Schwiegervaters Friedrich Sustris dessen führen-
de Stellung am Münchner Hofe übernommeni
Als Organisator ist er nicht nur für den Hof,
sondern auch für den ländlichen Raum tätig, der
vor allem nach Kirchenkunst verlangte. In seiner
Heimatstadt Weilheim organisierte er einen
blühenden Kunstbetrieb, dem offenbar sein
Schwager Hans Degler vorstand5. Diese Weil-
heimer Schule arbeitete für den gesamten Um-
raum, von Tirol bis Oberösterreich. In Ober-
österreich ist sie zum ersten Male in Spital am
Pyhrn taßbar, für dessen Klosterkirche 1610 in
München ein Vertrag zu einem Marienaltar un-
terzeichnet wirdf. Der Vorgang war dermaßen,
daß Krumper eine Skizze für die Altararchitek-
tur lieferte, die Ausführung iedoch in den Hän-
den der Weilheimer Künstler lag. Die nächste
Vermittlung Krumpers für Oberösterreich waren
1614 die Altäre der Stiftskirche von Kremsmün-
steri. In diesem Falle ist der Hochaltar, der
iedoch nur ein Umbau ist, in der Kirche von
Grünau erhalten". Die Weilheimer Schule hat
noch weitere Altäre in Oberösterreich geschaf-
fen, an deren Vermittlung Krumper vielleicht
nicht mehr beteiligt war. Hans Spindler, ein
Schüler Hans Deglers und Verwandter des Ab-
tes von Garsten, Anton Spindler, schuf die Altäre
der Stiftskirche von Garsten. Das Wirken der
Weilheimer Schule in Oberösterreich ist inso-
ferne von Bedeutung für das Kunstgewerbe, als
in diese Arbeitsgemeinschaft auch Tischler in-
volviert waren, die für die Möbelkunst in Ober-
österreich wichtig sind. Gleichzeitig waren die
künstlerischen Persönlichkeiten Friedrich Sustris'
und Hans Krumpers von überragender Bedeu-
tung für die Entstehung des Barockstils in Bayern
und durch die Weilheimer Schule auch in Ober-
Österreich.
Möbel
Es ist eine betrübliche Tatsache, daß ein Groß-
teil der alten Einrichtungsgegenstände der Klä-
ster in der großen Bauzeit um 1700 von ihrem
ursprünglichen Standort entfernt und teilweise
verschwunden ist. ln dieser Zeit war es auch,
daß die prächtigen Altäre der Weilheimer Schu-
le entfernt wurden. Auch für die Entstehung der
barocken Möbelkunst war die Weilheimer Schu-
le von Bedeutung. Christoph Angermair, der
Münchner Hofbildhauer, war wie Hans Krumper
ein gebürtiger Weilheimer. Wie Kreisel erwähnt,
ist Christoph Angermair eine Schlüsselfigur für
die Entwicklung des höfischen Prunkmöbels im
Süden". Er war Schüler Johann Deglers und kam
mit Hans Krumper nach München. Ein Schüler
Deglers war auch Hans Spindler, der Schöpfer
der Garstner Altäre. Der Hochaltar, heute zum
Teil in der Spitalkirche in Eferding, ist an der
Rückseite „Hanss Spindler, Pildhauer, Hanss
Schiele, Dischler, Geörg Scheible Maaler v.
Weilhaimb in Bairn" bezeichnetm. Der Tischler
Schiele aus Weilheim sdieint von 1612-1628 in
den Rechnungen des Stiftes Kremsmünster auf".
Gesicherte Werke dieses Tischlers sind nicht er-
halten. Mit Sicherheit mit der Weilheimer Schule
in Verbindung zu bringen sind die Kästen der
Schatzkammer von Kremsmünster. Diese werden
in der Literatur als um 1676 entstanden bezeich-
net". Windisch-Graetz erkannte iedoch den en-
gen stilistischen Zusammenhang mit den 1623
datierten Sakristeikästen von Stift Garsten". In-
folge der plastischen Zutaten an den Schränken
von Kremsmünster, vor allem der Engelsköpfe,
die eine große Ähnlichkeit mit den Putten Spind-
lers an den Garstner Altären aufweisen, lassen
sich beide Möbelensembles in den Kreis der
Weilheimer Schule einbeziehen. Spindler war
ia, wie aus den Archivalien hervorgeht, sowohl
für Garsten wie auch für Kremsmünster tätig.
Aus den Kremsmünster Rechnungen geht der
Tischler der Kästen leider nicht hervor. 1676
erfolgten Zahlungen für Gesprenge und Fratzen-
füße der Kästen". Nur diese dürften offenbar
von den in diesem Jahr genannten Tischlern
Schilling und Panholzer geschaffen worden
sein". Da es sich bei den Kästen der Schatz-
kammer aus stilistischen Gründen nicht um Wer-
ke der Zeit von 1676, in der der Neubau der
Schatzkammer erfolgte, handeln kann, müssen
sie vorher anderen Orts angebracht gewesen
sein, was auch die Neuanbringung von Füßen
und Gesprenge erklärt". Die überaus große
Übereinstimmung der Kästen von Kremsmünster
und Garsten spricht dafür, daß ihnen ein Ent-
wurf zugrunde liegt. Es ist sehr naheliegend,
daß diese Arbeiten von dem Kremsmünster Hof-
tischler Hans Schiele ausgeführt wurden, der
sowohl in Garsten wie auch in Kremsmünster
arbeitete".
Ob im Falle der Möbel Hans Krumper auch die
Vorlagen lieferte, bleibe dahingestellt". Die hö-
fischen Möbel der Weilheimer Schule sind ie-
denfalls anders gestaltet, wie die zimelienhaften
Werke Christoph Angermairs beweisen". Jedoch
könnte in diesem Falle derselbe Unterschied
bestehen wie in der Plastik, wo Hans Krumper
für den Hof und die kirchlichen Gebiete zwei
völlig verschiedene Stilideale verwendet. Für die
Altarbaukunst des ersten Drittels des 17.Jahrhun-
derts sind Musterbücher von großer Bedeutung
gewesen, vor allem die 1598 erschienene dritte
Auflage des Wendel Dieterlin". Auch der Ein-
fluß Venedigs ist sehr groß. Diedrich Sustris war
der Sohn eines in Venedig lebenden Künstlers,
auch Krumper war in Venedig gewesen und
hatte dort sicher Kirchen und Dogenpalast stu-
diert.DerSeitenaltar derStiftskirche von Garsten
(heute in der Pfarrkirche von Sierning), ein Werk
der Weilheimer Schule, weist im Aufbau weit-
gehende Übereinstimmung mit dem Orgelpro-
spekt von San Sebostiano in Venedig auf, der
1558159 von Francesco Fiorentino und Domenigo
da Treviso geschaffen wurde. Die höfische Pla-
stik Krumpers hingegen ist stärker abhängig von
dem florentinischen Kunstideal des Giovanni da
Bologna und anderer Graßbildhauer. Die Kä-
sten von Kremsmünster und Garsten gehören
dem kirchlichen und nidwt dern höfischen Bereich
an. Die Münchner Hofkunst der Friedrich Sustris
und Christoph Angermair war stilbildend für
den süddeutschen Raum und huldigte einem da-
mals modernen barocken Ideal, in dem das
Schnitzmesser dominierte. Charakteristisch für
diesen höfischen Möbelstil der Zeit um 1600 ist
die Flammleiste und auch schon der Knorpel-
zierat, wie überhaupt der Bildhauer über den
Tischler dominiert. Bezeichnenderweise waren die
Entwerfer der Hofmöbel nicht nur Tischler, son-
dern auch Bildhauer und Maler.
Die Kästen von Kremsmünster und Garsten ge-
hören iedoch auch schon zum Typus des soge-
nannten „Fassadenschranks", dessen Front pla-
stisch, fassadenhaft, architektonisch durchgear-
beitet ist. Charakteristisch für den hier verwen-
deten Typus sind von reich gewinkelten Rahmen
umgebene Türfelder, Seitenpilaster sowie ver-
schiedene Elemente des architektonischen Be-
reichs. Die lntarsie ist sozusagen noch ein Relikt
aus dem 16. Jahrhundert, während die plastisch
gestaltete Möbelfassade schon den modernen
Geist des Barock verkörpert. In diesem Zusam-
menhang gehören die beiden reichen Türen zur
Sommersakristei und neuen Sakristei in Krems-
münster, die stilistisch völlig mit der reidwen
Phase des Kremsmünsterer Schrankes überein-
stimmen.
Die bereits erwähnte, 1610 datierte Decke des
Abteigebäudes von Kremsmünster stammt wohl
auch von Künstlern der Weilheimer Schule. Es
handelt sich hiebei um eine Kossettendecke,
deren Mittelfeld reich mit Schnitzzierat versehen
ist. Aus dem Garstner Stiftsbereich dürfte das
Chorgestühl der Kirdie St. Ulrich bei Steyr stam-
men. Es trägt ebenso wie der Garstner Schrank
die Initialen des Garstner Abtes Anton Spindler
(ASAZG) und ist 1618 datiert. Eine Bank, bei der
leider im 19. Jahrhundert (1872) die eingelegten
Zieraten teilweise durch plastische ersetzt wur-
den, weist die Wappen Spindlers und Garstens
auf. Das aus Bänken bestehende Gestühl ist ein-
facher gehalten als die Sakristeischränke, weist
einfache Ornamentintarsien und sich nach unten
veriüngender Seitenpilaster auf. In diesen Zu-
sammenhang zu stellen ist auch die 1612 datierte
Kanzel der Pfarrkirche von Waldhausen. Sie
weist, wie Ulm richtig erkannt hat, enge Zu-
sammenhänge mit"den Schränken von Garsten
auf". Ganz im Gegensatz zur sonstigen Kanzel-
architektur, die häufig Nischen für Figuren-
schmuck aufweist und richtunggebend für die
barocke Kanzel wird, ist die Waldhausener Kan-
zel eher wie ein Möbelstück gearbeitet. Sie
zeigt reiche intorsierte Felder und rahmende ge-
schnitzte Hermenpilaster. Es wäre demnach an-
zunehmen, daß Beziehungen der Weilheimer
Gruppe auch zum Waldhausener Chorherren-
stift bestanden haben. Wie aus der Kremsmün-
sterer Rechnungen hervorgeht, schuf Stephan Re-
gauer z. B. 1611 den Kanzeldeckel in der Kirche
der Kapuziner in Linz.
Problematischer ist die Zuschreibung von Möbeln
an die Weilheimer Gruppe, wenn sich die Ob-
iekte nicht mehr in' situ, sondern in Museen
befinden. Häufig ist hier der Herkunftsort nicht
mehr eindeutig. Die Forschung macht oft den
Fehler, in Museen oder Schlössern befindliche
Objekte mit der Provinz zu identifizieren, in der
sich Schlösser und Museen befinden. Tatsäch-
lich kann man aber mit Sicherheit nur soldie
Stücke lokalisieren, die von Anfang an als Ein-
richtungsgegenstand oder Bauelemente vorhan-
den waren, wie Türen, Decken, Kirchenmöbel
oder archivalisch belegte Stücke. Gerade die
überaus große Sammeltätigkeit der zweiten Hälf-
te des 19. Jahrhunderts macht Stücke, die aus
Schlössern kommen, von vornherein für die Lo-
kalforsdwung verdächtig, zumal diese Schlösser
gerade in dieser Zeit einem sehr starken Be-
sitzwechsel unterliegen. Die Museen selbst sind
per se eine Stätte des Sammlertums, und die
in ihnen enthaltenen Obiekte sind in den sel-
tensten Fällen belegbar. Es bedarf in diesen
Fällen der stilistischen Ähnlichkeit mit einem ge-
sicherten Objekt.
Mit der oben beschriebenen Gruppe, den Kästen
von Kremsmünster und Garsten sowie der Wald-
hausener Kanzel, hängen einige Musealobiekte
zusammen. Ähnliche Sammlungsstücke weist das
steierische Landesmuseum Joanneum auf. Die
Hauptstadt der Steiermark war ia bis zum Ende
des 12. Jahrhunderts Steyr, in unmittelbarer Nähe
von Stift Garsten gelegen, und die Zusammen-
hänge zwischen steyrischer und steierischer Kunst
sind noch im 16. Jahrhundert besonders enge.
Das Ennstal dürfte überhaupt eine kulturelle
Einheit gewesen sein. Den Typus des doppel-
geschossigen Renaissanceschrankes mit lntarsien
und Säulendekor findet man in Oberösterreich
wie in der Steiermark. Äußerst ähnlich sind die
Ofen von Schloß Würthing in Oberösterreich
und Schlaß Hollenegg in der Steiermark. Für
die im steierischen Landesmuseum befindliche
Möbelgruppe dürfte wohl Stift Garsten die Im-
pulse gegeben haben.Ein KastendesJoanneums,
von Kreisel um 1600 datiert, hängt eng mit der
Waldhausener Kanzel zusammen". Es handelt
sich um einen zweigesdiossigen Schrank, der ge-
schnitzte Hermenpilaster und eine ähnliche Intar-
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