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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXII (1977 / Heft 153)

25 Kremsmünster, Stiftskirche. G. B. Barbarino, 
Stukkatur im südlichen Seitenschiff 
26 Rom, S. Maria dei Sette Dolari. Fr. Borramini, 
Stuckdetail an der Eingangswond 
27 Rom, S. Silvestro in Capite. Camillo Rusconi, 
Stuckdetait in der Vierung 
28 Wien, Servitenkirche. G. B. Barbarino, Detail 
von der Kuppelstukkatur 
29 Garsten, Stiftskirche, Sakristei. G. B. Carlane 
u. a., Gewölbestukkatur über dem Altar 
Anmerkungen 18-24 
" Hans Sedlmayr, Johann Bernhard Fischer v. 
Wien-München 1956, S. 164. 
"W. Buchowiecki, Handbuch der Kirchen Roms, Z. Band, 
Wien 1970, S. 261, 
1" Rudolf Wittkower, Art and architecture in Itoly 1600- 
1750 (The Pelican History of art Z 16), Harmondsworth 
1958, Tafel 91 B, 
"Maria Bosi, S, Maria dei Sette Dolori (le Chiese di 
Roma illustrate 117), Roma 1971, S. 16. 
n W. Buchowiecki, ap. cit, III, S. 69. - R. Wittkower, 
Gian Larenzo Bernini, the sculptor of Roman Baroque, 
London 71966, S. 239, Abb. 92-96. 
73 W. Buchawiecki, op. cit. III, S. B61. 
"Josef Huber, Wallfahrtskirche zur schmerzhaften Mut- 
Erlach, 
tergottes Gartlberg Pfarrkirchen Schnell: Kunstführer 
697i, München-Zürich 11972, Abb. _ m. e E. GUIdGfl, 
u u. 0., s. 247. 
Rom (1648l49)1' ist offensichtlich (Abb. 26). In 
diesen Details, die das individuelle Gepräge 
der pflanzlichen Ornamentmotive ausmachen, 
erweist sich der römische Dekorationsstil um 
1640-1650 als Stilquelle. 
Dies gilt um sa mehr für die gesamträumliche 
Struktur der Girlande. Ihre charakteristische 
rhythmische Ausbildung an den Außenwänden 
der Seitenschifte bildet den entschiedensten rö- 
mischen Akzent im lnnenraum von Kremsmün- 
ster. Es ist aber sehr bezeichnend, daß die un- 
mittelbaren Vorbilder in Rom und Umgebung 
um 1660 entstanden sind: bei Pietro da Cor- 
tona S. Maria della Face (1655-1657); bei 
Gian Lorenzo Bernini S. Tommasa in Castel 
Gandolfo (1660161), S. Maria deII'Assunzione 
in Ariccia (1664) und S. -Andrea al Quirinale 
(1662-1665)". Selbstverständlich tritt der römi- 
sche Charakter der Dekoration in einem Innen- 
raum wie die Servitenkirche, die durch ihren 
Ovalgrundriß völlig in der römischen Tradition 
steht, wesentlich klarer in Erscheinung. Ange- 
sichts der Tatsache, daß ihre Stuckdekoration 
in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre, d. h. 
kurz nach der Vollendung der oben genannten 
römischen Dekorationen entstanden ist, erkennt 
man ihre Modernität. Im Vergleich zur strengen 
architektonischen Bindung der römischen Deko- 
rationen sind die Stukkaturen Barbarinos in 
Wien und Kremsmünster durch ihre Beziehung 
zur Deckenmalerei sogar als fortschrittlicher als 
ihre unmittelbaren römischen Vorstufen zu be- 
zeichnen. Mindestens aber stehen sie auf der 
Höhe der gleichzeitigen römischen Entwicklung, 
die mit der von Giovanni Battista Gaulli ent- 
worfenen Dekoration in II Gesu einsetzt. Je- 
denfalls erreichen die Girlanden in den römi- 
schen Stuckdekorationen erst gegen Ende des 
17. Jahrhunderts iene rhythmische Freiheit, wie 
sie an den Außenwänden der Seitenschiffe in 
Kremsmünster zu beobachten sind. Der Ver- 
gleich mit dem abgebildeten Dekoratiansaus- 
schnitt in der Vierung von S. Silvestra in Capite 
(Camillo Rusconi, vollendet 1690]" macht dies 
deutlich (Abb. 27). Wenn man diesem römischen 
Beispiel ein Detail aus Barbarinos Stukkatur im 
Kuppelzentrum der Servitenkirche gegenüber- 
stellt, das rund zwanzig Jahre älter ist, so er- 
kennt man die Wesensverwandtschaft der räum- 
Iich-dekorativen Grundstruktur, die im gemein- 
samen römischen Charakter begründet liegt, zu- 
 
gleich aber die enorme Fortschrittlichkeit Bar- 
barinos (Abb. 28). ln ihrer rhythmischen Anlage 
und im Verhältnis zu den Deckengemälden bil- 
den sie die unmittelbare Voraussetzung für die 
Girlanden an den Außenwänden der Seiten- 
schiffe in Kremsmünster und für das Verhältnis 
der Rahmenstukkaturen zu den Deckengemäl- 
den. Die Genialität Barbarinos erkennt man vor 
allem daran, wie es ihm gelingt, dieses in 
einem barocken Zentralraum entwickelte Deko- 
rationssystem den andersartigen Gegebenhei- 
ten eines mittelalterlichen Raumes anzupassen. 
Die unmittelbar nach Vollendung der Dekora- 
tian in Kremsmünster einsetzenden Auswirkun- 
gen bei Giovanni Battista Carlone bestätigen 
dies. Noch vor 1685 überträgt er in der Sakristei 
der Stiftskirche Garsten die rhythmisierte Gir- 
lande als gesamträumlich zusammenfassenden 
Außenrahmen an das Gewölbe und vereinheit- 
licht dadurch unter Einbeziehung von Engeln 
die dem einzelnen Gewölbeabschnitt zugeord- 
neten Gemälderahmen (Abb. 29). Darin und im 
großen Stuckvorhang an der Altarwand greift 
er motivisch und kompositionell mehr auf die 
Wiener Servitenkirche zurück. Doch das rhyth- 
mische Verhältnis der Außen- zu den Gemälde- 
rahmen ist ohne das Vorbild der Dekorationen 
in den Seitenschiffen von Kremsmünster nicht 
denkbar. In der Stukkatur des Chorgewölbes der 
Wallfahrtskirche Gartlberg bei Pfarrkirchen 
(1688) übernimmt er unverändert Einteilung und 
Ornamentmotive der Gewölbedekorationen in 
der Stiftskirche Kremsmünster". 
Damit soll nicht behauptet werden, daß Gio- 
vanni Battista Carlone ausschließlich der Emp- 
fangende gewesen sei. Es bedürfte einer noch 
wesentlich umfassenderen Behandlung, um Klar- 
heit in die Zusammenhänge zwischen den in 
Kremsmünster tätigen Italienern und der weit- 
gespannten Tätigkeit des Carlone-Trupps zu brin- 
gen. Die grundlegenden Zusammenhänge zwi- 
schen Barbarino und G. B. Carlone als Stuck- 
plastiker und die Auswirkungen auf die Grazer 
Stuckdekaratianen Fischers v. Erlach sollen im 
zweiten Teil dieser Abhandlung betrachtet wer- 
den. 
Anschrift des Autors: 
Diözesankonservator 
Dr. Karl Kosel 
Am Kirchberg 24 
D-3901 BiberbachlAugsburg 
21
	        
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