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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIII (1978 / Heft 156)

Franz Wagner 
Die Siegelbilder 
der Salzburger Erzbischöfe 
des Spätmittelalters 
- Wir sind weit davon entlernt", so schrieb Rainer Kehsnitz 1971 ', weine Geschichte der spätgotischen Siegelkunst schreiben zu können - weder allgemein noch lur bestimmte 
schalten. Es lehlt nichtnur der Überblick tlberdas vorhandene Material, es fehlen weitgehend auch die Methoden und die notwendigen Begriffe, weil es an den allgemeinen Vorerl 
über Siegel als Kunstwerke mangelt." Leider treffen diese Sätze zur Gänze auf des gesamte spälmittelalterliche und frühneuzeitliche Siegelwesen im Reichsfürstentum und Erzb 
Salzburg zu. Selbst in den handgeschriebenenz oder gedruckten" Regesten aus den Selzburger Archiven wie in den Repertorien zu den Salzburger Bestanden lll den Staatsarchil 
Wien und München sind Siegel, Ialls überhaupt, nur als vorhanden oder nicht vorhanden engelührf. Aus diesem Grunde mulite in der Abteilung nGoldschmiedekunstr- der Ausstt 
von 1976 "Spatgotik in Salzburg - Plastik und Kunslgewerbe-Äeine Präsentation der spätgotischen Siegel entfallen, obwohl die Geschichte der Siegel einen wesentlichen Eesta 
der Geschichte der Goldschmledekunst einer Stadt oder eines Landes bildet". Im reichen Bestand des glücklicherweise nie Dverlagertenw und immer am selben Ort sorgfältig bewa 
Archivs der Benediktinererzabtei St. Peter zu Salzburg' haben sich aber in großer Zahl so vorzüglich erhaltene Siegel aufspüren lassen, deß vorerst dieser Studie eine über die! 
derÄbte dieses Klosters und eine über das spätgotische Bürgerslegel in Salzburg folgen wird. 
ln den Zunftordnungen des europäischen Gold- 
schmiedehandwerks von deren Entstehung bis 
zum Ende der Zünfte im 19. Jahrhundert war unter 
anderem stets festgelegt. daß ein Goldschmiedge- 
selle zur Erlangung der Meisterschaft folgende 
drei Meisterstücke anzufertigen habe: einen Meß- 
kelch - später in den protestantischen Ländern ei- 
nen Pokal -, einen mit einem Edelstein ge- 
schmückten Ring und ein Siegel. genauer ausge- 
drückt. einen Siegelstempel. Abgesehen davon. 
daß an diesen drei Stücken die ganze Vielfalt jener 
Arbeitstechniken aufgezeigt werden kann. die der 
Goldschmied zu beherrschen hatte". galt das Sie- 
gelschneiden als besonders schwierig (erst im 
17. und 18. Jahrhundert gab es die aus dem Gold- 
schmiedehandwerk hervorgegangene selbstän- 
dige Berufsgruppe der -Petschierstecher--). Gute 
Siegelschneider waren hochgeschätzt. und für 
ihre Arbeit wurden nicht selten außerordentliche 
Preise gezahlt: so erhielt etwa der Aachener Gold- 
schmied Hans von Reutlingen - ß-der römischen 
kayserlichen Maiestat siglgraber und goltsmitßg - 
fürdas große Majestätssiegel Maximilians I., daser 
im September des Jahres 1500 in Innsbruck ablie- 
ferte. 400 rheinische Gulden. nachdem er ur- 
sprünglich 600 gefordert hattew. Sicherlich war 
dies ein skaiserlicherw Spitzenpreis. Wenn man je- 
doch bedenkt, daß etwa Christoph von Zelking für 
den von ihm gestifteten. im letzten Jahrzehnt des 
15. Jahrhunderts gearbeiteten Hochaltar in Kefer- 
markt" 592 ungarische Gulden - was 788 rheini- 
schen Gulden entspricht" - bereitzustellen hatte, 
dann wird doch durch solchen Vergleich die Wert- 
schätzung (und auch das Ansehen) der Siegelar- 
beiten der spätgotischen Goldschmiede deutlich. 
Die handwerkliche Arbeit des Goldschmiedes be- 
steht in der Herstellung eines Typars. im Gravieren 
und "Schneiden- eines Metallstücks. Das Material 
des Typars ist meistens unedler Natur. vielfach Ei- 
sen. aber auch Bronze oder Messing. Nur in selte- 
nen Fällen wurde Silber oder gar Gold verwendet. 
Da das Typar ja keinen Selbstzweck verfolgt. 
kommt dem Werkstoff auch keine besondere Be- 
deutung zu; er muß nur widerstandsfähig genug 
sein. um eine oftmalige Verwendung des Typars 
möglich zu machen. Das eigentliche Kunstwerk 
aber ist der Abdruck des Stempels. Die Vollendung 
des Siegels ist also vom Künstler unabhängig. 
denn jeder. derdas Typar. den Stempel. in die Hand 
bekommt. kann das Werk des Künstlers gleichsam 
vollenden. indem er den Abdruck herstellt. Für die 
verschiedene Farbe und Beschaffenheit dieser 
Abdrücke. der Siegel also. warvon ihrem frühesten 
Auftreten bis in das 15. Jahrhundert und oft weit 
darüber hinaus ihr Material maßgebend: verschie- 
denartiges oder verschiedenartig gereinigtes Bie- 
nenwachs - zuerst ungefärbt. seit dem 14. Jahr- 
hundert auch schwarz. grün oder (als Regal) zin- 
noberrot gefärbt". 
Der Wert eines Siegels als Kunstwerk besteht also 
weder im Werkstoff des Stempels noch im Siegel- 
stoff. sondern im Bildinhalt. in seiner ikonographi- 
12 
Zu den Abbildungen 
(Abkürzungen: OU - Originalurkunde. -a.:-archiv. 
Dm. : Durchmesser) - 
Mittelstück aus dem in Abbildung 10 näher beschriebe- 
nen großen Thronsiegel Erzbischofs Sigmund von Vol- 
kensdorl (1452-1461); rot gefärbtes Wachs. originale 
Größe des hier gezeigten Bildausschnitte: 54x34 mm. 
Thronsiegel Erzbischols Ortoll von Weißeneck 
(l343-1365); an OU Stittsa. St. Peter 1356-05-13 an Per- 
gamentstreifen hängend. naturfarbenes Wachs. Dm 
79 mm: Inschrift: + ORTOLF(us) D(e)l GR(ati)A 
S(an)C(t)E ECCL(esi)E SALZBVRGENßis) ARCHlEPüs- 
copu)S AP(0sto)LlCE SED(is) LEGAT(us). 
Thronsiegel Erzbischots Pilgrim von Puchheim 
(1365-1396); an OU Stiftse. St. Peter 1366-10-27 an Per- 
gamentstreifen hängend. rot gefärbtes auf naturlarbe- 
nem Wachs ohne Mulde. Dm. B0 mm; Inschrift: PIL- 
GRIMVS DEl GR(ati)A SANOTE SALCZBVHGENßis) 
ECCL(esi)E AFlCHlEP(lscopu)S AP(osto)LlCE SEDIS 
LEGATVS. 
Mittelstück aus dem bei Abbildung 3 beschriebenen 
Thronsiegel Pilgrlms von Puchheim (1365-1396): rot ge- 
färbtes auf naturlarbenem Wachs. originale Größe des 
hier gezeigten Bildeusschnittes 63x34 mm. 
schen wie künstlerischen Gestaltung. Doch 
hier nicht nur kunsthistorische Probleme zu 
ren. Ebenso konnen rechtshistorische Fr 
(etwa solche der Art der Besiegelung bestim 
Rechtsgeschäfte) oder diplomatische (zum 
spiel die Verwendung bestimmter Siegeltype 
Urkunden bestimmten Inhalts) von besont 
Wichtigkeit sein". Die Erforschung aller d 
Aspekte zusammen wird daher erst über das 
gelwesen einer Stadt. eines Landes zu gen 
Aufschlüssen verhelfen. 
Die sprachlichen Zusammenhänge Siegel - 
lum - signum weisen auf eine enge Verknüp 
des mittelalterlichen Siegelwesens mit dem 
ken hin. Das Siegel ist keine Erfindung des eur 
ischen Mittelalters. auch nicht erst ein "Ziv 
tionsproduktr- des Römischen Reiches. sonde 
reicht bis in die ältesten Zeiten altorientalis 
Überlieferung zurück und ist sogar alter als di 
findung der Schriftß. Percy Newberry konnt 
das alte Ägypten bereits dreierlei Siegelgebr 
feststellen: r-Forsecuring property. for auther 
ting documents and for transference of aut 
ty-Js. Und im europäischen Mittelalter - so 
Theodorllgen seine Forschungen zusammen- 
das Siegel "ein hochbewertetes Erkennungs- 
Beglaubigungszeichen. das gegenüber den 
Lesens und Schreibens Unkundigen eine ei 
händige Unterschrift ersetzte und im gewi 
Sinne den Siegelinhaber vertrat-t". 
im mittelalterlichen Sinne war grundsatzlicr 
Typus - als Träger kennzeichnender lnsignier 
Herrschaftszeichen - das Entscheidende. Das 
im geistlichen Siegel stellt entweder den Heil 
einer Kirche oder deren Oberhaupt dar". In N 
ließ Erzbischof Siegfried 1073 an die Urkunde 
die Schenkung seines Domherrn Wezzil ausdr 
lich w. . . zum Beweis... sein Bild mit Hilfe 
Siegelabdruckes als Zeugnis anfügen-r". t 
gibt es für solche w-Porträtsiegel" keinen Zwi 
sie sind selbstverständlich kein echtes Ab-Bil 
ner Person. sondern symbolisieren sie und ihr 
Gerade durch diese Typisierung erhielten j: 
Siegel allgemeinverständliche. eindeutige 
stark wirkende Aussagen. 
Durch Rechtsbestimmungen des Frankenrei 
ist bereits für das 9. Jahrhundert die Existen 
schöflicher Siegel erwiesen". Trotzdem kor 
riert bis in das 11. Jahrhundert hinein mit de: 
siegelung vielfach noch die eigenhändige Ul 
Kreuzung". Was die frühe Entwicklung der ge 
chen Siegelurkunden in den deutschsprach 
Diözesen betrifft, so meinte Friederike Zaisbe 
daß wvon der immer wieder (etwa durch Os 
Redlich") betonten Entwicklung der Siegi 
kunde aus einem Pergament. welches kaum r 
als die Aussage einer inotitia- bietet und quas 
zur Vermehrung der Glaubwürdigkeit mit ei 
Siegel versehen wurde. bis hin zu den formula 
ßigen Ausfertigungen der Siegelurkunden 
12. Jahrhunderts keine Rede sein kann. Vielr 
steht von Anfang an die feierliche. aus der T
	        
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