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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXII (1977 / Heft 150)

. Österreichisches Museum für angewandte Kunst 
Blickpunkte 
Far-west-Ausstellung: 
geöffnet noch bis 11. April 1977, 15.000 Besucher 
in der Anfangsphase. Vorwiegend „kleines" und 
junges Publikum. Reger Zustrom zu den Sonder- 
veranstaltungen (Filme, Songs, Theater). 
Aufschlußreiche, lebendige Führungen. 
Ikonen aus Bulgarien 
vom 9.-19. Jahrhundert: 
Knapp vor Eröffnung: 16. Februar 1977. 202 Werke 
sakraler Kunst durch 1000 Jahre aus 42 bulgarischen 
Museen versprechen eine interessante Schau aus 
Kirchen und Klästern der bulgarischen Ostkirche. 
Das Bild der Antike in Renaissance 
und Barock: 
geöffnet noch bis 31. März 1977. Besonderer 
Zuspruch all derer, die eine weitere Möglichkeit, 
die bedeutenden Bestände der Bibliothek an 
humanistischer Literatur, zur besseren Kenntnis der 
Antike ausgestellt, nützen wollten. 
Zahlreiche instruktive Führungen. 
Wiener Porzellan - echt oder gefälscht: 
geöffnet nach bis 31. März 1977. In Verbindung mit 
Seminaren eine der zugkräftigsten Veranstaltungen 
bisher. Zahlreiche Interessenten, Private, 
Studenten u. a. erleben intensivstes Praktikum 
anhand hochinteressanter Beispiele. 
Mittelalterliche Keramik: 
Nachtrag zur Präsentation von „Unbekannten 
Schätzen aus den Depots", dem Publikum bislang 
nicht zugänglich. Erstmals wurden ergänzend 
Obiekte zur bestehenden Keramiksammlung gezeigt 
und bestens demonstriert. 
Altorientalische Knüpfteppiche: 
Derzeit im Vorstadium die alljährliche Ausstellung 
in Schloß Halbturn, Burgenland. Alle Teppiche 
sind aus dem Besitz des Österreichischen Museums. 
Voraussichtliche Eröffnung Anfang Juni. Dauer 
dieser bedeutenden Ausstellung bis Ende November. 
Für Kunsttouristen. 
Sonstiges: 
Der Bauzustand des Museums, nach wie vor äußerst 
kritisch, macht einen geordneten Museumsbesuch 
unmdglich. Die Direktion des Hauses bittet 
um Verständnis von seilen der Besucher und hofft, 
mit den oben erwähnten Ausstellungen einigermaßen 
Ausgleich zu schaffen. n 
1 Vestibül der neuen österreidiischen Botsdiaft in Tokio: 
Vorhang mit Schildkrötenmotiv und zwei Stühle von 
Ch. Rennie Mackintosh. 
Arbeitswelt des Oskar Bottoli. Aufstellen eines 5 Tannen 
schweren Steines. 
Oskar Bottolis Atelier - Der Künstler am Ambos - Oskar 
Bottoli, Don Quiiote, Büste, 1972, 45 cm. 
50 
2 Blick in die Lounge der Botschaft (s. Abb. 1). Möbel 
Josef Hoffmann und Gabelisse Kola Moser u. a. 
s äoseth Binders Studio iri New York, am Central Park 
Out . 
4 Joseph Binder, New York, Pastell, was 
s {gäseph Binder, Los Lunas, lndianerdorf, N. M. Pastell, 
s Oskar Botlcrli, Penthesilea, im. Krastaler Marmor, 
42 x 42 cm. 
7 
5 
Ostorio Toishikon 
Die neue österreichische Botschaft in Tokio - 
Das ästhetische Konzept zur 
Raumgestaltung 
Neues Haus, Parterresaal, 
Wien t, Stubenring 5 
23. 9.-27. 10. 1976 
Gemeinsame Veranstalter dieser Spontanausstellung 
waren die Österreichisch-Japanische Gesellschaft 
und das Österreichische Museum für angewandte 
Kunst. Einerseits war diese eine Präsentation eines 
Beispiels für die Verwendung der auf dem 
Gebiet der „angewandten Ästhetik" an der 
Technischen Universität Wien gewonnenen 
Erkenntnisse. Andererseits konnte mit dieser Schau 
die Aufgabe des Museums, kunsterzieherisdi zu 
wirken und Einfluß auszuüben im Sinne einer 
vorbildhoften Erneuerung der Gestaltung von lnnen- 
räumen, dem lnterieur, weiter verfolgt werden. 
Weiterliegender Ausgangspunkt das Jahr 1873, 
Japans Auftreten auf der Wiener Weltausstellung, 
das einen ganz wesentlichen Einfluß auf die 
österreichischen Künstler ausübte und nachhaltig 
den Jugendstil mitprägte. Hier sublimierten sich in 
einem Stil das künstlerische Empfinden zweier 
Völker wie selten zuvor. 
Als die Baufälligkeit der österreichischen Botschaft 
in Tokio die Errichtung eines Neubaues bedingte, 
war man sich darüber einig, nicht nur ein Stück 
Österreich im fernen Orient, sondern eine 
Institution zu errichten, die eine Synthese 
zwischen Moderne und Tradition darstellt. Über- 
drüssig des gewiß repräsentativen Barock und 
Biedermeier, ergab sich wie von selbst eine 
Verwendung „angewandten Jugendstils" für das 
lnnenräumliche. Dem Neubau als Ganzem stand 
der berühmte iapanische Architekt Fumihiko Maki 
als Verantwortlicher vor. Architekt Dr. Emmerich 
Simoncsics von der Technischen Universität Wien 
fungierte als initiativer Koordinator in allen 
entscheidenden Planungsstadien. Er wollte vorerst 
als doch wesensfremdes, wenngleich sicher 
vorzügliches Äquivalent innenräumlich skandinavisch 
ausstatten. Wie immer, der Gegenvorschlag, fast 
sich als einziges anbietend, sich der Vorbilder und 
Elemente des Jugendstils zu bedienen, fand 
besonders von iapanischer Seite Zustimmung. 
Die Exhibition in einem Parterresaal des 
Neuen Hauses auf bemessenem Raum vereint, 
konnte nur einen von einzelnen Obiekten her 
bestimmten Abklatsch der wirklichen Situation, nur 
fragmentarisch die Grundsätzlichkeiten des 
zugrunde liegenden „ästhetischen Konzeptes" der 
neuen österreichischen Botschaft in Tokio sichtbar 
machen. Deutlich unter Beweis gestellt schien aber 
die seltene Gelegenheit, wie zwei Völker, 
in der Symbiose eines künstlerischen Stiles 
gleicherweise angesprochen, auch dem 
Grundgedanken einer Botschaft als einer mittlernden 
Institution gerecht wurden und in einer harmonischen 
Lösung alles vereinen konnten. Ein Glücksfall, der 
sich anderswo kaum so schnell anbieten wird. 
Renommierte Firmen wie Thonet, Wittmonn, Cassina, 
Maderria, Vesna-Design, Iris, die Firma GPX, 
stellten so gut wie originale „Ersatzobiekte" als 
die Ausstatter, das Museum ergänzte durch typische 
Möbel aus seinem reichen Bestand. Aus seinen 
mit Künstlern und Wissenschaftlern gemeinsam 
durchgeführten interdisziplinären Experimenten 
heraus will Dr. Simancsics eine neue Form finden, 
die „gebaute" Umwelt menschenfreundlicher 
zu gestalten. Erste Ansätze sollte diese Ausstellung 
liefern. 
Joseph Binder 1 
Amerikanische Impressionen 1933-1935 
Altes Haus, Eitelbergersaal, 
Wien l, Stubenring 5, 
8.10.-7.11. 1976 
Sich mit der Ausnohmeerscheinung, der wirklich 
großen Persönlichkeit Joseph Binders zu 
beschäftigen, bereitet immerzu neue Bereicherung, 
ia echte Faszination. Aus seinen Maximen und 
Aphorismen ereicht uns heute so viel universelle 
Abgeklärtheit und Offenheit, die doppelt berührt 
und gibt. Wir kennen Binder als den großer 
künstler, als einen geborenen Österreicher, t 
obwohl in seiner Heimat anerkannt und eini 
bedeutendsten Künstler Österreichs, in den L 
später noch bedeutender wurde. Und Binder 
diese seine neue Heimat, die „Neue Welt", 
ersten Augenblick an zu lieben. Als er nach l 
ging, reckte sich in seiner Heimatstadt Wien, 
in der er erste Lorbeeren als Plakatkünstler 
gesammelt hatte, einsam neben dem Stephar 
das Hochhaus in der Herrengasse als erster 
„Wolken"-kratzer in den damals nocn reiner 
Wiener Himmel. Und da mußte man exponie 
stehen oder am Wiener Hausberg, um diese 
„bauliche Explosivität" so richtig mitzubekor 
Was muß einen Joseph Binder alles bewegt 
als er South-Manhattan, der unermeßlichen 5 
und Glaswände in schwindelnde Höhen hina 
langer Seereise zum erstenmal ansichtig wur 
Als er diese in seinem nahezu romantischen 
Studio am Centralpark in die Teiche hinabsp 
sah? - Aber Binder, der große Erfasser eine: 
Bildes, einer Wesenheit, einer Atmosphäre, l 
nicht lange betrachten. Diese neue Welt voll 
verwegener, atemberaubender Eindrücke, 
die urban-alpinen Gigontissima, mußten von 
exzellenten Zeichner wie ihm festgehalten 
werden. In lockerer, flüchtiger Weise in Pastt 
impressionen. So zeichnete er sich - 1933 bis 
als Gastdozent in die USA berufen - auf seii 
Reisen auer durch das nordamerikanische 
Territorium von New York bis Chikago und 
Milwaukee bis Los Angeles. Gleichzeitig und 
nebenher „entdeckte" er diese völlig neue Vt 
ihn wirklich und wahrhaftig neue. Skylines di 
wachsenden Metropolen, Steamer auf Strömi 
Binnenseen, Ölfelder und Bohrtürme, Cottag 
und Villages, Canyons, Wüsten und 
Eldorados, den differenten Kontrast aller ihn 
erreichbarer Menschentypen. Hafenarbeiter, 
Mestizen, Cowboys, Indianer, Farmer, Neger 
Schlafwandlerisch sicher legte er anatomiscl 
Grundstrukturen, Leitmotive, Posen bloß. Zuv 
sehr plakativ, in farbigem Forte, aber stets ir 
in sich akkordierend. Vielleicht ist hier Binde 
früheste Erfahrung und Lerntätigkeit als l.itl 
ins Auge zu fassen, die ihm das Rüstzeug für 
seine späteren künstlerischen Aufgaben aufb 
half. Das Sezieren eines vorerst fremden 
vorliegenden graphischen Entwurfes, das zur 
Reproduktion notwendige Offen- und Freileg 
Strukturen, den formalen wie farblichen Wer 
eines solchen. Dieses „An- und Durchschauen 
eines graphischen Originals durch mehrereS 
und sein Auflösen in Konturen, das Erspüren 
der Farbwerte zum Zusammendruck scheint d 
geborenen Künstler Binder eine solide, ia gei 
glückhafte Basis gegeben zu haben. 
Die Ausstellung im Eitelbergersaal, intimen 
Charakters, zentral beherrscht von einer Bild 
dokumentation, gestattete rundum, selbst nac 
vierzig Jahren des Entstehens der Pastelle, ei 
Blick in das Herz und Wesen einer Welt, die 
noch einer gewissen Magie, einer Unentdeckt 
nicht entbehrt. Von einer Hand aufgezeichnet 
eminente künstlerische Größe wir nidit oft 
genug würdigen können: die des Plakatkünst 
Binder, der an vorderster Stelle bahnbrechen 
Antlitz des 20. Jahrhunderts in zeitgemäßer, t 
völlig eigenständiger Weise mitformte. 
Vielleicht rundet folgendes zu Binders Positii 
ab, wenn wir hier festhalten, daß er der am l 
ausgezeichnete Künstler in Plakatkonkurrenzr 
war, bei denen namhafte Künstler als Jurorei 
agierten. Und das sagt eigentlich wirklich Ulll 
Zum Schluß noch einmal angesichts seiner 
„Amerikanischen lmpressionen" Joseph Bindt 
selber: „Den bewußten Moment unbeachtet 
vorübergehen lassen? Der Entschluß des Will 
kurz. Wenn der Moment verloren ist, ist der 
Wille verloren." 
Wenn es nicht menschlich vermessen wäre, rn 
wir sagen, Joseph Binder hat nicht oder kaun 
einen Moment verloren.
	        
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