Anna Serena Fava
Die Medaillen auf Prinz
Eugen in den Turiner
Sammlungen
Als im ausgehenden 17. und im 18. Jahrhundert
die heutigen Kommunikations- und Propaganda-
mittel noch unbekannt und vielleicht sogar unvor-
stellbar waren, was konnte damals wirkungsvol-
ler als Medaillen Gedenken und Erinnerung an
mühsam erworbenen Ruhm im Volk verbreiten
und wachhalten? Es ist nicht weiter erstaunlich,
daß zur Verewigung der legendären Unter-
nehmungen des Prinzen Eugen von Savoyen-
Soissons, den Napoleon einen der sieben größ-
ten Heerführer aller Zeiten nannte, ein ganzer
Trupp von Münzgraveuren am Wiener Hof und
bei verschiedenen Kurfürsten beschäftigt war:
Brunner, Hautsch, Nürnberger, Müller, Vestner,
Fuchs, Werner, Smeltzing, Richter (und andere,
deren Werke im Turiner Museum nicht vertreten
sind) wetteiferten mit hochwertigen, teils alle-
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gorischen, teils historisch getreuen Gravuren im
Lobpreis der Siege dieser außergewöhnlidten
Persönlichkeit, deren schwierige Kindheit, mit
all ihren Kämpfen, Demütigungen, Intrigen, Ge-
heimnissen und, trotz der hohen Geburt, mit
ihrem Elend, die Phantasie der Biographen in
solchem Maße entzünden mußte, daß es heute
schwierig erscheint, Produkte der Einbildungs-
kraft von der nackten Realität zu trennen. So-
wohl die Abstammung mütterlicherseits vom in-
triganten und listigen Kardinal Mazarin wie
die wenig beispielhafte Lebensführung, die Olym-
pia Mancini, Prinzessin von Savoyen-Soissons
zugeschrieben wurde, ihre Praktiken der Zaube-
rei und Giftmischerei, ihre keineswegs nur brü-
derliche Freundschaft mit dem Sonnenkönig -
daher fanden Hofstimmen die Existenz des „klei-
nen Abbate von Savoyen" gar nicht seltsam -
als auch letztlich die schillernde Persönlichkeit
des unbesiegten und großmütigen Heerführers
selbst, all dies kann als ausreichendes Motiv
dafür gelten, daß dem Leben Eugens ein
romanhaftes Kolorit angedichtet wurde. Als fünf-
ter Sahn der Olympia und des Eugen Maurizio
von Savoyen-Sossons hatte Eugen in seiner Kind-
heit lange darum zu kämpfen, der Familie, die
traditionsgemäß einen Geistlichen aus ihm machen
wollte, mit äußerster Standhaftigkeit seine Be-
rufung zum Kriegsdienst aufzuzwingen, Denn
neben seiner Stellung in der Familie als jüngster
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Sohn trugen sein schwächlicher und unbehol-
fener Körper und sein angeblich unschönes, ver-
unstaltetes Antlitz - wie wir sehen werden, wider-
sprechen die Medaillen dieser Aussage - nicht
wenig zur Entscheidung der Familie bei, die wohl
vermeinte, ihm durch das priesterliche Gewand
iene Einkünfte verschaffen zu können, die ihm
nach ihrer Meinung anderswo versagt geblie-
ben wären. Aber der iunge Eugen, der von Kind-
heit an den König in den Salons des elterlichen
Hauses erlebt hatte und dessen faszinierendem
Äußeren wie seinem kriegerischen Mut erlegen
war, hatte schon früh seine Wahl getroffen: Er
würde Soldat werden, trotz seiner schwächlichen
und kränklichen Konstitution, trotz seines unge-
fälligen Äußeren. Gestützt auf die ihm eigene
Standhaftigkeit und Willenskraft, ließ er sich
weder von widrigen Umständen, von Krankhei-
heiten, beirren, noch von der Tatsache, daß
seine Mutter und mit ihr die ganze Famili in
Ungnade fielen, sondern er wartete die günstige
Gelegenheit ab und widmete sich unterdessen
dem Studium der
Geographie, der Ge-
1 Martin Brunner. Auf den Sieg bei Zenta. Bronze,
Z 43 mm.
Vorderseite: Personifikation der Theiß;
Rückseite: der Ort der Schlacht. - lnv.-Nr. 9869
2 Martin Brunner. Die Niederlage Catinats an der
Etsch. Bronze, G 47 mm. lnv.-Nr. 9318.
Vorderseite: Büste des Prinzen Eugen.
Rückseite: Das Schlachtfeld an der Etsch
3 Martin Brunner. Auf die Gefangennahme Vil-
lerois in Cremona. Silber, 40 mm, lnv.-Nr.
9320,11.
Vorderseite: Die Fama bläst in eine Trompete
und erschreckt eine Gruppe von gallischen
Hähnen.
Rückseite: Viktoria; blasende Winde verbiegen
die drei französischen Lilien
4 Martin Smeltzing. Auf den Sieg von Höchstädt.
Blei versilbert, D 56 mm, lnv.-Nr. 8647.
Vorderseite: Die zwei Heerführer Prinz Eugen
und Herzog van Marlborough im Profil.
Rückseite: Ansicht des Schlachtfeldes
5 Martin Brunner und Georg Friedrich Nürnber-
ger. Auf den Sieg von Höchstädt. Silber, Z 47
mrn, lnv.-Nr. 9322.
Vorderseite: Die beiden siegreichen Heerführer
(s. Abb. 4) knien auf dem Feld.
Rückseite: Ansicht der Schlacht
6 Georg Hautsch. Auf den Sieg von Hächstädt.
Silber, ß 37 mm, lnv.-Nr. S141.
Vorderseite: Büste des Prinzen Eugen.
Rückseite: Der Engel des Herrn wütet im Feld
der Assyrer
Die Übersetzung des italienischen Textes wird Frau
Dr. Barbara Wally vorn Romanistischen Institut der
Universität Salzburg verdankt.
Der Beitrag von Frau Direktor Fava erschien in italie-
nischer Sprache in: Antichitä Viva, 7. Jg., 1968, Heft
Nr. 2. „Alte und moderne kunst" dankt dem Heraus-
geber van „Antichitä Viva", Herrn Dr. Pietro Milane,
Florenz, für die Erlaubnis der deutschsprachigen
Veröffentlichung.
schichte, der Strategie, der Ballistik
allen anderen Wissenszweigen, die ihm
Tages bei der Realisierung seines Plan-
Nutzen sein könnten. Aber das Schicksal
beschlossen, daß er, statt ein großer G:
im Dienste Ludwigs XIV. zu werden, r
gefürchtetster Feind wurde. Erniedrigt durc
ihm vom König verweigerte Audienz l
sich Eugen im Jahre 1682 nach Wien, i
Hoffnung, die Stelle seines verstorbenen B
antreten zu können, der den Rang des l
mannes eines kaiserlichen Dragonerregi
innegehabt hatte: eine schwere Enttäus
erwartet ihn, denn die Stelle ist schon c
weitig vergeben. Eugenio muß sich dam
finden, seine erste Kriegserfahrung als ein"
Freiwilliger in den Truppen seines Cousin
Markgrafen von Baden, zu machen. Glei
als Beobachter stellt Eugenio während de
kenbelagerung Wiens im Jahre 1683 einer
gleich zwischen dem von ihm als Kind s
wunderten, bestens organisierten fronzös
Heer und dem vielgestalten und zergliei
kaiserlichen Heer an, und er erkennt sog
daß nur eine eiserne Ordnung das le
zu retten imstande wäre. Mit Schaudern sir
zu, wie den frommen Begräbnissen der Ge
nen raubgierige Plünderungen folgen, ur
beschließt, seinen eigenen Herren, wenn t
dereinst führen werde, solch entwürdigendi
bräuche zu verbieten.
lm darauffolgenden Jahr erhält Eugen,
auch weniger aufgrund erworbener militäri
Verdienste als vielmehr mittels diplamati
Interventionen und Empfehlungen, endlich
Generalsrang und kann nun darangehen,
Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Und :
innerhalb weniger Jahre tragen die ihn
Freunden und Vorgesetzten ausgestellten i
nisse schmeichelhaften, wenn nicht propheti:
Charakter.
Nach aber hat die Reihe seiner glanzvo
Unternehmungen nicht begonnen! Zuvor n
er im Jahre 1688 eine schwere Verwun
und die darauf folgende Rekonvaleszenzzeit
stehen. Er mußte aber auch noch
seines hohen Ranges die Ketten der Abhä
keit von seinem Cousin Vittario Amede
sprengen, dern er eine Allianz mit den K:
lichen gegen die Franzosen im Religions
obgerungen hatte. Als er schon daranging
nen Traum zu verwirklichen, nämlich in F
reich einzumarschieren und König Ludwig