dige Teilnahme an den gewaltigen Ereignissen
der sechziger und siebziger Jahre und an den
reichen Kulturaufgaben Deutschlands dienen".
Als Hirth am 28. März 1916 starb, hatte er mehr
als vierzig Jahre in München das literarische und
publizistische, das künstlerische und politische
Leben mitbestimmt. „lm persönlichen Verkehr
war Georg Hirth ein ungemein liebenswürdiger
Mann, dem gegenüber man die politische Geg-
nerschaft gern vergaß. Er war die Güte selber",
rühmte das „Bayrische Vaterland", ein klerikales
und reichsfeindliches Blatt, das von einem politi-
schen Feind Hirths, von Dr. Sigel, geleitet wurde.
Ludwig Thoma, selber Mitarbeiter bei der
„Jugend" und Freund Hirths, schrieb; „Als ich
ihn damals an seinem geliebten Tegernsee ken-
nenlernte, war er nicht mehr der kampflustige
Streiter von ehedem, wenngleich sein Gemüt
immer noch gegen Dummheit und Unterdrückung
aufflammen konnte, aber er war abgeklärt, voll
verstehender Güte und gerecht gegen Wider-
sacher und gegnerische Meinungen. Auch im
Äußeren eine fesselnde Erscheinung, mit dem
energisch geformten Gesichte unter weißen Haa-
ren, mit den ausdrucksvollen Augen, gewann er
einen sogleich mit seinem milden Urteile über
Menschen und Dinge und mit seiner lebhaften
Anteilnahme an allen die Zeit bewegenden Fra-
gen... ln dem temperamentvollen, sich immer
mit seiner ganzen Persönlichkeit einsetzenden
Georg Hirth war ein gutes Stück deutscher Ver-
gangenheit und Münchner Entwicklung verkör-
pert".
Kunstzeitschritt oder illustriertes Mossenblatt
Die „Münchner illustrierte Wochenschrift für
Kunst und Leben", genannt „Jugend", erschien
erstmals am 1. Jönner 1896 - und zwar gleich
als Doppelnummer. Georg Hirth's Kunstverlag
in München und Leipzig gab sie heraus. Kaum
iemand räumte ihr große Überlebenschancen
ein, obgleich - oder gerade weil - sie viel Staub
aufwirbelte: „Die Erwägung, daß unter den zahl-
reichen in Deutschland erscheinenden illustrier-
ten Wochenschriften sich keine einzige befindet,
welche den Ideen und Bestrebungen unseres sich
immer reicher gestaltenden öffentlichen Lebens
in künstlerisch durchaus freier Weise gerecht
wird, hat uns zu dem Versuche ermuthigt, diese
offenbare Lücke unserer Zeitschriftenliteratur
auszufüllenm", schrieben Hirth und sein Redak-
teur Fritz v. Ostini im einleitenden Artikel. „Wir
wollen die neue Wochenschrift ,Jugend' nennen:
damit ist eigentlich schon alles gesagt"".
Man dachte also nicht nur an junge Menschen,
man wollte alle ansprechen. Und das machte
man recht geschickt, denn es wurde „an das
Herz, auch der in der Herbstsonne alter Jahr-
gönge Gereiften", appelliert. Dem vermochten
sich viele nicht zu entziehen, war man doch so
glücklich, „von sich zu sagen: ,Altes Herz, was
glühest du sollz". Und schneidig heißt es weiter:
„Ein ,Programm' im spießbürgerlichen Sinne des
Wortes haben wir nicht. Wir wollen Alles be-
sprechen und illustrieren, was interessant ist,
was die Geister bewegt; wir wollen Alles brin-
gen, was schön, gut, charakteristisch, flott und
- echt künstlerisch ist"".
Um das Phänomen „Jugend" besser erfassen zu
können, ist es wichtig, Hirths Vorrede ungekürzt
in Erinnerung zu rufen, denn um seine Zeitschrift
lebensfähig zu machen, zog er bereits vor acht-
zig Jahren bemerkenswerte Register der Rheto-
rik und Demagogie, des Journalismus und ziel-
führender Reklame.
„Kein Gebiet des öffentlichen Lebens soll ausge-
schlossen, aber auch keines in den Vordergrund
gestellt werden: hohe, höhere und höchste Kunst,
Ornament, Dekoration, Mode, Sport, Politik, Mu-
sik und Literatur sollen heute ernst, morgen hu-
moristisch oder satirisch vorgetragen werden,
wie es die Situation und der Stoff gerade er-
heischen. Hiezu sollen alle graphischen Künste,
soll der ,stilvalle Strich', die ernste Skizze, die
Caricatur, die Photographie mobil gemacht wer-
den. Und - ,wo gute Reden sie begleiten', d. h.
umschwörmt von einem beweglichen Texte, da
wird auch die Mitarbeit unserer frischmuthigen
Illustratoren, der alten wie der jungen, munter
fortfliessen.
Keine Form literarischer Mitarbeit soll ausge-
schlossen sein, wenn sie sich nur mit der Devise
verträgt: ,Kurz und gut'. Jedes Genre - das Lang-
weilige ausgenommen - ist gastlich willkommen
geheißen: Lyrisches, Epigrammatisches, Novelli-
stisches, Satirisches, Reim und Prosa.
Und wer nur ein warmes Herz für diesen Gedan-
ken hat, wer dazu beitragen will und die Kraft
dazu in sich fühlt, mit uns zusammen ein lusti-
ges Blatt an der Wende des Jahrhunderts zu
schaffen, das uns den Uebergang in das Neue zu
einem Vergnügen machen und die Bürde der
Jahre erleichtern soll, der ist ebenso höflich, als
herzlich eingeladen, sich frohen Muthes an dem
Leben und Werden der JUGEND zu betheiligen
und, was er etwa an Zündstoff auf Lager hat,
unserm Laboratorium baldigst anzuvertrauen.
Dank unserer Programmlasigkeit - einem ,Pro-
gramm', das wir strikte aufrecht erhalten wollen
- ist das Feld unserer Thätigkeit ein so unbe-
grenzt weites, dass eigentlich ieder denkende
und herzensfrohe Mensch irgend etwas für die
,JUGEND' in petto haben müßte.
Er braucht durchaus kein zünftiger Literat zu
sein! Und ieder Künstler, der wirklich einer ist,
hat bestimmt auch etwas für unser Blatt, oder
kann was für uns machen. Je frischer und freier
eine Arbeit ist, ie getreuer und unmittelbarer das
Wesen des Künstlers in ihr sich spiegelt,
willkommener wird sie uns sein! Also! V:
mit frischem Muth. ,JUGEND' sei's Paniei
Ungefähr wird die vorliegende l. Doppeln
unserer Zeitschrift ia zeigen, was wir W(
freilich eben nur ungefähr! Denn wir t
uns noch im Laufe der Zeit mit gar Vieli
schöftigen, was hier gar nicht angedeutet
Vielem, was der Tag erst bringen wird, w
Leben erst noch reift"?
Bei ihrem Start lagen der „Jugend" bereit
reiche literarische Beiträge vor, so z.
Conrad Alberti, Hermann Allmers, Ferd.
M. G. Conrad, Georg Ebers, Franz Ever:
Franzos, Ludwig Fulda, Max Halbe, Otti
Hartleben, Paul Heyse, Wilh. Raobe, P.
egger und Arthur Schnitzler. Künstleriscl
träge für den Bilderschmuck der ersten Nu
gab es in erstaunlichem Umfang, u. a. vor
Albrecht, A. Böcklin, L. Corinth, Julius
O. Eckmann, Fritz Erler, Hans Fechner, H.
bermann, Fidus, Jossot, F. A. v. Kaulbac
Klinger, F. v. Lenbach, Max Lieberma
Marcks, H. Schlitt, Arpad Schmidhamme
Slevogt, Franz Stuck, Hans Thoma, W. T
F. v. Uhde und Valloton. Auch an musikc
Beiträgen fehlte es von Anfang an nich
R. Strauss).
Die „Jugend" erschien allwöchentlich einn
stellungen wurden von allen Buch- und
handlungen sowie von allen Postämterr
zeitungs-Katalog Nr. 391a) und „Zeitung
ditionen" entgegengenommen. Der Prs
Quartals (13 Nummern) betrug 3 Mark, I
einzelnen Nummer 30 Pfennig. Der Pr
Inserate war 1 Mark für die „vierges
Colonelzeile".
Die „Jugend" hatte die Absicht, ihren kii
Lesern und Abonnenten „künstlerische A:
7 Bernhard Pankok, Vignette zu „Der Baum des
Lebens" von Johannes Jörgensen. „Jugend",
Nr. 43, 1896, S. 687
8, 9, J. R. Witzel, „Hero und Leander". „Jugend",
Nr. 25, 1897, Dappelseite 4121413
Anmerkun en 7-14
'gN.wZi1s, erstiges und künstlerisches München,
. 7.
'Franz Carl Endres, Georg Hirth, ein deutscher
München 1971, S. 88
r Ludwig Thoma, Erinnerungen, München m1, s. n.
"I bis i- Jugend Nr. 1 und 2, s. 2.