen. Seine diesbe- 
züglichen Bemühungen waren relativ populär, 
fanden aber wissenschaftlich keinen nennens- 
werten Anklang. Das Tanzen auf vielen Hoch- 
zeiten, Sprunghaftigkeit und Vielseitigkeit seiner 
Aktivitäten beurteilte er selber; „Eine gewisse 
Volubilität des Geistes hat mich verhindert, 
meine literarische Tätigkeit auf ein Gebiet fest- 
zulegen. Als Entschuldigung mag mir die leben- 
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