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Full text: Alte und Moderne Kunst XXII (1977 / Heft 154 und 155)

sienornamentik aufweist wie die Kanzel von 
Waldhausen. Mit den Garstener Sakristeikästen - ' 
enge zusammenhängt ein 1624 datierter Schrank 
im hessischen Landesmuseum in Darmstadt. Krei- 
sel bezeichnet ihn als oberhessisch". Tatsächlich 
weist das Stück sogar die gepunkteten halbkreis- 
förmigen Ornamentscheiben der Garstener Kä- 
sten auf. Bei dem blühenden Kunsthandel des 
19. und 20. Jahrhunderts ist eine Wanderschaft 
der Objekte durchaus denkbar. Hierher gehört 
auch die Hälfte eines Stollenschranks (lnv.-Nr. 
Mö 199) im oö. Landesmuseum in Linz". Wie 
auch heute noch gebräuchlich, schuf der Kunst- 
hondel des 19. Jahrhunderts aus einem Stollen- 
schrank zwei Kredenzen. Statt des Sockels wur- 
den vier Leibfüße montiert. Dappelgeschossige 
Schränke wurden auch in der ersten Hälfte des 
17. Jahrhunderts noch erzeugt, wenngleich die 
Entwicklung des Barockschranks zum eingeschos- 
sigen Schrank geht. Die Türfelder sind intarsiert, 
die Kanten weisen sich nach unten verjüngende 
Pilaster auf. Ähnlich gestaltet ist auch eine Truhe 
im steierischen Landesmuseum". Sie weist die- 
selben mit dem Doppeladler verzierten lntarsien 
auf, wie der Garstener Sakristeischrank. Wie die 
Linzer Kredenz zeigt sie auch plastisch aufge- 
setztes, gesägtes Dekor. 
Anders gestaltet wie die oben beschriebene 
Gruppe ist ein Tisch im oö. Landesmuseum (lnv.- 
Nr. Mö 124), vermutlich 1896 dem Museum von 
Abt Theobald Grasböck van Wilhering gespen- 
det. Er stellt eine einfachere Version des 
bekannten Tisches von Christoph Angermair in 
der Münchner Residenz dar, eine Variante be- 
findet sich im Joanneum in Graz". Wie aus 
den Quellen hervorgeht, hat Johann Degler, das 
ausführende Haupt der Weilheimer Schule, 1615 
für das Stift Wilhering gearbeitet". Es wäre im 
Bereich der Möglichkeit, daß die Weilheimer 
Künstler damals auch den Tisch anfertigten. 
Während das erste Jahrhundertviertel in der 
Möbelkunst in Oberösterreich einen fassaden- 
haft gestalteten Typus zeigt, wobei die sich 
nach unten verjüngenden Pilaster und die ln- 
tarsie eine Rolle spielen, entsteht im zweiten 
Viertel des Jahrhunderts ein Möbeltyp, der dem 
Knorpelwerkarnament und dem bildhouerischen 
Zierat huldigt. Die Intarsie verschwindet. An 
der Ubergangsphase von einer Stilperiode zur 
anderen steht der doppelgeschossige Einbau- 
schrank der Paramentenkammer in Kremsmün- 
ster, vielleicht auch noch ein Einzelstück,ein zwei- 
türiger Kasten in der Abtei. Der Paramenten- 
schrank wurde im 19. Jahrhundert mit einer 
volkstümlichen geschnitzten Tafel versehen, die 
„BB 1626 AA" bezeichnet ist. Es dürfte sich hier 
jedoch um den 1618119 von Stephan Regauer 
angefertigten Kasten für die obere Sakristei 
handeln. Das Werk zeigt reiche Verzierungen von 
Arabeskenarnamentik in Schnitztechnik. Das 
Gestühl der Pfarrkirche von Steyr weist im De- 
tail große Ähnlichkeit mit dem Paramenten- 
schrank von Kremsmünster auf. Die Kirche un- 
terstand im fraglichen Zeitraum dem Abt von 
Garsten, der nach Wiedereinrichtung der 1522 
durch den Brand verwüsteten Kirche drängte, 
und es wäre durchaus möglich, daß der Krems- 
münsterer Tischler diese Arbeit übernommen 
hat". 
Das bedeutendste Werk dieses Typus in Ober- 
österreich ist ein Möbelensemble des Stiftes 
Garsten, welches wiederum mit der Weilheimer 
Schule in Beziehung zu bringen ist. Das 1633 
datierte Gestühl des Sommerchors in Garsten 
befindet sich heute im alten Dom in Linz. Der 
ursprüngliche Standort des Gestühls ist nicht 
ganz geklärt, da der Sommerchor von Garsten 
erst um 1680 erbaut wurde. Möglicherweise han- 
delt es sich um das Chorgestühl der alten Stifts- 
 
Anmerkungen 23-38 
71 Kreisel, Abb. 406. Das Stück stammt aus dem Kunsthandel. 
1' Das Stück stammt aus dem Legat Moriz von A2 1884, 
und seine Herkunft ist somit nicht eruierbar. 
" Kreisel, Abb. 438. 
7' Kreisel, Abb. 351, 580. 
7' Groiss. S. 206. _ 
"Josef Ofner, Kunstchronik der sei-m Steyr, m. Ver- 
öffentlidwngen des Kulturamtes der Stadt Steyr 79, 1969. 
1' Karl Woditschka, Die Odyssee eines heimischen Kunst- 
werks, in: Heimatland 1939, Nr. 46, 47. 
i" Josef Perndl, Die Stiftskirche von Garsten, ihre Bau- 
geschichte und Ausstattung, in: 59. Jahresbericht am Kol- 
legium Petrinum 1962l1963, Fußnote 68. 
1' Heinzl (Groissl, S. 25 - Brigitte Heinzl, Die hGdt- 
mittelolterlichen Bildwerke der kunsthistorischen Abtei- 
lung des aö. Landesmuseums. in: Jahrbuch des oö. 
Musealvereins, Bd. 119, 1974, Abb. 9. 
" Groiss, S. 138 - siehe Fußnote 3D. 
"Zum Beispiel die Tätigkeit von Leonhard Sattler und 
Stephan Jegg im Stift St. Florian in der ersten Hälfte 
des 1B. Jahrhunderts. 
3' Die Schweiz scheint in dieser Zeit mehr Denkmals auf- 
zuweisen als Deutschland. Ein ähnlich reich gestaltetes, 
1598 datiertes Gestühl befindet sidi im historischen 
Museum, Basel (Kreisel, Abb. 255). 
ß Kreisel, s. m. 
" Kreisel, Abb. 423. 
" Kreisel, Abb. 245. 
3' Woditschka. 
kirche. Der Tischler dieser bemerkenswerten Ar- 
beit war der Benediktbeurer Michael Obermül- 
ler, der seit 1631 Laienbruder in Garsten war". 
Benediktbeuern liegt in der unmittelbaren Nähe 
_ von Weilheim. Hans Spindler, der Stiftsbildhauer 
von Garsten, arbeitete vermutlich als Bild- 
g schnitzer am Gestühl mit und wurde 1632 ent- 
lohnt". Namentlich wird er zwar nicht genannt, 
f jedoch ist die stilistische Übereinstimmung zwi- 
- schen den Figuren des Chorgestühls und der 
_ Garstener Altäre sehr groß. Die Hermenengel 
3 und Puttenkäpfchen des Chorgestühls sind fast 
i identisch mit denen der 
Garstener Altäre". 
Groiss ist zwar der Meinung, daß es sich nur 
um einen im Spindlerischen Stil gearbeiteten Fi- 
guralschmuck handelt, jedoch war Spindler zur 
fraglichen Zeit Stiftsbildhauer, und die Archiva- 
Iien sprechen ausdrücklich vom „BiIdschnitzer"". 
Eine Trennung in Tischler- und Bildhauerarbeit 
ist bei Möbeln durchaus üblich gewesen". Bei 
dem prachtvollen Werk handelt es sich um einen 
typischen Vertreter des Knorpelwerkstils, wie er 
im zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts var- 
kommt". 
In Deutschland finden sich nur wenige Beispiele, 
da hier die Entwicklung der Kunst durch den 
Dreißigjährigen Krieg sehr gebremst'wurde". 
Sehr ähnlich gestaltet ist die Vertäfelung in 
Schloß Toffen bei Bern von 1633". Bereits das 
Schaubüffet nach den Entwürfen von Friedrich 
Sustris in der Münchner Residenz weist reichen 
Knorpelzierot auf, wie überhaupt die Möbel der 
Münchner Hofkünstler stilbildend für den neuen 
Barockstil in Süddeutschland gewesen sind". 
Zweifelsohne dauerte es einige Zeit, bis sich 
Möbel solcher Art in der weiteren Umgebung 
außerhalb der Hofsphäre verbreiteten. Man muß 
bedenken, daß München damals im süddeut- 
schen Raum führend war, während Augsburg 
und Nürnberg, die künstlerischen Zentren des 16. 
Jahrhunderts, stilistisch altertümlicher waren. 
München übernahm seine Vorbilder wohl teil- 
weise aus der venezianischen Kunst. Der Hof- 
künstler Sustris war ja Venezianer. Im Chor von 
San Giorgio Maggiore in Venedig befindet sich 
ein 1594-1598 entstandenes Gestühl des Gasparo 
Gatti, das dem Garstener Gestühl sehr ähnlich 
ist. In der Pracht der Ausführung kommt das 
Garstener Gestühl diesem sehr nahe. Hervorra- 
gend ist vor allem die Vielfalt der Figuren. Das 
dreibänkige Gestühl enthält in seiner Rückwand 
Säulen, deren Basen und Kapitelle von Figuren 
gebildet werden. Die einzelnen Felder der Rück- 
wand tragen Puttenköpfchen. Die Vorderwand 
des Gestühls-zeigt verschiedene Hermen und 
ebenfalls Puttenköpfchen. Das Chorgestühl wur- 
de leider bei der Aufstellung im Linzer Dom 
verkürzt, und Teile desselben befanden sich 1930 
auf Schlaf! Matzen in Tirol und Schloß Fürsten- 
stein in Breslau". 
1633 datiert ist auch ein prunkvolles Portal 
in, Schloß Puchheim, das aus der Kapelle von 
Schloß Ebenzweier am Traunsee stammt. Der 
Aufbau dieses Portales entspricht noch denen 
der Renaissanceportale, wie etwa von Schloß 
Hartheim (aö. Landesmuseum Linz). In der Durch- 
führung ist jedoch bereits eine Plastizität fest- 
zustellen, wie sie dem Frühbarock entspricht. Die 
mit geschnitzten Ornamenten verzierte Tür wird 
von sich balkonförmig vorwölbenden Pilastern 
gerahmt, die ganz denen des Steyrer Gestühls 
entsprechen. Über der Tür erhebt sich ein ge- 
sprengter Giebel. Ins zweite Jahrhundertviertel 
zu datieren sind auch die beiden Portale im 
Rittersaal des Schlosses Aistersheim. Auch sie 
weisen gesprengte Giebel auf, die jedoch stär- 
ker in die Säulenrahmung einbezogen sind und 
dadurch dem ganzen Portal eine geschlossenere 
Wirkung verleihen. 
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