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Antike hat man aber diese ihre ursprüngliche Bedeutung nicht mehr strenge
beachtet, da sie zu dieser Zeit bereits ganze Flächen bedeckt (Taf. XI). Es
hängt dies offenbar mit dem decorativen Zuge zusammen, der gegen Ende
der Antike immer mächtiger wurde, und in einer massenhaften Verwendung
der Ornamente für das abhandengekommene Verständnis der organischen
Bedeutung Ersatz suchte. Die ursprünglich einfachen und klaren Verschlin
gungen wurden mit der Zeit immer labyrinthischer und verworrener, was
namentlich im britischen Norden zu einer ganz abstrusen Fortbildung geführt
hat. Daneben laufen eckig gebrochene Verschlingungen, die in den Ver
schränkungen des Mäanders ihr Vorbild haben könnten. Auch diese treffen wir
nicht nur in einfachen Bordüren (Taf. XI) '), sondern auch zur Verzierung ganzer
Flächen. Diese runden und eckigen Bandverschlingungen sind aber in der Folge
zeit ganz wesentliche Grundelemente der arabischen Ornamentik geworden.
Ein in der späten Antike sehr beliebtes ornamentales Schema, nament
lich für streifenförmige Verzierungen, geht auf das Zickzack zurück, dessen
dreieckige Zwickel durch eine geometrische Configuration (gewöhnlich halb
sternförmig) ausgefüllt sind. Durch Verdoppelung des Zickzack gewinnt man
das Rautenschema: die Rauten erhalten ganze Sterne als Füllungen, während
in den dreieckigen Zwickeln die halben Sterne bleiben. Mittels des Rauten
schemas Hessen sich durch beliebige Vervielfältigung ganze Flächen bedecken,
während das Zickzack auf streifenförmige Verzierungen beschränkt blieb *).
In rein geometrischer Zusammensetzung ist es ein echtes Mosaikenornament,
ebenso wie die gleichfalls in unseren Funden vertretene Aneinanderreihung
von Dreiecken, so dass immer die Spitze des nachfolgenden die Basis des
vorhergehenden in der Mitte berührt 3 ). Die Elemente, welche die Zickzack
oder Rautenlinie zusammensetzen, konnten auch dem vegetabilischen Bereiche
entnommen sein, wie z. B. die Blattranken auf Taf. III*).
Die Elemente der vegetabilischen Ornamentik bilden die Ranke und
das Blatt. Eine grosse Gruppe unserer Funde zeigt eine symmetrische
Rankenmusterung in Bäumchenform, kandelaberartig aufsteigend und völlig
linear stilisirt 5 ). Selten findet sich ein stilisirter Vierfüssler oder Vogel ein-
') Ganz ähnlich im Evangelium des Rabuda, Garr. III. 136.
2 ) In Pompeji weniger an Malereien (Nie., Villa di Diomede 4), als an Mosaiken (Descr. gen. 28, 63);
in Syrien gleichfalls weniger an Stein (de Vogu6, Taf. 4), als gemalt (Taf. 151); Salzenberg 25.
3 ) In der Basilica Liberiana (Rossi, Musaici cristiani); in Ntmes, Texier 15; in Syrien, Vogue 49.
4 ) Aehnlich an den Spangen von Frauengewändern im Ashb. Pent. (Pal. Soc., Taf. 235).
5 ) Man findet Anklänge daran zahlreich in Pompeji, in der Casa farnesina (Mon. ined. XII. 5) und in
den ältesten Katakomben (Garr. II. t).