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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXII (1977 / Heft 153)

Anna Serena Fava 
Die Medaillen auf Prinz 
Eugen in den Turiner 
Sammlungen 
Als im ausgehenden 17. und im 18. Jahrhundert 
die heutigen Kommunikations- und Propaganda- 
mittel noch unbekannt und vielleicht sogar unvor- 
stellbar waren, was konnte damals wirkungsvol- 
ler als Medaillen Gedenken und Erinnerung an 
mühsam erworbenen Ruhm im Volk verbreiten 
und wachhalten? Es ist nicht weiter erstaunlich, 
daß zur Verewigung der legendären Unter- 
nehmungen des Prinzen Eugen von Savoyen- 
Soissons, den Napoleon einen der sieben größ- 
ten Heerführer aller Zeiten nannte, ein ganzer 
Trupp von Münzgraveuren am Wiener Hof und 
bei verschiedenen Kurfürsten beschäftigt war: 
Brunner, Hautsch, Nürnberger, Müller, Vestner, 
Fuchs, Werner, Smeltzing, Richter (und andere, 
deren Werke im Turiner Museum nicht vertreten 
sind) wetteiferten mit hochwertigen, teils alle- 
 
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gorischen, teils historisch getreuen Gravuren im 
Lobpreis der Siege dieser außergewöhnlidten 
Persönlichkeit, deren schwierige Kindheit, mit 
all ihren Kämpfen, Demütigungen, Intrigen, Ge- 
heimnissen und, trotz der hohen Geburt, mit 
ihrem Elend, die Phantasie der Biographen in 
solchem Maße entzünden mußte, daß es heute 
schwierig erscheint, Produkte der Einbildungs- 
kraft von der nackten Realität zu trennen. So- 
wohl die Abstammung mütterlicherseits vom in- 
triganten und listigen Kardinal Mazarin wie 
die wenig beispielhafte Lebensführung, die Olym- 
pia Mancini, Prinzessin von Savoyen-Soissons 
zugeschrieben wurde, ihre Praktiken der Zaube- 
rei und Giftmischerei, ihre keineswegs nur brü- 
derliche Freundschaft mit dem Sonnenkönig - 
daher fanden Hofstimmen die Existenz des „klei- 
nen Abbate von Savoyen" gar nicht seltsam - 
als auch letztlich die schillernde Persönlichkeit 
des unbesiegten und großmütigen Heerführers 
selbst, all dies kann als ausreichendes Motiv 
dafür gelten, daß dem Leben Eugens ein 
romanhaftes Kolorit angedichtet wurde. Als fünf- 
ter Sahn der Olympia und des Eugen Maurizio 
von Savoyen-Sossons hatte Eugen in seiner Kind- 
heit lange darum zu kämpfen, der Familie, die 
traditionsgemäß einen Geistlichen aus ihm machen 
wollte, mit äußerster Standhaftigkeit seine Be- 
rufung zum Kriegsdienst aufzuzwingen, Denn 
neben seiner Stellung in der Familie als jüngster 
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Sohn trugen sein schwächlicher und unbehol- 
fener Körper und sein angeblich unschönes, ver- 
unstaltetes Antlitz - wie wir sehen werden, wider- 
sprechen die Medaillen dieser Aussage - nicht 
wenig zur Entscheidung der Familie bei, die wohl 
vermeinte, ihm durch das priesterliche Gewand 
iene Einkünfte verschaffen zu können, die ihm 
nach ihrer Meinung anderswo versagt geblie- 
ben wären. Aber der iunge Eugen, der von Kind- 
heit an den König in den Salons des elterlichen 
Hauses erlebt hatte und dessen faszinierendem 
Äußeren wie seinem kriegerischen Mut erlegen 
war, hatte schon früh seine Wahl getroffen: Er 
würde Soldat werden, trotz seiner schwächlichen 
und kränklichen Konstitution, trotz seines unge- 
fälligen Äußeren. Gestützt auf die ihm eigene 
Standhaftigkeit und Willenskraft, ließ er sich 
weder von widrigen Umständen, von Krankhei- 
heiten, beirren, noch von der Tatsache, daß 
seine Mutter und mit ihr die ganze Famili in 
 
Ungnade fielen, sondern er wartete die günstige 
Gelegenheit ab und widmete sich unterdessen 
dem Studium der 
Geographie, der Ge- 
1 Martin Brunner. Auf den Sieg bei Zenta. Bronze, 
Z 43 mm. 
Vorderseite: Personifikation der Theiß; 
Rückseite: der Ort der Schlacht. - lnv.-Nr. 9869 
2 Martin Brunner. Die Niederlage Catinats an der 
Etsch. Bronze, G 47 mm. lnv.-Nr. 9318. 
Vorderseite: Büste des Prinzen Eugen. 
Rückseite: Das Schlachtfeld an der Etsch 
3 Martin Brunner. Auf die Gefangennahme Vil- 
lerois in Cremona. Silber, 40 mm, lnv.-Nr. 
9320,11. 
Vorderseite: Die Fama bläst in eine Trompete 
und erschreckt eine Gruppe von gallischen 
Hähnen. 
Rückseite: Viktoria; blasende Winde verbiegen 
die drei französischen Lilien 
4 Martin Smeltzing. Auf den Sieg von Höchstädt. 
Blei versilbert, D 56 mm, lnv.-Nr. 8647. 
Vorderseite: Die zwei Heerführer Prinz Eugen 
und Herzog van Marlborough im Profil. 
Rückseite: Ansicht des Schlachtfeldes 
5 Martin Brunner und Georg Friedrich Nürnber- 
ger. Auf den Sieg von Höchstädt. Silber, Z 47 
mrn, lnv.-Nr. 9322. 
Vorderseite: Die beiden siegreichen Heerführer 
(s. Abb. 4) knien auf dem Feld. 
Rückseite: Ansicht der Schlacht 
6 Georg Hautsch. Auf den Sieg von Hächstädt. 
Silber, ß 37 mm, lnv.-Nr. S141. 
Vorderseite: Büste des Prinzen Eugen. 
Rückseite: Der Engel des Herrn wütet im Feld 
der Assyrer 
Die Übersetzung des italienischen Textes wird Frau 
Dr. Barbara Wally vorn Romanistischen Institut der 
Universität Salzburg verdankt. 
Der Beitrag von Frau Direktor Fava erschien in italie- 
nischer Sprache in: Antichitä Viva, 7. Jg., 1968, Heft 
Nr. 2. „Alte und moderne kunst" dankt dem Heraus- 
geber van „Antichitä Viva", Herrn Dr. Pietro Milane, 
Florenz, für die Erlaubnis der deutschsprachigen 
Veröffentlichung. 
schichte, der Strategie, der Ballistik 
allen anderen Wissenszweigen, die ihm 
Tages bei der Realisierung seines Plan- 
Nutzen sein könnten. Aber das Schicksal 
beschlossen, daß er, statt ein großer G: 
im Dienste Ludwigs XIV. zu werden, r 
gefürchtetster Feind wurde. Erniedrigt durc 
ihm vom König verweigerte Audienz l 
sich Eugen im Jahre 1682 nach Wien, i 
Hoffnung, die Stelle seines verstorbenen B 
antreten zu können, der den Rang des l 
mannes eines kaiserlichen Dragonerregi 
innegehabt hatte: eine schwere Enttäus 
erwartet ihn, denn die Stelle ist schon c 
weitig vergeben. Eugenio muß sich dam 
finden, seine erste Kriegserfahrung als ein" 
Freiwilliger in den Truppen seines Cousin 
Markgrafen von Baden, zu machen. Glei 
als Beobachter stellt Eugenio während de 
kenbelagerung Wiens im Jahre 1683 einer 
gleich zwischen dem von ihm als Kind s 
wunderten, bestens organisierten fronzös 
Heer und dem vielgestalten und zergliei 
 
kaiserlichen Heer an, und er erkennt sog 
daß nur eine eiserne Ordnung das le 
zu retten imstande wäre. Mit Schaudern sir 
zu, wie den frommen Begräbnissen der Ge 
nen raubgierige Plünderungen folgen, ur 
beschließt, seinen eigenen Herren, wenn t 
dereinst führen werde, solch entwürdigendi 
bräuche zu verbieten. 
lm darauffolgenden Jahr erhält Eugen, 
auch weniger aufgrund erworbener militäri 
Verdienste als vielmehr mittels diplamati 
Interventionen und Empfehlungen, endlich 
Generalsrang und kann nun darangehen, 
Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Und : 
innerhalb weniger Jahre tragen die ihn 
Freunden und Vorgesetzten ausgestellten i 
nisse schmeichelhaften, wenn nicht propheti: 
Charakter. 
Nach aber hat die Reihe seiner glanzvo 
Unternehmungen nicht begonnen! Zuvor n 
er im Jahre 1688 eine schwere Verwun 
und die darauf folgende Rekonvaleszenzzeit 
stehen. Er mußte aber auch noch 
seines hohen Ranges die Ketten der Abhä 
keit von seinem Cousin Vittario Amede 
sprengen, dern er eine Allianz mit den K: 
lichen gegen die Franzosen im Religions 
obgerungen hatte. Als er schon daranging 
nen Traum zu verwirklichen, nämlich in F 
reich einzumarschieren und König Ludwig
	        
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