. Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Bundesministerium für Wissenschaft
und Forschung
26. Oktober 1977 - Nationalfeiertag
„Tag der offenen Türen"
in den Bundesmuseen
Ständige Einrichtung seit Jahren ist der „Tag der offenen
Tür" in den Bundesmuseen an diesem bedeutsamen Staats-
feiertag der Republik Österreich. Als würdi e „Feiern im
Museum" längst etabliert, veranlaßte das undesministe-
rium für Wissensdiaft und Forschung Astets die einzelnen
Museen zu reidien Sonderprograirimen in für das Publikum
feierlidiem Rahmen. Mit dem Anlaß verbindet sich zugleidi
hier besonders die Möglichkeit, einem erweiterten Kreis und
va_r allem den lüngeren Bürgern und Kindern nidii nur Ein-
blick in das eine oder andere Museum zu geben, sondern
gleichzeitig audi ihnen vor Augen zu führen, welche „Schät-
ze" sie zur Erbauung, zum eiaenen Nutzen und Gebrauch
besitzen Ein „S_taatsvermögen" in unermeßlichen Werten
sozusagen, das idiireds, iahrein zu ihrer freien Verfügun
steht. Vielleicht ist das dem einzelnen nicht immer glei
be_wußt und sollte an einem soldien Festtag gleichwohl
starker empfunden werden können.
Das Usterreichische Musum für angewandte Kunst hat, wie
die anderen Bundesmuseen auch, unter Mitwirkung des Di-
rektors und der akademischen Kräfte und im Verein mit den
gerade stattfindenden Ausstellungen im Hause ein dichtes
Programm zu bieten._ln halbstündigem Rhythmus beginnen
Um 9.30 Uhr die Veranstaltungen und rriiiren durch die
Sammlungen und Bibliothek mit speziellen Themen. Bisher
war man es gewohnt, den Erfolg dieses Tages an den ge-
kommenen Besuchern abzumessen. Wir meinen, so erfreu-
lich es auch ist, hohe Besudterzahlen zu erreichen, solches
als nicht letztes Kriterium anzusehen. Doch sicher, iedes
Museum freut sich, neue Besucher zu gewinnen. I. n.
Blickpunkte
„Nadisommar" 1977
Im Stammhaus am Stubenring ist es ruhiger geworden.
Verweilende Besucher genießen die Stille im Säulenhaf,
empfinden das Plätschern des Wandbrunnens van Teirich
als etwas Seltenes, kaum mehr Vernehmbares in dieser
laut ewordenen Welt. Alle größeren Ausstellungen, die
vdn en Festwochen dn liefen, sind inzwischen d geräumt
worden: „Schweizer Fotografen von m0 bis heute,"
„Zwischen Industrie und Kunst" - Textilabteilung der
staatlichen Akademie der bildenden Künste Stuttgart!
Klasse Professor Wollner und „Hans Mavr - Amerikanische
Impressionen _77". Desgleichen ist die große Bibliothek-
schau „Das Bild der Antike in Renaissance und Barock"
abgeräumt worden. Den in- und ausländischen Besuchern
wurde ein dichtes und interessantes Programm geboten.
Verblieben ist nach der urseiieii „Wiener Porzellan - echt
oder gefälscht" die Kop elungsschau der Porzellonsamm-
lung „OTIQIIIDI, Kopie, älschung" (siehe unten).
Zu den Außenstellen: Sdiloß Iliegersburg hat mit der
heurigan Schau „Holzschnitzereien und ntarsien aus fünf
Jahrhunderten" ein äußerst positives Echo sowohl beim
Publikum wie auch in der Presse gefunden. Wenn man
bedenkt, daß trl verhältnismäßig kleinem Rahmen doch eine
Fülle qualitätvoller Obiekte gezeigt wird, ist dem
Besucher, der meist von weit herkommt, eine echte Be-
reicherung geboten. Dias schlägt sich auch in verstärktem
Interesse nieder und rechtfertigt das Bemühen. Auf Schloß
Halbturn läuft die „Kunst des lslam", die total aus
Beständen des Museums erstellt wurde, in die Endphase.
Befürchtungen, daß nach den Bild-Tapisserien des Kunst-
historisdien Museums die nur ornamentalen, orientalischen
Teppiche nicht ankommen würden, stellten sich als unbe-
gründet heraus. Überdies kannte durch die Erweiterung
in den kunstgawerblidien bzw. dokumentarischen Bereichen
dieses Ausstellungbild günstig abgerundet werden. Auch
hier konstantes Besucherinteresse, vor allem des ausländi-
schen Publikums. In Sdtloß Grafenaggr der „So-gut-wie
Außenstelle", machte man erste Zwischenbilanz. Bei
Redaktionssrhluß vermerkte man ein „ ewisses" Nach-
lassen des gewohnten Besucherzuspru s. Die Werbe-
trommel, neuerlidi gerührt, soll hier Abhilfe schaffen.
Audi in Schloß Grafenegg kann nicht immer alles auf
Hochtouren laufen - man ist hier durch ein reiches
Sonderprogramm verwöhnt -, und ruhige Tage sollen
nicht unbedingt zu falschen Schlüssen verleiten. In
Schlaf! Petronell ging und geht alles seinen gewohnten
Gang, zwar ohne große Höhepunkte, da keine Sonder-
ausstellung etabliert ist, aber nach wie vor der bekannte
und ergänzte sidnd von Kunstgewerbe bedeutet für den
Besucher immer wieder Bereicherung einer Kunstfahrt in
historischg Landschaft. Vermieden konnte zu guter Letzt
auch eine befristete Schließung des Geymüller-Schlosselsl
Sammlung Sobek werden, was von den Besuchern mit
Genugtuun registriert wurde.
Inzwischen ereitet man sich im Stammhaus auf die
Aktivitäten des Herbstes vor. Im Zuge des kulturellen
Austausches zwischen Usterreich un Japan findet im
Fernen Osten van Ende September 1977 bis Ende Februar
1975 eine Ausstellung von „Japanischen Forbholzsctinitten
aus der Kunstblättersarnmlung des Uslerreictiischen
Museums für angewandte Kunst" statt. Ursprünglidi als
eine Schau von 150 Ukiyoa-Blättern geplant, die in den
Museen der Städte Yamagate, Sendai, Morioka, Aamori,
Akita, Kariyame, Nii ata, Tokyo und Kyota laufen sollte,
hat sich als zwedunägig herausgestellt, 300 Farbholz-
schnitte als Auxxtellungvolumen festzulegen. Damit kann
man in zwei Gruppen in je vieren der Städte länger
verbleiben.
Anschließend sei noch eine Voraussdiau auf die Porzellan-
seminare des Usterreidiisdien Museums für angewandte
Kunst, die sich ständig steigender Nachfra e erfreuen,
gegeben. Nach den mit großem Erfolg im usamnienhang
mit der Ausstellung „Wiener Porzellan - edit oder ge-
fälscht?" von Dr. Waltraud Neuwirth und akad. Ober-
restaurator Ludwig Neustifter abgehaltenen Seminaren zum
Thema der genannten Ausstellung hält Dr. Waltraud
Neu irth im Herbst 1977 nun Seminare zum Thema
„Meißener Marken" in Verbindung mit der Ausstellung
„Original, Kopie, Fälsdtun - Euro äisdies Porzellan
und Keramiken der Firma amson, aris". Da die ersten
drei Seminartermine sofort ausgebucht waren, sollen
weitere eingeschoben werden.
Interessenten werden gebeten, sidi mit Dr. Waltraud
Neuwirth, Ustarrejdiisdies Museum für angewandte Kunst,
A-10I0 Wien, Stubenring 5, in Verbindung zu setzen. Für
ausländisdie lnteressenten sind Seminare im Sommer
T978 geplant} I. n.
50
Original - Kopie - Fälschung
Europäisches Porzellan und Keramiken der
Pariser Firma Samson
Altes Haus, Eitelbergersaal, Wien l.,
Stubenring 5 - 15. 5.-31. 10. 1977
Eine verstärkte „Aufklärungskampagne" in Sachen
Porzellan „echt oder gefälscht", sozusagen in
Koppelung mit der Urschau gleichen Titels - inzwi-
schen weit gereist und weiter reisend - startete man
spontan. Diesmal ist es die seinerzeit den Welt-
markt dominierende Pariser Keramikfirma Samson -
1906 mit Obieklen in das Österreichische Museum
für Kunst und Industrie eingezogen -, die sozusagen
eine Anschlußschau bestreitet. Bei Redaktionsschluß,
nach Abräumung aller laufenden Ausstellungen,
einzige aktive Ausstellungsveranstaltung im
Stammhaus, wirkt sie dem Herbst voraus, der zur
Sache ein reich akzentuiertes Aktivitätenprogramm
mit Seminaren, Dia-Vorträgen und Führungen
bringen soll. Als Erweiterung und um mit dem
Publikum noch intensiver in Kontakt zu kommen,
haben die Initiatoren der Schau, Dr. Waltraud
Neuwirth und akad. Oberrestauratar Ludwig
Neustifter im Verein mit Fachoberinspektor Konrad
Keusch - dem umsichtigen Sachwalter der „zer-
brechlichen" Sammlungen - dem Publikum die
Möglichkeit geboten, in einer „Vitrine des Publi-
kums" eigene Obiekte zu zeigen. Also
Porzellanobiekte außermusealer Provenienz,
die z. T. mit Obiekten des Museums konfrontiert
werden. So greift man die direkte, abkürzende
Methode auf, um rascher als bisher sichtbare
Ergebnisse und Fakten am Obiekt allgemein und
breiter öffentlich aufzuzeigen. Und das Publikum
nimmt regen Anteil. Wir erfahren in der Praxis
immer wieder, daß sich Obiekte, von denen man
tatsächlich auf den ersten Anschein meint, daß sie
echt sind, letzten Endes zwar als äußerst gelungene,
iedoch unoriginale Schöpfungen erweisen. Oft
fällt es selbst dem gewiegten Fachmann und Ken-
ner schwer, auch nach eingehendster Prüfung die
Echtheit eines Ohiektes festzustellen. Wir haben
es erlebt, daß, wie in unserem Falle Direktor W.
Hofrat Prof. Dr. Wilhelm Mrazek wie auch Dr.
Waltraud Neuwirth gemeinsam schon vor manchem
Rätsel standen, um dann in mühevoller Kleinarbeit
„Klärungen" ab echt oder gefälscht, kopiert oder
verfälscht oder imitiert herbeizuführen. Ein äußerst
heikler langwieriger Prazeß, dem über Markenein-
schau, Material- und Dekorüberprüfung, Güte und
Qualität der malerischen Komponente hinaus, oft
nur das zutiefst erfahrene und untrügliche „Gespür"
des wirklichen Kenner: zum Erfolg verhelfen kön-
nen. Die Ausstellung, als spontane Idee geboren,
ist eine jener durchdachten mustergültigen Präsen-
tationen, wie man sie in diesem Sammlungsbereich
nachgerade gewöhnt ist. Umfassende Obiektaus-
wohl in klaren Konfrontationen, bei der „schein-
bare" Kongruenzen im besten Sinne verwirrend
wirken. Informierende eingehende Dokumentation
in Text und Markenübersicht, eine wohltuend
klare intime Beschau- und Verweilszene auf engem
Raum, aber nichts gedrängt. Die „Samson-Porzel-
lane", hochqualitativen Produkten der renommierten
Manufakturen wie Meißen, Wien und Sävres noch-
produzierl und als solche „verka ff", sind ein
hervorragendes „Lehrpotentialßlhas, selber auto-
nome Imitation, Fälschung und Verfälschung, diese
deutlich ablesbar manifestiert.
Immer wieder erstaunlidi ist, wieviele Sammler oder
Private einen vermeintlichen Schatz zu Hause zu
entdecken vermeinen. Ein Gang zum Experten in
das Museum ist wie ein Gang zum Arzt: ungewiß,
die Diagnose völlig offen. Wenigen Bestätigungen
einer „Originalität", folgen in der Regel um so
mehr Enttäuschungen. In der Publikation zur
Ausstellung wird das Kriterium noch einmal in
fünf wesentlichen Punkten zusammangefaßt: Über-
prüfung des Materials (Porzellan, Glasur, Farben-
palette), der Markenzeichen und Signaturen, der
Technik, der lkanographie und last, nat least das
Stils.
Nicht immer oder sogar meist nicht, wird sich der
Unkundige selber helfen können. Man kann daher,
von seiten des Museums, nie genug „aufklärend"
wirken. Das wird das Aktivitätsprogramm zu dieser
weiterlaufenden Ausstellung im kommenden Herbst
zeigen (siehe auch „Blickpunkte").
Schweizer Fotografen von 1840 bis heute
Neues Haus, Ausstellungshalle
Wien l., Weiskirchnerstraße 3
17. 6.-31. 7. 1977
Eine der größten Unternehmungen für die Foto-
grafie in der Schweiz war diese Ausstellung. Zu Recht
ein Pionierunternehmen, basierend auf einer sorg-
fälligen und von Notwendigkeiten bestimmten,
selektierten Auswahl sdiweizerischen fotografischen
Schaffens von seinen Anfangen bis zur unmittelbaren
Gegenwart. Wie in allen ähnlich gelagerten
Fällen mußte die von der Stiftung Pro Helvelia in
Zusammenarbeit mit der schweizerischen „Stiftung
für die Fotografie" erstellte Ausstellung, 1974 im
Zürcher Kunsthaus erstmals gezeigt, erheblich
gestrafft werden, um als Wanderausstellung brauch-
bar zu sein. Man war sich klar darüber, daß dies
nur einen ersten Versuch ergeben konnte, und
erwähnenswert ist vor allem das zurückgreifen auf
fotobildnerisdieVersuchevon Amateuremdie in ihrer
temporären Aktualität zum Teil hochinteressontes
Material mitliefern. Schulter an Schulter mit den
professionellen Meistern der Fotografie konnten
diese die sachlich sehr gut geordnete Übersicht-
hier im Haus fast unter den gleichen Voraussetzun-
gen wie in der Urschau in Zürich aufgebaut -- ent-
scheidend aufwerten. Man hat auch in der Schweiz,
wie übrigens in Österreich auch, erkannt,wienotwen-
dig es ist, der Fotografie innerhalb der Kunslgattun-
gen den ihr gebührenden Platz zu geben. 1971 ge-
schah dies in der Schweiz institutionell und nominell
mit der Gründung der „Stiftung für die Fotografie".
Ein geordneter Themenkreis, ausgehen vom „Bild
der Natur" und dem „Bild des Menschen" als fra-
gende Hauptserien der Ausstellung, behandelte weit
über das schweizerische lokale Geschehen hinaus
internationale Ereignisse und Sensationelles bis in
den kosmischen Bereich, der die Gegenwart
besonders prägt p. e. „Wandel der Natur" im Laufe
eines Jahres in 52 Aufnahmen. „Historische
Momente" und „Faits divers" quasi als Ursprung,
vermerken vor allem im Bild die Vergangenheit und
Entwicklung des Schweizers und der Schweiz in kon-
zentriertester uncl typischsterWeise. Man zeigte unter
dem Thema „Hintergrund und IlIusion" Menschen
des Alltags um die Jahrhundertwende vor illusio-
nierenden südlichen Hintergründen, man begegnete
dem „Porträt des Kollektivs", eindrucksvoll die
breite Ansicht eines Konzils- und eines Skimora-
thons als signitikanteste Beispiele. Dann dem „Por-
trät des Menschen", mit treffenden Charakteristiken,
der Porträtfotografie von Künstlern - groß heraus-
gestellt Marc Hodler, Giacometti, Dali. Eine weitere
große Gruppe: „Moment, Bewegung, Montage,
Experiment und Möglichkeiten". Der erstarrte
Moment an sich regiert hier, die Tausendstel-Sekun-
de, die ermöglichte, daß z. B. der schlöngelnd ver-
formte Pneu über einem Radbruch in einem Radren-
nen schärfstens, in der Luft als feste Farm stehen-
geblieben war. Meisterleistung, Zufall? - Zu dieser
Gruppe zählte das Motiv des Ausstellungsplakates
mit dem lapidaren Titel „Zirkus". Eine Kontrasitua-
tion: Vorstiirmendes Pferd, rückspringender Clown
in „die Tiefe" des Hintergrundes. Neben dem
erstarrten Moment auch Bilder, die Bewegung
Wiedergaben, Phasen, Serielles.
Eines der stärksten Kapitel, audi von den Suiets
her selbstredend, die fotografische „Repartage".
Zum Teil Sensationellstes, Schauriges, sarkasti-
scher Bildwitz. Schreckensbilder aus Bangladesh
und Biafra, nur zu bekannt, Aufstand in Ungarn und
iene sattsam bekannten Aufnahmen, die sid1 z. T.
groteskeslar Beispiele aus Nazi-Deutschland mit
deklarierender Ironie bedienten. Ja selbst die
Zürcher Unruhen vorn Jahre 1968 und iene in Tokio
vom Jahre 1970 fehlten nicht, auf denen Polizisten
mit martialisdien Großschilden eine Phalanx gegen
Studenten bildeten. Ein düsteres Bild, in seiner
„Formiertheit" an Ucella anklingend. Daß kurz die