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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXII (1977 / Heft 154 und 155)

Schwiegervaters Friedrich Sustris dessen führen- 
de Stellung am Münchner Hofe übernommeni 
Als Organisator ist er nicht nur für den Hof, 
sondern auch für den ländlichen Raum tätig, der 
vor allem nach Kirchenkunst verlangte. In seiner 
Heimatstadt Weilheim organisierte er einen 
blühenden Kunstbetrieb, dem offenbar sein 
Schwager Hans Degler vorstand5. Diese Weil- 
heimer Schule arbeitete für den gesamten Um- 
raum, von Tirol bis Oberösterreich. In Ober- 
österreich ist sie zum ersten Male in Spital am 
Pyhrn taßbar, für dessen Klosterkirche 1610 in 
München ein Vertrag zu einem Marienaltar un- 
terzeichnet wirdf. Der Vorgang war dermaßen, 
daß Krumper eine Skizze für die Altararchitek- 
tur lieferte, die Ausführung iedoch in den Hän- 
den der Weilheimer Künstler lag. Die nächste 
Vermittlung Krumpers für Oberösterreich waren 
1614 die Altäre der Stiftskirche von Kremsmün- 
steri. In diesem Falle ist der Hochaltar, der 
iedoch nur ein Umbau ist, in der Kirche von 
Grünau erhalten". Die Weilheimer Schule hat 
noch weitere Altäre in Oberösterreich geschaf- 
fen, an deren Vermittlung Krumper vielleicht 
nicht mehr beteiligt war. Hans Spindler, ein 
Schüler Hans Deglers und Verwandter des Ab- 
tes von Garsten, Anton Spindler, schuf die Altäre 
der Stiftskirche von Garsten. Das Wirken der 
Weilheimer Schule in Oberösterreich ist inso- 
ferne von Bedeutung für das Kunstgewerbe, als 
in diese Arbeitsgemeinschaft auch Tischler in- 
volviert waren, die für die Möbelkunst in Ober- 
österreich wichtig sind. Gleichzeitig waren die 
künstlerischen Persönlichkeiten Friedrich Sustris' 
und Hans Krumpers von überragender Bedeu- 
tung für die Entstehung des Barockstils in Bayern 
und durch die Weilheimer Schule auch in Ober- 
Österreich. 
Möbel 
Es ist eine betrübliche Tatsache, daß ein Groß- 
teil der alten Einrichtungsgegenstände der Klä- 
ster in der großen Bauzeit um 1700 von ihrem 
ursprünglichen Standort entfernt und teilweise 
verschwunden ist. ln dieser Zeit war es auch, 
daß die prächtigen Altäre der Weilheimer Schu- 
le entfernt wurden. Auch für die Entstehung der 
barocken Möbelkunst war die Weilheimer Schu- 
le von Bedeutung. Christoph Angermair, der 
Münchner Hofbildhauer, war wie Hans Krumper 
ein gebürtiger Weilheimer. Wie Kreisel erwähnt, 
ist Christoph Angermair eine Schlüsselfigur für 
die Entwicklung des höfischen Prunkmöbels im 
Süden". Er war Schüler Johann Deglers und kam 
mit Hans Krumper nach München. Ein Schüler 
Deglers war auch Hans Spindler, der Schöpfer 
der Garstner Altäre. Der Hochaltar, heute zum 
Teil in der Spitalkirche in Eferding, ist an der 
Rückseite „Hanss Spindler, Pildhauer, Hanss 
Schiele, Dischler, Geörg Scheible Maaler v. 
Weilhaimb in Bairn" bezeichnetm. Der Tischler 
Schiele aus Weilheim sdieint von 1612-1628 in 
den Rechnungen des Stiftes Kremsmünster auf". 
Gesicherte Werke dieses Tischlers sind nicht er- 
halten. Mit Sicherheit mit der Weilheimer Schule 
in Verbindung zu bringen sind die Kästen der 
Schatzkammer von Kremsmünster. Diese werden 
in der Literatur als um 1676 entstanden bezeich- 
net". Windisch-Graetz erkannte iedoch den en- 
gen stilistischen Zusammenhang mit den 1623 
datierten Sakristeikästen von Stift Garsten". In- 
folge der plastischen Zutaten an den Schränken 
von Kremsmünster, vor allem der Engelsköpfe, 
die eine große Ähnlichkeit mit den Putten Spind- 
lers an den Garstner Altären aufweisen, lassen 
sich beide Möbelensembles in den Kreis der 
Weilheimer Schule einbeziehen. Spindler war 
ia, wie aus den Archivalien hervorgeht, sowohl 
für Garsten wie auch für Kremsmünster tätig. 
Aus den Kremsmünster Rechnungen geht der 
Tischler der Kästen leider nicht hervor. 1676 
erfolgten Zahlungen für Gesprenge und Fratzen- 
füße der Kästen". Nur diese dürften offenbar 
von den in diesem Jahr genannten Tischlern 
Schilling und Panholzer geschaffen worden 
sein". Da es sich bei den Kästen der Schatz- 
kammer aus stilistischen Gründen nicht um Wer- 
ke der Zeit von 1676, in der der Neubau der 
Schatzkammer erfolgte, handeln kann, müssen 
sie vorher anderen Orts angebracht gewesen 
sein, was auch die Neuanbringung von Füßen 
und Gesprenge erklärt". Die überaus große 
Übereinstimmung der Kästen von Kremsmünster 
und Garsten spricht dafür, daß ihnen ein Ent- 
wurf zugrunde liegt. Es ist sehr naheliegend, 
daß diese Arbeiten von dem Kremsmünster Hof- 
tischler Hans Schiele ausgeführt wurden, der 
sowohl in Garsten wie auch in Kremsmünster 
arbeitete". 
Ob im Falle der Möbel Hans Krumper auch die 
Vorlagen lieferte, bleibe dahingestellt". Die hö- 
fischen Möbel der Weilheimer Schule sind ie- 
denfalls anders gestaltet, wie die zimelienhaften 
Werke Christoph Angermairs beweisen". Jedoch 
könnte in diesem Falle derselbe Unterschied 
bestehen wie in der Plastik, wo Hans Krumper 
für den Hof und die kirchlichen Gebiete zwei 
völlig verschiedene Stilideale verwendet. Für die 
Altarbaukunst des ersten Drittels des 17.Jahrhun- 
derts sind Musterbücher von großer Bedeutung 
gewesen, vor allem die 1598 erschienene dritte 
Auflage des Wendel Dieterlin". Auch der Ein- 
fluß Venedigs ist sehr groß. Diedrich Sustris war 
der Sohn eines in Venedig lebenden Künstlers, 
auch Krumper war in Venedig gewesen und 
hatte dort sicher Kirchen und Dogenpalast stu- 
diert.DerSeitenaltar derStiftskirche von Garsten 
(heute in der Pfarrkirche von Sierning), ein Werk 
der Weilheimer Schule, weist im Aufbau weit- 
gehende Übereinstimmung mit dem Orgelpro- 
spekt von San Sebostiano in Venedig auf, der 
1558159 von Francesco Fiorentino und Domenigo 
da Treviso geschaffen wurde. Die höfische Pla- 
stik Krumpers hingegen ist stärker abhängig von 
dem florentinischen Kunstideal des Giovanni da 
Bologna und anderer Graßbildhauer. Die Kä- 
sten von Kremsmünster und Garsten gehören 
dem kirchlichen und nidwt dern höfischen Bereich 
an. Die Münchner Hofkunst der Friedrich Sustris 
und Christoph Angermair war stilbildend für 
den süddeutschen Raum und huldigte einem da- 
mals modernen barocken Ideal, in dem das 
Schnitzmesser dominierte. Charakteristisch für 
diesen höfischen Möbelstil der Zeit um 1600 ist 
die Flammleiste und auch schon der Knorpel- 
zierat, wie überhaupt der Bildhauer über den 
Tischler dominiert. Bezeichnenderweise waren die 
Entwerfer der Hofmöbel nicht nur Tischler, son- 
dern auch Bildhauer und Maler. 
Die Kästen von Kremsmünster und Garsten ge- 
hören iedoch auch schon zum Typus des soge- 
nannten „Fassadenschranks", dessen Front pla- 
stisch, fassadenhaft, architektonisch durchgear- 
beitet ist. Charakteristisch für den hier verwen- 
deten Typus sind von reich gewinkelten Rahmen 
umgebene Türfelder, Seitenpilaster sowie ver- 
schiedene Elemente des architektonischen Be- 
reichs. Die lntarsie ist sozusagen noch ein Relikt 
aus dem 16. Jahrhundert, während die plastisch 
gestaltete Möbelfassade schon den modernen 
Geist des Barock verkörpert. In diesem Zusam- 
menhang gehören die beiden reichen Türen zur 
Sommersakristei und neuen Sakristei in Krems- 
münster, die stilistisch völlig mit der reidwen 
Phase des Kremsmünsterer Schrankes überein- 
stimmen. 
Die bereits erwähnte, 1610 datierte Decke des 
Abteigebäudes von Kremsmünster stammt wohl 
auch von Künstlern der Weilheimer Schule. Es 
handelt sich hiebei um eine Kossettendecke, 
deren Mittelfeld reich mit Schnitzzierat versehen 
ist. Aus dem Garstner Stiftsbereich dürfte das 
Chorgestühl der Kirdie St. Ulrich bei Steyr stam- 
men. Es trägt ebenso wie der Garstner Schrank 
die Initialen des Garstner Abtes Anton Spindler 
(ASAZG) und ist 1618 datiert. Eine Bank, bei der 
leider im 19. Jahrhundert (1872) die eingelegten 
Zieraten teilweise durch plastische ersetzt wur- 
den, weist die Wappen Spindlers und Garstens 
auf. Das aus Bänken bestehende Gestühl ist ein- 
facher gehalten als die Sakristeischränke, weist 
einfache Ornamentintarsien und sich nach unten 
veriüngender Seitenpilaster auf. In diesen Zu- 
sammenhang zu stellen ist auch die 1612 datierte 
Kanzel der Pfarrkirche von Waldhausen. Sie 
weist, wie Ulm richtig erkannt hat, enge Zu- 
sammenhänge mit"den Schränken von Garsten 
auf". Ganz im Gegensatz zur sonstigen Kanzel- 
architektur, die häufig Nischen für Figuren- 
schmuck aufweist und richtunggebend für die 
barocke Kanzel wird, ist die Waldhausener Kan- 
zel eher wie ein Möbelstück gearbeitet. Sie 
zeigt reiche intorsierte Felder und rahmende ge- 
schnitzte Hermenpilaster. Es wäre demnach an- 
zunehmen, daß Beziehungen der Weilheimer 
Gruppe auch zum Waldhausener Chorherren- 
stift bestanden haben. Wie aus der Kremsmün- 
sterer Rechnungen hervorgeht, schuf Stephan Re- 
gauer z. B. 1611 den Kanzeldeckel in der Kirche 
der Kapuziner in Linz. 
Problematischer ist die Zuschreibung von Möbeln 
an die Weilheimer Gruppe, wenn sich die Ob- 
iekte nicht mehr in' situ, sondern in Museen 
befinden. Häufig ist hier der Herkunftsort nicht 
mehr eindeutig. Die Forschung macht oft den 
Fehler, in Museen oder Schlössern befindliche 
Objekte mit der Provinz zu identifizieren, in der 
sich Schlösser und Museen befinden. Tatsäch- 
lich kann man aber mit Sicherheit nur soldie 
Stücke lokalisieren, die von Anfang an als Ein- 
richtungsgegenstand oder Bauelemente vorhan- 
den waren, wie Türen, Decken, Kirchenmöbel 
oder archivalisch belegte Stücke. Gerade die 
überaus große Sammeltätigkeit der zweiten Hälf- 
te des 19. Jahrhunderts macht Stücke, die aus 
Schlössern kommen, von vornherein für die Lo- 
kalforsdwung verdächtig, zumal diese Schlösser 
gerade in dieser Zeit einem sehr starken Be- 
sitzwechsel unterliegen. Die Museen selbst sind 
per se eine Stätte des Sammlertums, und die 
in ihnen enthaltenen Obiekte sind in den sel- 
tensten Fällen belegbar. Es bedarf in diesen 
Fällen der stilistischen Ähnlichkeit mit einem ge- 
sicherten Objekt. 
Mit der oben beschriebenen Gruppe, den Kästen 
von Kremsmünster und Garsten sowie der Wald- 
hausener Kanzel, hängen einige Musealobiekte 
zusammen. Ähnliche Sammlungsstücke weist das 
steierische Landesmuseum Joanneum auf. Die 
Hauptstadt der Steiermark war ia bis zum Ende 
des 12. Jahrhunderts Steyr, in unmittelbarer Nähe 
von Stift Garsten gelegen, und die Zusammen- 
hänge zwischen steyrischer und steierischer Kunst 
sind noch im 16. Jahrhundert besonders enge. 
Das Ennstal dürfte überhaupt eine kulturelle 
Einheit gewesen sein. Den Typus des doppel- 
geschossigen Renaissanceschrankes mit lntarsien 
und Säulendekor findet man in Oberösterreich 
wie in der Steiermark. Äußerst ähnlich sind die 
Ofen von Schloß Würthing in Oberösterreich 
und Schlaß Hollenegg in der Steiermark. Für 
die im steierischen Landesmuseum befindliche 
Möbelgruppe dürfte wohl Stift Garsten die Im- 
pulse gegeben haben.Ein KastendesJoanneums, 
von Kreisel um 1600 datiert, hängt eng mit der 
Waldhausener Kanzel zusammen". Es handelt 
sich um einen zweigesdiossigen Schrank, der ge- 
schnitzte Hermenpilaster und eine ähnliche Intar- 
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