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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXII (1977 / Heft 150)

Für den Kunstsammler 
Johannes Neuhardt 
„KÖstlich altes WachsgebiId" 
Das Dammuseum zu Salzburg veranstaltet vom 15, Mai bis 
15. Oktober 1977 eine Sanderschuu zum Thema „Köstlich 
altes Wachsgebild". Damit wird ein selten gezeigter Zweig 
des Kunstgewerbes dargestellt, der zu Unrecht heute wenig 
Beachtung findet. Die Absicht der Ausstellungsleitungl ist es, 
aus dem breiten Spektrum historisch bezeugter erweri- 
dungsmagliclikeiten des Wachses iene herauszugreiferi, die 
im süddeutsch-österreichischen Raum in der Neuzeit besan- 
ders verbreitet waren'. 
Kaum ein Rohstoff, der Künstlern zur Verwirklichung 
ihrer Ideen dient, ist so vergänglich wie das 
Wachs. Hat der rohe Steinblock oder der behauene 
Holzstamm eine endgültige Form gefunden und 
blieb damit einer neuerlichen Verwendung 
entzogen, so kann man aus einem Klumpen Wachs 
unendlich viele Entwürfe modellieren. Dazu kommt, 
daß das Wachs früher einen viel höheren Preis 
hatte als heute. Kostete um 1600 ein Pfund Fleisch 
4 kr, so mußte man für dasselbe Gewicht in Wachs 
das Zehnfache bezahlen. 
Was die Technik der Wachsverarbeitung betrifft, 
so sind zunächst die kommerziellen Zunftbetriebe 
der Wachszieher zu nennen. In den meisten 
Städten waren sie mit den Lebzeltern in einem 
Gewerbe beisammen. Sowohl im Alltagsleben wie 
im kultischen Bereich war der Bedarf an Wachs 
enorm. Unter den Beleuchtungsmöglichkeiten Fackel, 
Öllümpchen, Kienspan und Kerze war letztere die 
vornehmste und begehrteste. 
Das Christentum hatte sich zwar anfangs gegen die 
Verwendung der Kerze in seiner Liturgie gesperrt; 
war das Wachs doch eindeutig durch die 
Verwendung in heidnischen Kulten und die 
angebliche Herkunft aus den Tränen des Sonnen- 
gottes Re vorbelastet? Erst im Verlauf des 
3. Jahrhunderts begegnet uns in der christlichen 
Liturgie die Verwendung der Kerze, die aber nun 
durch die tiefsinnigen Deutungen der Kirchenvöter 
eine ganz neue Motivation erfährt: Die Kerze, die, 
sich selbst verzehrend, anderen Licht spendet, 
wird zum Sinnbild christlichen Lebens, Inbegriff 
dieser christlichen Deutung ist der herrliche Preis- 
gesang der Kerze llaus cerei), den ein unbekannter 
Verfasser im 5. Jahrhundert für die Osternacht- 
liturgie geschaffen hat. Das Licht wird 
gleichbedeutend mit Christus selbst. Als sichtbarer 
Ausdruck dessen begegnet uns schon im Rom des 
9. Jahrhunderts der Brauch, die vom Papst 
gesegnete Osterkerze zu zerstückeln und zu 
„Agnus Dei" umzuschmelzen, die als hochbegehrte 
Weihegegenstände in alle Welt versandt wurden". 
Darüber hinaus aber wurde die Kerze zur Votivgabe 
schlechthin, auf Wallfahrten von Einzelpersonen, 
vor allem aber von Gemeinden und Standes- 
organisationen mitgetragen, soll sie stellverr 
tretend für die Votanten ständig deren Dankbarkeit 
vor dem Gnadenbild zum Ausdruck bringen. 
Leider sind die einst immensen Bestände an 
Votivkerzen auch hierzulande vor allem durch das 
Unverstehen der Aufklärungszeit arg dezimiert 
worden, Die größte derartige Sammlung besitzt 
noch das Kloster Andechsi Die älteste dieser 
224 Stück historischer Votivkerzen stammt aus dem 
Jahre 1556. lm Bereich des alten Hoch- und 
Erzstiftes Salzburg existieren in dem früher sehr 
besuchten Wallfahrtsort FeichtenlAlz noch 18 Stück 
z. T. mannshoher, in Öl oder Eiweißtempera 
bemalter Votivkerzen. Diese werden ebenso wie die 
1610 von der gröflichen Familie Kuenburg nach 
St. Leanhard bei Tamsweg gestifteten Kerzen 
auf der Ausstellung zu sehen sein. Was darüber 
hinaus noch die Wachszieher für kultische 
Zwecke liefern mußten lwachsstöcke, im Hohlguß 
hergestellte Abdrücke von Modeln menschlicher 
oder tierischer Gestalten) ist in Exemplaren von 
seltener Größe zu sehen. 
Weitaus bedeutsamer als die handwerksmößige 
Produktion des Gebrauchswachses war seine 
künstlerische Verarbeitung: Die Keroplastik und die 
Enkaustik. Zahlreiche Bildhauer haben sich in dem 
1 Wachsvotivfigureri: Mann, um 1700, H 161 cm - Frau, 
um 1620, H 160 cm - Kind, um 162i), 91 cm. Pfarrkirche 
Pürthen bei MühldarflObb, 
2 Vativkerze, Salzburg, um 1700. Salzburger Dornschatz, 
H 143 cm. 
3 Madonna mit Kind, um 1700. Wachsbossierarbeit, H 7l 
cm. Stift NannberglSb. 
 
Anmerkungen l-ll 
lVgl. zum ganzen: Reinhard Büll. Vom Wachs, Frank- 
furt 1955 rr. Letzer [Re ister-lBand steht vor der Aus- 
lieferung. Ferner: c. J. k... A biagraphical dictionary 
of wax rnadellers, Oxford m. 
' W. Erüdrner: Cera Virgo - Cera Virglnea, in: Zeitschrift 
für Volkskunde LlX, 1963, S. 233 N. 
'Eugen Wohlhaupter: oh. Kerze im Redit, Weimar 194D. 
'Georg Lill: Die Kerzen im Wachsgewölb des Klosters 
gmgälzflis, in: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde, 1950, 
äEllgett von Fhilippavich: 
Braunschweig im, S. 141. 
Kuriositiiten - Antiquitäten, 

	        
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