preist die „regellase Wanne" der paradiesischen
Natur, die keiner „verzärtelten Kunst" unterwar-
ten sei.
Überspitzt kann man sagen, daß schon dort -
klammert man die Pflanzen aus, die im engli-
schen Klima nicht gedeihen - der einzige große
überlebende Landschaftsgarten des 18. Jahrhun-
derts, nämlich Stourhead in Wiltshire, geschildert
ist. Da werden ausdrücklich die beschnittenen
Hecken der Tudor- und Sfuartgärten, die Blumen-
beete der Oranier verworfen, das Paradies,
der „glückselige Garten", ist nicht einfach ein
lacus amoenus, wie er in der Literatur der Zeit
unzähligemal mit feststehenden Metaphern be-
schrieben wird, sondern sieht präzise folgender-
maßen aus: „Dazwischen sah man Wiesen,
flache Auen und Herden Viehs, welche die
zarten Kräuter abweideten, Palmenhügel oder
Park von Bodnant, DenbighshirelWales. Terras-
sen im italienischen Stil, an elegt 19054914
Park von Blenheim Paloce, xfordshire. Wasser-
terrassen und künstlicher See, angelegt von
Capahility Brown, der die Ideen von William
Kent in die Praxis umsetzte. In der Nähe des
Schlosses wurden die formalen Elemente beibe-
halten, während die Umgebung in einen typisch
englischen Landschaftspark umgestaltet wurde
Park van Blenheim Palace, Oxfordshire. Wasser-
terrassen und künstlicher See. Hier zählen die
Linie, die Masse die Kontur, nidlt die Farbe.
(Wenig Blumen.
Hidcote Manar Gardens, Gloucestershire. Wech-
sel einer Serie kleiner in sich geschlossener
Gärten, in denen jeder in anderem Stil gehalten
ist; Wechsel von Farmalitüt und lnformalität
Der Garten ist berühmt für die glückliche V
bindung ästhetischer und botanischer Qualita-
ten. Er wäre ahne die Kunst der Gärtner des 19.
Jahrhunderts nicht denkbar. Angelegt zu Beginn
des 20. Jahrhunderts
Park von Bodnclnt, DenbighshirelWales. Terros_
sen im italienischen Stil, angelegt l905-l9l4
(Walpole) bilden. Sein Zentrum ist ein
hügeligem Gelände umgebener, aus einer l
von Fischteichen geschaffener See, um der
einige Architekturstücke gruppieren, die
der klassischen, teils der romantischen lma
tion zuzuordnen sind.
In Stourhecid kulminiert nun alles, was bis i
über die Gartenkunst gedacht und geschri
worden war. Hier sind die literarisch-Eis
schen Theorien in die Praxis umgesetzt,
finden sich, auf einem genau festgelegten l
gang (Husseys „Kunst des Reisens"), die k
lierten Durchblicke und Überraschungen t
Malerei und Literatur gehen in gemeinsc
Bezug auf Vergils „Äneis" eine innige Ve
dung ein. Kenneth Waodbridge hat nä
nachgewiesen, daß die berühmteste engl
Gartenansicht - der Blick über den See hi
den blumenreichen Busen eines wohlgewässerten
Tals, der seinen Schatz ausbreitete, tausend-
farbige Blumen und die Rose noch ohne Dorn.
An der anderen Seite sah man schattige Grotten
und Keller mit kühlen Gemächern, über welche
die Ranken des Weinstocks ihre Purpurtrauben
ausbreiteten und mit geilen Schoßen langsam
fortkriechen. Murmelnde Wasser fallen mittler-
weile quer über die Hügel hinunter, verteilen
sich in Bäche oder sammeln sich in einem großen
See, welcher dem Gestade, das mit Myrten
gekrönt ist, seinen Kristallspiegel vorhält'." Wal-
pole spielt in dem genannten Essay sogar
Milton gegen Claude Lorrain aus, der mit seinen
idealisierten, lyrischen Landschaften das große
Vorbild der englischen Gartenkunst war, wenn
er schreibt, der Dichter habe in seiner Beschrei-
bung von Eden ein wärmeres und zutreffenderes
Bild des gegenwärtigen Stils gegeben, als Claude
es von Stourhead gemalt haben könnte. Stour-
head, im Südwesten Englands gelegen, ist ein
Meisterwerk von europäischem Rang. Hier ist,
wie C. Hussey in seinem 1927 erschienenen
Traktat über das Pittoreske schreibt, die Ver-
bindung aller Künste durch die bildhafte Einbe-
ziehung der Natur so eng, daß „Poesie, Malerei,
Gärtnerei, Architektur und Kunst des Reisens
zu einer einzigen Kunst der Landschaft ver-
schmolzen sindm." Ein Gesamtkunstwerk also.
Der Park gehört zu einem abseits gelegenen,
im Stil des Palladio erbauten Landhaus, das sich
ein reicher Londoner Kaufmann und Bankier,
Henry Hoare, erbauen ließ. Der Garten, den
Hoare selbst anlegte (begonnen 1738), sollte
ein Gegengewicht zur „Rationalität des Hauses"
30
Anmerkungen 9-11
'Zil.]g14ac(h der Bodmerschen Übersetzung von 1742, Buch IV,
p. .
" Zit. nadi Kenneth Waodbrid e: Henry Hoare's Paradise,
in: The Art Bulletin, Bd. Xl. ll, 1965, p. 97. Siehe auch
Kenneth Waodbridge: The Stourhead Landscape, 1971.
" Rayner Banham vertrat in einem Aufsatz im „New
Statesman" vom 7. Dezember 1962 allerdings die Ansicht,
doß die klaren Linien von Stßllflledd eher GUT Poussin
als auf Claude LDrrain verweisen. Sie sind jedoch heute,
durch eine umstrittene Bepflanzung in viktorianischer Zeit
(vor allem mit Rhodadendren), etwas verwischt.
zu einem dem römischen Pantheon nachem
denen Gebäude am ienseitigen Ufer -
Gemälde des Claude Lorrain „Küstenansich
Delos mit Äneas" (heute in der Londoner h
nol Gallery) entnommen wurde". Aus de
Buch des „Äneis" stammt die Inschrift am gi
überliegenden Tempel der Flora: „Proci
pracul este profani." Wooclbridge geht in s
Interpretation des Gartens so weit, eine Pan
zwischen Vergils Epos, das die Gründung
feiert, und der Etablierung von Haares Eo
in Staurhead zu ziehen.
Der Garten enthält noch mehr literarische
spielungen, etwa in einem von Pope aus
Lateinischen übersetzten Gedicht auf die l
nennymphe der Grotte, und weitere antikisi
de Elemente, wie den Tempel des Apollo
der Statuen des Pantheon, die den Methodi
begründer Jahn Wesley zu der mißbillige
Feststellung veranlaßten, es würden hier
nische Teufel gefeiert. Dabei lag dem Ga
gründer sein Milton viel näher. An den N
schrieb er, daß man in Stourhead, das s
übrigen ein „Beispiel der Vollkommenheit" n
auf den „zauberhaften Pfaden des Paradi-
wandle.
Trotzdem fällt Stourhead nicht unter das,
Gartenhistoriker heute in engerem Sinn t
„Paradiesgarten" nennen, nämlich den in
natürlich schöne, das heißt von Menschen
gestaltete Landschaft eingebetteten Park, in
Pflanzen zusammengebracht sind, wie sie ll
Natur nicht nebeneinander vorkommen. Hi
beispiele sind die Waldgörten, die sich ar
vom Golfstrom umspülten Süd- und West