Varia
Kunst und Fußgängerzone
Erdrückt von der stetig wachsenden Hydra des
Verkehrs, ist es gesunde „Mode" geworden, Städte
durch verkehrsarme Zonen bzw. Fußgängerzonen
partiell zu „beruhigen". Motorisierte Dichte,
interurban oft kaum mehr erträglich, zwingt ia
zur Abhilfe. Zur raschesten Abhilfel - Als „Oasen"
in den Ballungszentren sind solche Zonen wahrhaft
lebensnotwendig geworden. Befreien nicht nur
von Verkehrsgewühl, Autolärm und Abgasgestank,
sondern heben auch das Lebensgefühl, beleben,
blutauffrischend und kommunikativ in ieder Weise,
iede City.
Wie auch an kommunalen Bauten bildende Kunst
als gestaltendes Element längst integriert ist, so
versucht man nun, diesen neu erstehenden Bereich
der Fußgängerzonen mit (mehr oder weniger) guten
Kunstwerken aufzulockern.
Beispiel in dieser Richtung ein keramisches Relief
von Prof. Carl Unger. Der ehemalige Rektor der
Hochschule für angewandte Kunst in Wien schuf
es für das Zentrum eines Fußgängerbereicties der
Wohnhausanlage der Gemeinde Wien, Wien Xl.,
Thürncllhofstraße. Als künstlerischer Ausgangspunkt
schwebte dem Künstler die Prazessionsstraße in
Babylon vor. Erdfarbener Hintergrund, darauf
rhythmische, starkfarbige Formierung abstrahierter
menschlicher Figurationen. Mit diesem Kunstwerk
sollte die Fußgängerzone Eigenleben bekommen,
und dieses selbst sollte vor den dahinterliegenden
Gebäuden abschirmen.
Wien strotzt für die Zukunft nach von sicher
problematischen Lösungen ähnlicher Art. Nach dem
Terrassieren der U-Bahn-Linien müssen nun für
deren zu gestaltenden Oberflächenbereidie sdiwer-
wiegende Entschlüsse gefaßt werdenl Nicht alle
Wünsche sind dabei auf die Möglichkeiten abzu-
stimmen. Ein Faktum, das Verantwortliche und
sonstige Gemüter noch sehr stark erregen wird.
Carl Ungers Lösung, spezifisch für eine bestimmte
Anlage geschaffen, wirkt auf den ersten Blick
sperrig - sicher aus gesamtkonzeptionellen Grün-
den -, erfüllt als zeitnahes Dekorum iedoch
zukunftsweisend seine Aufgabe. Mitausführende
des keramischen Reliefs: akad. Keramikerin Rose-
marie Renedikt und akad. Bildhauer Prof. Fritz
Tiefenthaler. Ausmaße des Reliefs, das in den
Jahren 1970-1972 entstanden ist, 2,5 x 12 m
(s. Abb. r. oben). I. netopil
Goldener Ehrenring für Dr. Franz Windisch-
Graetz
Was kann einem Museumsmann, einem Wissen-
schaftler Besseres widerfahren, als über seinen in
seiner Tätigkeit spezialisierten streng umgrenzten
Bereich, seine Forschungsstube hinaus, von Männern
der Praxis, des tätigen Handwerks, geehrt zu werden._
Keine glücklichere Verbindung, lebenslange sage-
nannte trockene wissenschaftliche Erkenntnisse und
Erfahrungen in der Offentlidikeit Früchte tragen
zu sehen. Eine solche bedeutsame Ehrung wider-
fuhr dem wissenschaftlidien Oberrat, Univ.-Lektor
an der Technischen Universität Wien, Dr. Franz
Windisch-Graetz, Leiter der Möbelsammlung des
Usterreichischen Museums für angewandte Kunst.
Mit 17. Oktober 1977 hat der lnnungsausschuß der
Landesinnung Wien der Tisdwler in Würdigung seiner
besonderen Verdienste um das Tisdilerhandwerk
einstimmig beschlossen, Dr. Windisch-Graetz den
goldenen Ehrenring der Landesinnung zu verleihen.
Die lnnung würdigt sowohl das erwiesene Interesse
des Geehrten an Lebensfragen des Tischlergewerbes
sowie auch dessen Initiative, Leistungen des Tisch-
lerhandwerks in Ausstellungen hervorzuheben und
dem Publikum nahezubringen. Von seiten des
Museums gratulieren wir herzlich und meinen, so
hoch kann der Kothurn der Wissenschaft nicht sein,
als daß er mehr und mehr um wechselseitige
Kontakte und Praxisnähe sich bemühen sollte, was
Wissenschaftler, Künstler und Handwerker in allen
Belangen einander näherbringt, in nutzbringender
Gemeinsamkeit. I. n.
80
Atelier Schwanzer 1967-1977
Die Nr. 10l1977 der Architekturzeitschrift „modul"
ist als Sonderdruck ein Auszug aus „Architektur
aktuell", Heft 5Bl1977, und bringt einen „Werks-
bericht Atelier Prof. Schwanzer. Architekt Mag.
Arch. Gerhard Krampf". Die erste Nummer dieser
damals neuen Fachzeitschrift „architektur aktuell"
im April 1967 war dem Schaffen des österreichischen
Architekten Karl Schwanzer gewidmet. Inzwischen
ist Karl Schwanzer 1975 gestorben, und Gerhard
Krampf hat in Mitverantwortung mit Karl Fleischer
die Leitung des Ateliers übernommen. Mit dieser
Sondernummer will man sowohl Karl Schwanzer:
Tätigkeit seit seiner Erbauung des Usterreidipavil-
Ions auf der Weltausstellung Brüssel rückblickend
würdigen als auch die erste kurze Spanne danach,
die Fortführung seines Ateliers in seinem Geiste,
dokumentieren.
Immer wieder spricht man gerade heute von einer
Krise der Architektur. Wobei wir meinen, daß diese
Krise nicht in erster Linie den Architekten anzu-
lasten ist. Gravierende Mängel in der Bauführung
wie Ausführung dezimieren große Proiekte in
ihrem Wert, was für die Zukunft besorgt macht.
Nicht zuletzt auch Mitverschuldenspunkt ist meist
die eigentlich unverantwortliche Hetziagd gegen
alle natürlichen und erforderlichen Technologien,
in die man Bauende - sowohl Entwerfende wie
Ausführende - hineintreibt. Siehe solches zuletzt am
Bau des Wieners Weststadions! - Um auf Schwanzer
zurückzukommen, er war einer der wenigen
profilierten, wirklich beherzten Architekten Uster-
reichs, der nicht zuletzt, wie man ihm zum Teil
vorwarf, an gleichen Umständen zerbrechen
sollte. Wenn wir noch einmal die Reihe seiner
großen Leistungen Revue passieren lassen, müssen
wir tatsächlich feststellen, daß er in durchaus be-
stimmender Weise die Architektur der zweiten
Hälfte dieses Jahrhunderts hierzulande von Grund
auf und entscheidend mitprögte. Daß seine Nach-
folger Schwanzers Intentionen folgen, beweist
unter vielem anderen das „City-Center-Wien"-
Proiekt nach einem Entwurf von 1976. Wie weit
dieses im Anlauf zur Realisierung auch steht oder
auch steckengeblieben sein mag, hier sind Ansätze
vorhanden, ein Kompartiment akzeptabler neuer
Architektur in einen „Entwicklungs"-Stadtteil, teil-
weise schon „verbaut", zu setzen. Wir müssen
fragen, wo ist der echte Koordinator, der dieser
Stadt wahrhaftig zu einem besseren Gesidit ver-
hilft? Er muß kein Messias sein! Nur „Verkehrs-
bauwerke" a la Karlsplatz möge er Wien ersparen.
Schwanzers Nachfolger, Krampf, Fleischer und Mit-
arbeiter, durchaus in seinem Geist agierend, konn-
ten mithelfen, einiges zum Guten zu wenden in
der Donaumetropole. Der Zustand von Schwanzers
erstem Werk, dem transplantierten „pavillonischen"
Museum des 20. Jahrhunderts, ist - der Regen
zerfrißt da zwar kein Werk für die Ewigkeit -
symptomatisch für das krisenhafte Wetterleuchten
auf unsere Gegenwartsarchitektur. Wir sollten nicht
vergessen, daß heute noch bedeutende, ia un-
sterbliche Bauwerke ältester Vergangenheit - von
der Antike und früher herauf - als unvergängliche
grandiose Zeugnisse immer noch stehen. Vor
wenigen Jahren errichtete Bauten des 20. Jahr-
hunderts aber ott nicht einmal ein Dezennium
brauchen, um in sich, allmählich, am „inneren" und
„äußeren" Fraß abzusterben . . .
I. netopil
Kurt Moldovan t
Viel Aufhebens um sein Ende hätte er glattweg
abgelehnt, einen glorifizierten Nachruf hätte
er sich tunlichst total verbeten. Verschont davon,
auf einem der grauenvollen Schlachtfelder des
zweiten Weltkrieges sein Leben zu lassen, verpochte
kürzlich im Spätsommer 1977 in einem Restaurant
sein Herz. Ob er etwas geahnt, etwas „verspürt"
hatte? Soll er doch vorher den Arzt aufgesucht
haben? Moldovan wurde, wie man heute so sagt,
„durchge-checkt" und in Ordnung befunden.
Moldovan, das war wie sein Signum, eine in sich
geschIossen-verschnörkelte lebenslange Bewegung,
ein dick-dünn verkratztes Strichgespinst von
starker Aussage und heftiger Leidenschaftlichkeit
echten Künstlertums. 1918 in Wien geboren, kurz
vor Ausbruch des Krieges, 1938, zwei Jahre Student
an der Akademie für angewandte Kunst in Wien,
später deutscher Soldat bis 1945; nach Kriegsende
Akademie der bildenden Künste in Wien, Ecole
des Beaux-Arts, Paris, war er Träger höchster Preise.
Man scheut sich fast, ihn als einen Einzelgänger in
einer ganz besonderen Bedeutung zu erkennen,
doch er war es. Als Junggeselle eine immer wieder
den Weg kreuzende Erscheinung im „Wollzeilen-
Krätzel" der Wiener Innenstadt. Der Reflexion
des Krieges wurde er gerade in der strotzenden
Uppigkeit des Wohlstandes nicht Herr. Blätter des
Krieges durchsetzen sein Werk immer wieder bis
1964. Gefallene, hilflos im Tode hingestreckte,
tarkelnde Flammenwerfersoldaten, Veteranen. Wie
verirrt dazwischen ein „Salzburg"-Blatt, auch im
Schwadenqualm? - Gefallene, immer wieder,
lnsektenkämpfe, Dirnen, US-Highways mit Monster-
fußgängern und menschlich verfratzten Liliputautas.
„Schönbrunn", Anatomie einer Allee, verflüchtigt
gestricheltes Schloß, das sich im Blattweiß verliert.
Noch in Erinnerung das letzte Zusammentreffen
mit Moldovan im Restaurant. Durch Besteckgeklirr
und Tellergeklapper hindurch konnte er voll
Emphase fachsimpeln. - Letztens mit Hutter. Da
delektierte er oder besser sie beide sich am ge-
lungenen letzten Zustand einer Radierung. Moldo-
van war dabei so voller Leben, geradezu mitten-
drin, „ahnungslos", daß man es bis heute nicht
fassen kann, wie schnell er für immer davonging.
Vielleicht eine der letzten, schönsten Erinnerungen
an ihn, seine „Venedig"-Serie. Die unterwaschene,
abbröckelnde Schönheit der Lagunenstadt faszinierte
ihn derart, daß er sogar trübe, neblige Tage dort
zauberhaft fand und es ihn auch dann förmlich
zum Malen hinausriß, so erzählte er es Flora. In
diesen Blättern sublimierte er ein Venedig in zarten,
akkordierenden Aquarellvaleurs, von inkarnativer
Kraft. Vision ienes Venedig, die in uns allen
existent ist. Ein Zyklus, der als Denkmal malerischen
Erlebens ihn selber nodi, herzerfreuend, aus diesem
Dasein mit wegbegleitete.
I. netopil
Anzing -
Präsentation am Bauernhof
Seit 1975 werden in diesem Kulturzentrum, einem,
seiner ursprünglichen Form nahegebrachten Bauern-
hof im Raum Tulln, Veranstaltungen der verschie-
densten Art durchgeführt. Neben Ausstellungen von
Malern gibt es Filmvorführungen von Jungfilmern,
Lesungen österreichischer Schriftsteller und ver-
schiedene Darbietungen musikalischer Art, wobei
die Umrahmung aller „Präsentationen" durch die
örtliche Blasmusik besorgt wird. Es ist ein beacht-
licher Versuch, einen Kristallisationspunkt kulturellen
Lebens in diesem Raume zu schaffen, wo sich
ansässige Bevölkerung und anreisende Städter
treffen. Die 6. Präsentation brachte unter dem Titel
„Landschaften" Arbeiten von K. Benkovic,
L. Beschorner, W,-D. Winiwarter, H. Zimmer-Krepcik,
E. Heis, F. Heis, F. X. Schmid, G. Schmid, R. Janisch,
A. Karnberger, H. Cislaghi, F. Dykiert, H. Leinfellner
und G. Riediger. Der Film „Ein Traum nur im
Herbst" von F. X. Schmid und Helmut Leinfellner
wurde vorgeführt.
(10. - 25. 9. 1977) A- Vogel