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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXII (1977 / Heft 152)

I Aktuelles Kunstgeschehen l Österreich 
 
Wien 
lnterkunstlPalais Liechtenstein 
Internationale Kunstmesse Wienl 
Künstlerhaus 
Die eine Messe war medioker, die andere avant- 
gardistisch. 5a, wenn man den meisten Pressestim- 
men, die kurz nach der Eröffnung der beiden Messen 
erschienen, glauben wollte. Eindeutig war die Gunst 
auf seiten der Aussteller im Künstlerhaus konzen- 
triert. Wer nun in der österreichischen Kunstszene 
zu Hause ist und weiß, wer mit wem verheiratet 
oder befreundet oder aus einer „Galeriefamilie" 
kommt, wird sich über diese und auch manche andere 
Beurteilung der heimischen Kunstsituation nicht im 
geringsten wundern. In der INTERKUNST wurde u. a. 
von den vertretenen Galerien Attersee, Chagall, Dali, 
Dix, Frohner, Hrdlicka, A. Rainer, Vostell, Zeppel- 
Sperl gezeigt. Im Künstlerhaus wurden u. a. Atter- 
see, Brus, Chaimowicz, Urs Lüthi, Nitsch, Pichler, 
Rainer, Rühm, Schwarzkogler angeboten. Die Messe 
im Palais Liechtenstein war eineVerkaufsschau, die im 
Künstlerhaus eher eine Orientierungsschau. Ist Messe 
aber eine Ausstellung oder eine Verkaufs- und Ein- 
kaufsmöglichkeit? Wer sollte auch das „Kunstwerk" 
Urs Lüthis kaufen, selbst wenn es käuflich wäre? 
Schon aus dieser Gegenüberstellung sind gewisse 
schiefe Aspekte ersichtlich, sie ließen sich fortsetzen. 
Etwa die dominierende Stelle der Galerie Krinzinger 
im Künstlerhaus und die Nr. 1 im Ausstellungsbeirat 
Dr. Ursula Krinzinger, bei einem Abdrängen der 
guten Galerie Hermanns (bei München) und der 
Galerie Modern Art (Wien) in Nebenröume. Die 
INTERKUNST gibt dafür ihrem Katalog zwei außer- 
ordentlich nichtssagende Plaudereien „Kunst im eige- 
nen Heim" und „lnterkunst aus der Sicht des 
Galeristen" mit auf den Weg. Auch die, wie es 
angekündigt wurde, erstmalige Präsentation der 
iungen Avantgarde aus Osteuropa war mehr als ein 
Sdnlag ins Wasser. Zusammenfassend muß man 
feststellen: Wer nichts verkaufen will oder kann, hat 
als Aussteller auf einer Messe nichts zu suchen. Wer 
keine neuen Ideen hat, wird auch weiterhin eine 
langweilige Aneinanderreihung verschiedener Aus- 
steller bringen. 
(INTERKUNST, 17.-20. 2. 1977, und Internationale 
Kunstmesse, Künstlerhaus Wien, 17.-21. 2. 1977) - 
(Abb. 1-3) 
Secession - Kunst in der Secession 
Eine Auswahl einiger Mitglieder. Avramidis brachte 
neben einer Zeichnung die große Bronze Polis aus 
den späten sechziger Jahren. Edrert hat die Farbe in 
seinen Bildern etwas zurückgenommen, die Formen 
sind technischer geworden. Fruhmann ist nur mit den 
Bildern beeindruckend, während die Zeichnungen 
sehr wenig Gewicht haben, das gilt auch und im 
verstärkten Maße von Mikl. Goeschl war mit einer 
sehr sauber gearbeiteten farbigen Plastik, bau- 
steinartigen Setzungen und einigen Entwürfen 
vertreten. Grete Yppen ist zupackender und in der 
Farbe bestimmter geworden, sehr erfreulichl Am 
besten schneidet Messensee ab. ln den außerordent- 
lich schwungvollen Graphiken kommt er zu eigenen 
Formen, und das große Ölbild überzeugt. 
Staudacher ist besonders gut in den großen lockeren 
Gouachen mit zarten Farben und eindeutigen 
Schwerpunkten. Die lustige Großkollage mit 16 
Retaurbriefen zeigt, daß ihm immer etwas Neues 
einfällt. 
(15.-27. 2. 1977) - (Abb. 4) 
Oskar Putz 
Im ersten Stadr waren die Arbeiten des 1940 in 
Salzburg geborenen Konstruktivisten Oskar Putz, der 
an der Technischen Hochschule in Wien einen 
Lehrauftrag hat, zu sehen. Es sind reine Flächen- 
teilungen in verschiedenen, meist sehr blassen 
„ZuckerI"farben. Wo Putz stärkere Töne auswählt, 
werden die Muster flimmernd. Vom Ästhetischen 
betrachtet, spredwen am meisten die kleinen 
quadratischen Tafeln an. Putz zählt zu den 
Pionieren des neuen Konstruktivismus und arbeitet 
in der Gruppe, die in der Galerie „Modern art" in 
Wien beheimatet ist, mit. (3.-27. 2. 1977) - (Abb. 5) 
38 
Galerie Würthle 
Herwig Zens 
1943 in Himberg, NU, geboren, stellte er schon über 
fünfzigmal aus, doch immer nur Graphiken, und als 
Zeichner, Lithograph und Radierer hat er sich bereits 
einen Namen gemacht. Nun tritt er erstmals als 
Maler vor die Öffentlichkeit. 22 Obiekte zählt die 
Schau, und am meisten reizen natürlich die Acryl- 
bilder. Wie in seinen Zeichnungen ist Zens auch in 
den Bildern sehr sparsam, nimmt die Farbe 
weitgehendst zurück, wird eher monochrom, fast 
weiß. Oft sind seine Pinselschwünge sehr heftig und 
ausladend, manchmal, etwa in den Odcertönen, zu 
unbestimmt. Immer aber gibt Zens mit den wenigen 
Ansatzpunkten Richtung zu Charakteristischem, das 
sich iedem bewußt SÜIOUSHCJGH einprägt und damit 
die Assoziation zu dem Gegenstand herstellt. 
(10. 3.-2. 4. 1977) - (Abb. 6) 
Monika Fioreschy 
Die 1947 geborene Südtirolerin ist eine echte 
Entdeckung der Galerie. Sie studiert an der 
Akademie für angewandte Kunst in Wien, wo sie 
1976 das Diplom erhielt. Die 29 gezeigten Gouachen 
sind von einer starken Frische, zeigen ein sehr 
hohes Farbgefühl und Einfühlungsvermögen. 
Letzteres geht schon aus den Titeln hervor, handelt 
es sich doch meist um landschaftliche Motive, die in 
der Formulierung immer mehr ins Abstrakte, d. h. 
in eine Komposition von Farbflöchen und Farb- 
tupfern aufgelöst wird. Die iunge Künstlerin 
bezeichnet die Bilder als Visionen. Vielleicht daß da 
und dort noch Paul Klee im Untergrund zu spüren 
ist, bei vielen Bildern kommt die Fioreschy zu ganz 
neuen Kombinationen. Die Preise sind durchaus 
realistisch! (10. 3.-2. 4. 1977) - (Abb. 7) 
Alte Schmiede 
Meisterschule Wander Bertoni 
Die Ausstellung ist das Ergebnis einer Semester- 
arbeit. Es sollten ieweils ein freies Kunstwerk und 
eine angewandte Gestaltung geschaffen werden. 
Was nun die einzelnen Schüler vorlegen, sind sehr 
beachtliche Zeugnisse ihres Könnens, sowohl in der 
einen als auch in der anderen Sparte. Die freien 
Kunstwerke sind sauber gearbeitet, nähern sich 
zwar oft im Formalen an die Diktion des Lehrers, 
etwa bei Martin Klobasser und Leila Fogarassy, 
doch besticht gerade hier wieder die exakte Aus- 
führung. Es gibt ganz eigene und ausgezeichnete 
Formungen von Barbara Valenta, Livia Szadia und 
Margarete Zelenak_ Der Perser Heschmat kommt zu 
einer intensiven politischen Aussage und der Japaner 
Fuiii zu exakten Metallteilungen. Auch die 
Gebrauchsgegenstände weisen gute Wege. Eine 
erfreuliche Aktion, die für den Meister und seine 
Schule spricht und unbedingt wiederholt werden 
sollte. (3. 3-26. 3. 1977) - (Abb. 8) 
l. K. C. 
Alfred Balcarek 
Der 1917 geborene Wiener, C.-L.-Martin-Schüler, ist 
hauptsächlich als Aquarellist bekannt. Hier legt er 
21 Ulbilder vor. Es sind expressionistisch gesehene 
und gemalte Landschaften, erlebte Stadtansichten 
und religiöse Ausdeutungen. DaB Balcarek etwas 
kann, steht außer Frage. Sowohl von der Sicht, also 
von der Auswahl des Blidrwinkels, wie auch von der 
technischen Beherrschung ist er ein Könner. Warum 
nur Iößt er sich überall so sehr von Van Gogh 
beeinflussen? Am schwächsten sind die Bilder reli- 
giösen Inhalts. (9.-30. 3. 1977) - (Abb. 9) 
Galerie Schwarzer 
Erich Landgrebe 
Der bekannte Schriftsteller präsentiert hier 
Aquarelle und Zeichnungen. Die Aquarelle dami- 
nieren, ihnen gilt Landgrebes Liebe. Es sind brav 
gemalte Landschaftsstudien, flott und mit Schwung 
hingesetzt, wobei man ein gutes Farbempfinden be- 
obachten kann. Trotzdem muß vermerkt werden, 
daß ihnen die Großzügigkeit, die Flächenintensität, 
die lockere Farbsetzung, das Fließen, das man bei 
Aquarellen erwarten darf, fehlt. 
(15. 2.-19. 3. 1977) - (Abb. 10) 
Kleine Galerie 
Katzgraber und Katzgraber 
Franz Katzgraber, der mit seinen Eisenplastiken 
zur Spitze der österreichischen Bildhauerei gezählt 
wird, zeigte neben einer von der Stadt Wien 
angekauften großen Gruppe eine ganze Anzahl 
neuer Arbeiten. Die Formen sind geschlossener 
geworden. Immer wieder sehen wir Elemente, die 
sich ineinander verzahnen oder verkrallen, ver- 
schränken. War eine lange Zeit die Verletzung und 
Verletzbarkeit ein Grundmotiv dieses Künstlers, 
so scheint es nun das Durchdringen, Vereinigen 
zu sein. 
Helene Katzgraber ist die Mutter des Bildhauers, 
die mit 73 Jahren nach einem Schlaganfall zu malen 
begonnen hat. Es sind noch echte naive Bilder 
(nicht geleckte auf Naiv gemachte) voller natürlicher 
Farbig- und Unbekümmertheit. 
(8. 2.-1. 3. 1977) - (Abb. 11) 
Galerie in der Blutgasse 
Dorota Kabiesz 
Die Künstlerin ist Polin, hat 1970 ihr Diplom auf 
der Akademie in Krakau gemacht und arbeitet dort 
auch hauptsächlich als Plakatentwerferin, womit 
sie sich schon einen Namen gemacht hat. Hier stellte 
sie hauptsächlich Frauenakte vor, gezeichnet mit 
einfachen, sicheren Strichen mit Graphit- und Farb- 
stiften. In der Thematik und Gestaltung etwas an 
Hutter erinnernd, betont auch die Kabiesz die 
Schönheit und Jugend, sich und uns daran erfreuend. 
(14-26. 2. 1977) - (Abb. 12) 
Galerie i-m Pferdestall 
Opernball ein Totentanz 
Es waren Handzeichnungen, nach denen das Buch 
Opernboll von Erwin Bracher gemacht wurde, 
zu sehen. Eine Institution und Formen, die uns aus 
vergangenen Zeiten überkammen sind, wurden hier 
mit citzendem Spott überschüttet. Das Gebäude 
der Wiener Staatsoper mit dem Signet „Kaiser 
Franz Josephs Abort" versehen, bekannte und 
unbekannte Größen wurden, wie im Mittelalter 
schon, im Totentanzreigen aufgenommen. Bracher ist 
begabt und hat Einfälle, er sieht Gesichter hinter 
den Gesichtern. Was einem in diesem Zusammen- 
hang auffällt ist, daß immer getanzt wird und 
immer das Ballett der Totenschädel dabei ist, am 
Fürstenhof gestern, im spätbürgerlichen Sozialstaat 
heute und im volksdemokratischen Paradiesreigen 
morgen. Ordenssterne, Hofnarren und Kebsweiber 
da und dort. 
(17. 2.-11. 3. 1977) - (Abb. 13) 
Galerie Veronique 
lsolde Jurina 
Unter dem Titel „Tausend und ein Märchen" stellte 
die Künstlerin Gouachen und Aquarelle aus ihrer 
Kindheit aus. Im Alter von 12 und 13 Jahren 
illustrierte sie für sich die Märchen der Brüder 
Grimm. 31 Exponate, wobei manche zu drei oder 
vier Blättern vereinigt waren, zeigten, wie die 
Jurina schon früh zur Malerei fand, wie sehr farbig 
sie von beginn malte und wie dekorativ sie 
bereits als Kind alle Flächen mit reichem Farb- und 
Linienspiel zu füllen bemüht war. Die Hdngung war 
wohl auch für Kinder gedacht, da ziemlich in 
Bodennähe. 
(25. 2.-27. 3. 1977) - (Abb. 14) 
Galerie „Alles, was Flügel hat, fliegt"! 
Kunst-Kontakte 
A. R. Hofer 
Die neue Galerie am Ruprechtsplatz präsentierte 
den 1945 in Kufstein gebarenen Maler. Die Land- 
schaft in sonderbar sanften Farben steht im Mittel- 
punkt dieses Schaffens. Freilich ist es eine Phantasie- 
landschaft in immer neuen Varianten. Fata 
Morgana einer Welt, die sich, menschenleer und 
auch ahne Zeugnis menschlichen Daseins (es sei 
denn eines Betrachters im Vordergrund), in einem 
sanften Rausch von Farben in unermeßliche Tiefen 
erstreckt. 
(29. 3-16. 4. 1977) - (Abb. 15) Alois Vogel
	        
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