WIENER
KLASSIZISTISCHE
BUCHEINBÄNDE
Von GERHART EGGER
Der normale Bucbeinband unserer Zeit steht im Prinzip in einem
gewissen Zusammenhang mit dem Inhalt des Buches. Vor allem
die jetzt so üblich gewordenen Sehutzumschlage, die ja nach
außen hin das Gesicht des Buches ausmachen, sagen oft mit
Graphik und Bild direkt etwas über den Inhalt des Buches aus.
Nur in großen Bibliotheken gibt es noch - und dann ganz ein-
fach und schmucklos gestaltet - einheitliche Einbände für alle
Bücher verschiedenen Inhalts. In früherer Zeit war das nicht so.
Wohl gab es manchmal Beziehungen des Einbandschmuckes zu
dem Inhalt, aber im Prinzip waren die Bucheinbände vor allem
der kostbaren Exemplare von dem Inhalt des Buches unabhängig.
Viel stärker war hier das Bestreben, einen einheitlichen Charak-
ter in den Bibliotheken zu erzeugen und die Bucheinbände, wenn
nicht überhaupt alle in der gleichen Weise, so doch wenigstens
in starker Übereinstimmung auszuführen. Dieses Prinzip bot nun
der dekorativen Kunst auf diesem Gebiet eine reiche Entfaltungs-
mögliehkeit. Ja in manchen Zeiten wurde der Bucheinband zu
einem ganz besonderen Objekt dekorativer Kunst, in der Meister-
werke entstanden, wie etwa die berühmten Bände für die Biblio-
philen Grolin oder Mahieu im 16. Jahrhundert oder die Einbände
von Padcloup oder Lucien Boyet im 18. Jahrhundert. Es cnt-
stand in diesem Zweig des Kunsthandwerkes eine große Tra-
dition in der Beherrschung der Lederbearbeitung und Goldprä-
gung. Auch in Wien existierte dieses Gewerbe vom späten
15. Jahrhundert an und hat - im 18. Jahrhundert durch die
großartige Bibliothek des Prinzen Eugcn sehr begünstigt - oft
unter französischem Einfluß große Leistungen hervorgebracht.
Im späten 18. Jahrhundert setzt sich gegen die letzten Auswir-
kungen des Rokoko ein englischer Einfluß durch, der ja in ganz
Europa den Klassizismus des späten 18. Jahrhunderts einge-
leitet hat.
Bei allen besonderen Bucheinbänden dieser Jahrhunderte han-
delt es sich vor allem um Lederarbeiten mit Golddekor. Diese
Goldornamentik wird mit Punzen, Stempeln und Rollen mit
Blattgold in genauer Kleinarbeit auf die Lederfläche aufgeschla-
gen und so aus kleinsten Figuren eine große Dekoration zusam-
mengesetzt. So stark sich hier - wie bei jedem Kunsthandwerk
- die Stilcharakteristika jeder Epoche ausprägen, so unterliegen
alle diese Dekorationen darüber hinaus noch einem eigenen
Gesetz. Wenn man die verschiedenartigsten Einbände aus mehre-
ren Jahrhunderten nebeneinander betrachtet, so wird als erstes
auffallen, daß die Anordnung ihrer Deckeldekoration im wesent-
lichen nach der gleichen Ordnung vor sich geht. Der äußere
Rand dieses Rechtecks ist durch einen Rahmen verziert, der
mehr oder weniger breit zwischen einer dünnen Linie und einer
breiten, bandartigen Ornamentkombination schwankt. Das da-
durch entstehende Mittelfeld zeigt in seiner Mitte eine medaillon-
artige Figur und in den Ecken gleichartige Viertelmedaillons.
Dieser dekorative Zusammenhang zwischen einer Mittelfigur und
den Eckornamenten in einem Rahmen eingeschlossen, ist die
typische Form einer Zentralkomposition der Dekoration eines
Rechteckfeldes, wie es in den Bucheinbänden wohl von den
arabischen Arbeiten dieses Zweiges abzuleiten ist, die auf diesem
Gebiet ohne Zweifel sehr vorbildlich für die europäischen Arbei-
ten des 15. und 16. Jahrhunderts waren. Dieses Prinzip der
Einbanddekoration ist im 15. Jahrhundert noch nicht herrschcnd.
Dagegen erhält es sich bis an das Ende des 18. Jahrhunderts, bis
Abb. 1. Grürur Schalladorband, 1794, Fldelkummlßidbliolhok
zum Klassizismus und crfaßt auch jene Einbände, die nur ganz
wenig mit dünnen Randleisten und einer Mittelfigur - etwa
einem Wappen -- dekoriert sind.
In der Zeit der letzten Auswirkungen des Rokoko - in unseren
Gegenden in einigen Fällen bis um 1790 _ erhält sich dieses
Prinzip, wie zum Beispiel ein Band aus der kaiserlichen Fidei-
kommißbibliothek (Abb. 1) aus dem Jahre 1794 zeigt. Der grüne
Schaflederband trägt am Rand einen Rahmen aus dünnen zar-
tcn rocailleartigen Blättern in Goldstempel und in der Mitte
ein ovales Medaillon aus aufgeklebtem Papier mit dem in bunten
Farben gemalten kaiserlichen Wappen. Dieses ovale Medaillen
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