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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXII (1977 / Heft 153)

Für den Kunstsammler }( 
 
Franz Wagner 
Barockes Silber im neuen 
Mattseer Stiftsmuseum 
Anlößlich der 1200-Jahr-Feier des Kollegiatstiftes 
Mattsee konnte am 17. Juni 1977 das neue Stifts- 
museum eröffnet werden. Wichtig ist dabei, daß 
alle Ausstellungsstücke historisch gewachsener 
Besitz des Stiftes sind. Die ehemalige Wohnung 
des Propstes im ersten Stock über dem Kreuzgang 
nördlich der Stiftskirche - im wesentlichen 1774 - 
1779 durch den Salzburger Hofbauverwalter 
Wolfgang Hagenauer ausgestattet - bildet nach 
den erfolgten Restaurierungen die Räume des 
von Mai bis Oktober geöffneten Museums, 
Nur aus dem 17. und 1B. Jahrhundert haben sich 
sakrale Galdschmiedearbeiten in der Mattseer 
Schatzkammer erhalten. Zwar haben schon am 22. 
Jönner des Jahres 1336l Diebe die Mauer der 
damaligen Sakristei untergraben und alle Klein- 
odien, Keldie und Reliquiare geraubt, was bei der 
Bedeutung des Stiftes gewiß auf einen wichtigen 
Kirchenschatz schließen läßt. Auch fehlen iegliche 
lnventare. Durch den Niedergang des Stiftes im 
16. Jahrhundert schließlich können wir uns also vom 
vorgegenreformatorischen Mattseer Kirchensilber 
kein Bild mehr machen. Nur ein einziges Werk 
hat alle die Diebstähle, Verkäufe und „Moderni- 
sierungen" überlebt, ein „Bittgangskreuz" aus den 
Jahren um 1520, das auf der Ausstellung „Spätgotik 
in Salzburg - Plastik und Kunstgewerbe" zu sehen 
war und im zugehörigen Katalog? beschrieben ist. 
Eigenartig war der Zustand bis zur Säkularisation, 
daß das weltpriesterliche Kallegiatstift Mottsee zwar 
in landesfürstlicher Hinsicht zum Reichsfürstentum 
und Erzbistum Salzburg gehörte, als kirchlicher 
Ordinarius aber der Bischof von Passau fungierte. 
So hat auch die 81 cm hohe Turmmonstranz, die 
in merkwürdiger Verbindung die gotische Form des 
Aufbaues mit dem figuralen Dekor der Zeit um 1600 
verschmilzt und die wohl eines der besonders 
bedeutenden Stücke der gesamten Stiftssammlung 
darstellt, der Passauer Goldschmied Hans Reichen- 
perger in den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts 
im Auftrag des kunstsinnigen StiftsdechanteM 
Johannes Kuen angefertigt. Es wäre eingehender 
Untersuchung wert, ob auch diese Vermischung 
spütgotischer Gesprenge, Baldachine und Wimperge 
mit dem Figurenstil und den gegenreformatorischen 
Christus- und Marienemblemen ein Beispiel für 
iene Sehnsucht nach der „guten, alten Zeit" - der 
vor der Reformation - darstellt, die in der soge- 
nannten Nachgotik der Zeit um 1600 ihren eigen- 
tümlichen Ausdruck gefunden hat. Das Beschau- 
zeichen der Stadt Passau und die Meistermarke 
des Hans Reichenperger (HR im Schild] geben ein- 
deutig die Entstehung an; an der inneren Unterseite 
des Lunulagehäuses sind auch ein Beschauzeichen der 
Stadt Salzburg und die Meistermarke des in der 
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Salzburg 
tätigen Hans Jakob Scheibsradt (HIS im Dreipaß) 
angebracht. Diese Salzburger Zeichen weisen nur 
auf die Erneuerung des zierlosen, glatten Lunula- 
gehöuses durch Scheibsradt hin, können also auf 
keinen Fall zu der Annahme verleiten, 
daß hier eine gotische Monstranz im Barock 
„umgemodelW worden wäre. 
Eine Garnitur von sechs Altarleu-chtern wurde 1663 
in Augsburg erworben; neben dem Becchauzeichen 
von Augsburg (R 2, 151) befindet sich die noch 
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