Franz Wagner und Hans Widrich
Das Bildungshaus St. Virgil
in Salzburg
'l Bildungshaus St. Vir il, Architekt: Wilhelm Holz-
bauer, vollendet 176. Ansicht von Norden,
Eingongsfront
Qualitative Zeugnisse moderner Architektur sind
in Salzburg dünn gesät. Für den Zeitraum nach
dem zweiten Weltkrieg kann man sie an den Fin-
gern abzählen. Aber gerade im Südosten der
Stadt, in Parsch und in Aigen, gibt es einige her-
ausragende Beispiele: die in den fünfziger Jah-
ren errichtete Pfarrkirche in Parsch, das durch
eine hohe umgebende Mauer den Blicken der
Öffentlichkeit entzogene Kolleg St. Josef und
seit eineinhalb Jahren das Bildungshaus St. Vir-
gil, das neue Zentrum der Erwachsenenbildung
und der Öffentlichkeitsarbeit der Erzdiözese Salz-
burg. ln allen drei Fällen hat der aus Salzburg
stammende Architekt Wilhelm Holzbauer ent-
scheidend an der Planung mitgewirkt, das letzt-
genannte Objekt ist in seiner alleinigen Verant-
wortung entstanden.
Daß für Wilhelm Holzbauer der Entwurfsprozeß
für den Bau eines „Katholischen Volksbildungs-
heimes" wohl längere Zeit in Anspruch genom-
men hat, hängt sicher nicht damit zusammen, daß
er sich etwa über die gestellte Aufgabe im un-
klaren gewesen wäre. „Unter einem Dach" viele
Einzelzimmer für Kursteilnehmer, Lehr- und Un-
terrichtssäle, Seminarräume, zwei Kapellen, einen
großen Speisesaal sowie die notwendigen Ver-
waltungs- und Versorgungsräume unterzubrin-
gen, wäre für manche der heutigen Planer hier-
zulande „eine simple Sache" gewesen. Sie hätten
vielleicht als Vor-Bilder die Tausendjährige Tra-
dition des abendländischen Klosterbaues -
vier Flügel um einen quadratisdwen Innenhof, im
Nordflügel der Sokralraum - falsch interpretie-
ren und ebenso „neutral" wie „unauffällig mo-
dern" ein rustikales Appartementhaus für „kleri-
kale" Bildungsbürger „kreieren" können.
Die Ausnützung aller gestalterischen Möglich-
keiten einer Verbindung von geistiger Tätigkeit
und angeregtem Beisammensein war für Holz-
bauer vor allem die Grundlage des Entwurfs.
Schon die äußere Erscheinung, ihre räumliche
und plastische Vielfalt, ist Signal für iene Aktivi-
täten, die innerhalb des Gebäudes vor sich
gehen. Die Eingangsfront bereits besticht in ihrer
durchdachten Anlage: Zwei stehende, vertikal
angeschnittene und an den Schnittflächen ver-
glaste Zylinder sind legitime Nachfolger mancher
„sprechender" Doppelturmfassaden wie auch der
uralten Verbindung von Tor und Kapelle. Hier
wird klar, daß der Puritanismus einer Neuen
Sachlichkeit in diesem Gebäude nicht zu finden
ist. Wer wie Holzbauer in einem Zentrum der
l
glanzvollen Leistungen der österreichischen Ba-
rackarchitektur aufgewachsen ist, der weiß um
die Wichtigkeit von „Entrata" und „Ouvertüre"
für einen Bau und dessen Qualität. Das soll nun
gewiß nicht heißen, daß hier steifes Zeremoniell
etwa im Sinne einer mächtigen „ecclesia trium-
phans" betrieben wird. Aber ieder Gast, der zu
geistiger Begegnung, zur Meditation auch, hier-
herkommt, wird wissen, daß ein Haus für ihn be-
reit ist.
Betritt man dann die Eingangshalle, so befindet
man sich in einem Raumgebilde von hoher archi-
tektonischer Qualität. Es ist gewiß nicht Zufall,
daß dabei der Lichtführung eine wesentliche
Funktion zukommt. „Architektur ist das Spiel der
Körper unter dem Licht" hat Le Corbusier einmal
gesagt und damit auf den Umstand hingewiesen,
daß ieder Raum in seinem Charakter - neben
anderen Dingen - von der Intensität, der Rich-
tung und dem Grad der Diffusion des einfallen-
den Lichts geprägt wird. Es ist pures Vergnügen,
im Umherschreiten in diesem Säulenwald die
durch Raumschlitze, durch mancherlei Treppen,
durch Durchblicke und Galerien entstehenden
optischen Überraschungen in sich_aufzunehmen
und zu verarbeiten. Das Mittelstück des Erdge-
schosses ist ein an beiden Längsseiten von den
die Eingangshalle fortsetzenden breiten Wandel-
gängen flankierter zentraler Vortragsraum mit
Empore und dahinterliegenden weiteren Arbeits-
räumen. Nach außen zu sind im Erdgeschoß klei-
nere, für den Ablauf des Veranstaltungsbetrie-
bes organisatorisch wichtige Raumeinheiten an-
geordnet, über ihnen liegen in zwei Oberge-
schossen die Einzelzimmer für die Gäste.
An ieweils einer Stelle des Ost- und des West-
flügels werden diagonale Bewegungstendenzen
deutlich: Von der Erdgeschoßhalle her erreich-
bare Vortragsräume sind über ihren abgeschräg-
ten Decken im Äußeren als Freitreppen „verklei-
det"; diese Treppen führen von außen, vom wei-
ten Park her zu einem besonderen Merkmal die-
ses Baues, zu einer nach außen durch die seit-
lichen Zimmerfluchten abgegrenzten begehbaren
Dachlandschaft,dieder Begegnung und auchden
privaten Erholungs- und Ruhepausen dient. In ihr
ragen Einzelformen auf - etwa die eigenwillige
Dachkonstruktion über der Küchevor dem Speise-
saal im Südflügel-mnderswo eröffnen sich weite
Ausblicke in die Umgebung, in die weite Vor-
alpenlandschaft des Salzburger Beckens. Steht
man hier und blickt - wie in der Eingangshalle -
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