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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXII (1977 / Heft 152)

Wer auf einer Landkarte die Lage der frühen 
Klostergründungen unseres Raumes verfolgt, 
wird feststellen müssen, daß sie fast alle im 
fruchtbaren Alpenvorland liegen, in ienem Ge- 
biet also, in dem die baierische Landnahme eine 
bleibende Basis bildete. Pirmin Lindner zählt 
für die alte Kirchenprovinz Salzburg insgesamt 
28 Gründungen auf, die noch alle vor 800 ent- 
standen sind; wie St. Peter in Salzburg (682-696), 
Mondsee (748), Mattsee (vor 777), Otting (Midia- 
elbeuren (757) und schließlich Kremsmünster (777). 
Einzige Ausnahme bildete lnnichen im Pustertal 
(769), das in den Alpen liegt. Alle diese heute 
z. T. säkularisierten oder umgewandelten Stifte 
waren ursprünglich benediktinisch (auf die Pro- 
bleme einer „Regula mixta, wie sie DDr. J. An- 
gerer, Geras, bei der Historikertagung in Krems- 
münster iüngst aufgezeigt hat, kann hier nicht 
eingegangen werden). Benediktinisch aber heißt 
- knapp ausgedrüdrt -, daß die von den früh- 
christlichen Wüstenvätern und Eremiten so pein- 
lich gemiedene „Welt" wieder ernst genommen 
füllen wird Kremsmünster bischöfliches Eigen- 
kloster von Passauydie diözesane Zugehörig- 
keit zu Passau (bis 1784, der Schaffung der 
Diözese Linz) prägt die besondere Stellung, die 
Kremsmünster einnimmt. 1082 reformiert Bischof 
Altmann von Passau - in Göttweig begraben - 
das Kloster im Geiste Clunys. Damals gehörte 
Kremsmünster zum Herzogtum Steiermark (und 
nicht zum 1156 um Oberösterreich vergrößerten 
neuen Herzogtum Österreich). 1192 wird Krems- 
münster babenbergisch, und seit 1254 gehört es 
politisch zum Lande ob der Enns. Abt Rudolf 
läßt ein spütromanisches-frühgotisches Kloster- 
gebäude errichten (1222 Kanventtrakt, Kreuz- 
gang und Marienkapelle); Abt Heinrich von 
Plaien errichtet die unter barockem Kleid noch 
vorhandene spötromanische Stiftskirche, die Abt 
Friedrich von Aich (1275-1325) bzw. Abt Ernst 
Ottsdorf mit dem Westwerk vollendet. Nach 
Durchführung der Melker Reform (1419) bis zur 
Mitte des 16. Jahrhunderts erlebt das Stift eine 
Blütezeit, die dann durch 50 Jahre abrupt ab- 
bricht, als Oberösterreich ein Hort des 
gelisrhen Glaubens wird. Mit eingesetzten J 
(also nicht gewählten) wird man der Krise 
Bedeutendster dieser Klosteroberen wird t 
Wolfradt (1613-1639), der unter Kaiser Ma 
und Ferdinand II. in Wien Hofkarnmerprä: 
(Finanzminister), Bischof von Wien und R 
fürst war. Unter ihm wird die Stiftskirch 
einer frühbaracken Altarausstattung vers 
die sich in Resten erhalten hat (Hochalta 
Grünau im Almtal, OÖ). Aud1 die Prölatur 
umgestaltet, wovon sich u. a. der Wolfrad 
erhalten hat; die Kunstkammer verdank" 
manche kuriose Obiekte. Der große Bc 
aber ist Abt Erenbert ll. Schreyvogl (1669- 
Die welschen Stukkateure C. A. Carlone (M 
kapelle), C. B. Barberini und C. B. Colombt 
kleideten die mittelalterliche Baugestalt der 
kirche mit Stuckpilastern, Fruchtschnüren, 
tuschen und Gehängen; in die Kartuschen n 
die Brüder Grabenberger Szenen aus dem 
und Neuen Testament (1680-1682); der Bild 
 
wurde. Bekannt ist das „Ora et Labara", die 
Devise des Benediktinerardens, die auch meint, 
daß man an der Welt arbeiten solle, was damals 
keine Selbstverständlichkeit war. Es klingt nach 
einer Binsenwahrheit - und der geduldige Leser 
möge es dem Rezensenten verzeihen -, aber die- 
se Einstellung zur Welt ist die Wurzel iener 
kulturellen Hochleistung, die uns dieses Stift an 
seinem 1200. Geburtstag präsentiert. 
Am 9. November (?) 777 weihten die Bischöfe 
Virgil von Salzburg, Walderich von Passau und 
Sintpert von Regensburg die vom Herzog Tassilo 
III. Agilolfinger gestifteten Kloster und Kirche 
dem Salvator mundi; erster Abt wird der Hof- 
kaplan Tassilos, Fater. Der Baiernherzog hatte 
das Kloster reich ausgestattet; überdies schenkt 
er seinen Hochzeitskelch. „Tassilo Dux Fortis -t- 
Livtpirc Virga Regalis" (Tassilo tapferer Herzog 
- Liutpirc, königlidwer Sproß) steht auf dem 
ehrwürdigen Gefäß, das seit alters her als Wahl- 
urne des Abtes und als Meßkelch am Stiftertag 
dient. Daneben soll Tassila seinen Szepter-nach 
Pangraz Stollenmayer in Form zweier Leuchter- 
schäfte - hieher gestiftet haben, was nicht ein- 
hellig van der Forschung angenommen wird. 
Nach dem Sturz Tassilos (787) bestätigt Karl der 
Große dem Kloster Bestand und Besitz. Der 
letzte Karolinger, Arnulf von Kärnten, schenkt 
dem Solvatorkloster die Reliquie des hl. Aga- 
pitus von Praeneste, die von nun an dem Kloster 
seinen Namen gibt (893). Nach den Ungarnein- 
20 
3 Stift KrernsmünsterlOberösterreich, Ansicht des 
Stiftes mit der Sternwarte 
4 Stift KremsrnünsterlOberösterreich, Stiftskirche, 
Ansicht mit den spötromanischen bzw. frühgoti- 
schen Chor 
5 Stift KremsmünsterlOberösterreich, Stiftskirche, 
lnnenansicht mit Blick auf den Altar und Kanzel. 
4 
 
Michael Zürn d. J. schuf nach dem Bernin 
bild die prachtvollen Engelaltäre im den S 
schiffen, die mit großartigen Bildern de 
rockmeister Andreas Wolf (Hochaltar), l 
Syder (Nebenchoraltäre), J. Carl von Re 
(Allerseelenaltar), des auch in Salzburg ti 
Frans de Neve (Annaaltar, Josefsaltar), J: 
Karl Loth (Petrus-und-Paulus-Altar), F. I. Tc 
(Ölbergaltar und Karl Remp (Benedikt: 
ausgestattet sind. Zusammen mit den 171 
gekauften Brüsseler Tapisserien von Rej 
(1551), die die Geschichte des ägyptischen 
darstellen, prägen die genannten Kunst 
den Kirchenraum in einer Weise, daß mc 
Stiftskirche, ohne Abbruch befürchten zu m 
ieder zeitgleichen hauptstädtischen Schöpfu 
Seite stellen kann. Die Offenheit der Äbte 
guten Beziehungen zum kaiserlichen Wiei 
über die Benediktinerkonföderatian Salz 
zu süddeutschen Künstlern wird in der Z: 
1700 besonders deutlich. Sa ist der größte B1 
dichter Österreichs, Simon Rettenbacher, 
nur ein'Konventuale Kremsmünsters, sonder: 
ein gebürtiger Salzburg-Aigner, der übe 
Benediktineruniversität hieher seinen We 
funden hat. Diese Beziehungen - die selk 
ständlich oft auch umgekehrt liefen (etwa 
Stiftung eines Thomas-Schwanthaler-Altal 
dem Universitötsheiligtum Maria'Plain bei 
burg durch Kremsmünster mit dem Bener 
bild, einer Kopie nach Michael Coxcie) -
	        
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