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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIII (1978 / Heft 156)

Ernst Zdrahal 
 
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2Nahelschnura.TuschelFedarv a ErnstZdrahm 
lllSpachlel, Fololronageu 4 "Die Nachbamu TuschefFeder. 
e: Wachler TuschelFeder, AcryllSpachtel. v-Fotofmtlaga. 
vllSpachlel. Fololronageu 
Ängste und Sehnsüchte prägen den Menschen, 
formen sein Leben und seine Psyche - verursa- 
chen seine Hilflosigkeit und Ausgeliefertheit. In- 
dem Ernst Zdrahal seine eigenen Ängste und 
Sehnsüchte an die Oberfläche zerrt. sie ins Be- 
wußtsein drängt, verleiht er ihnen Allgemeingül- 
tigkeit. Wenn der Betrachter von Zdrahals Bildern 
imstande ist. diese Ängste nachzuempfinden. sie 
nachzuvollziehen. sind es nicht mehr esoterische 
Probleme des Malers. 
Zdrahals Figuren sind gesichtslose Gewandträger, 
vereinsamt und isoliert; eingesperrt von Wänden. 
eingezwängt und gefangen in Zellen: Wohnzellen. 
Lebenszellen. Arbeitszellen. Freizeitzellen. Obwohl 
die Kleiderbügel-Figuren scheinbar der Mittel- 
punkt sind. sind sie eigentlich nur Staffage. völlig 
überflüssig in ihren sterilen. antiseptischen 
Kunststoffgefängnissen mit Kunststoffböden. 
Spiegeln. Fliesen. Lack. Kunststoffwänden. Kunst- 
stoffmöbeln. Da nützt kein Schreien. kein gegen 
Wände und Türen trommeln. Die Zellen sind ab- 
solut schalldicht. Wobei dies keinesfalls erforder- 
lich wäre. lebt der Nachbar doch in einer eben- 
solchen Zelle und versucht verzweifelt. sich be- 
merkbar. auf sich aufmerksam zu machen. 
Die "Selbstportraitsu von Ernst Zdrahal sind zu- 
gleich Portraits des Betrachters: Da sitzt einer - 
das heißt eigentlich liegt er mehr - in einem ge- 
mütlichen Fauteuil. der eigentlich mehr ein Kran- 
kenbett oder eine Bahre ist. gekippt wie beim 
Zahnarzt. wie ein Käfer auf dem Rücken, ausgelie- 
fert und wehrlos. unfähig. sich zu bewegen. und 
betrachtet seine Beine. seine Schuhe. den ihn 
umgebenden spitalartig verfliesten Raum. Der Be- 
trachter ist am Geschehen beteiligt. 
Wer aus seiner Zelle aussteigen will. muß ab- 
springen. Einer wird den Sprung wagen, weil er 
fliegen möchte. doch vielleicht wird er bloß des- 
halb springen. weil er irrtümlich meint. fliegen zu 
können. 
Ernst Zdrahal hat das Handwerk des Lithographen 
gelernt. vier Jahre lang; seinen Eltern zuliebe hat 
er durchgehalten und die Lehre abgeschlossen, 
um sodann den Schritt zum freischaffenden 
Künstler zu wagen. Heute noch. 15 Jahre später. 
wird Zdrahal im Schlaf von der Situation in seiner 
ehemaligen Firma verfolgt. Indern Zdrahal die 
Zwänge und Ängste des ungeliebten Berufs und 
der verhaßten Arbeit beseitigt hat. sind neue hin- 
zugekommen - denn die Angst hat viele Gesich- 
ter. Die monatlichen Fixkosten - Miete. Gas. 
Strom. Lebensmittel - nicht bezahlen zu können 
ist eines davon. Auf der anderen Seite fürchtet 
Ernst Zdrahal. nicht mehr kreativ zu sein. wenn 
keine Reibungsfläche vorhanden ist. wenn alles 
gesichert ist; denn Sicherheit ist statisch. gestat- 
tet keine Veränderung - und das bedeutet den 
künstlerischen Tod. 
w-Die Existenz ist ein übergroßes, aufgeblasenes 
Problem. über das ich wegkommen will. Die 
Kunst. meine Arbeit stellt den Versuch dar. mich 
selbst zu befreien. Malen. das ist Blindekuh-Spie- 
len vor einem Abgrund." 
Der Aussage seiner Bilder entsprechend, hat 
Ernst Zdrahal eine eigene Technik gefunden und 
weiterentwickelt: Nicht mit dem Pinsel. sondern 
mit der Spachtel nzeichnet" er. Die Grundlage 
dazu bildet in den meisten Fällen eine Tusche- 
zeichnung. deren äußere Konturen mit einer 
Spachtel "nnachgezogenu werden. In mehreren 
Arbeitsgängen wird eine Acrylschicht über die 
andere gelegt - jeweils mit der Spachtel "zeich- 
nende. Die Zeichnung selbst bleibt in der Regel 
weiß. Manchmal bedient sich Zdrahal Drucken 
aus Zeitungen und Zeitschriften. die er mit Ter- 
pentin auflöst und dann abreibt. so daß eine Art 
Frottage entsteht. die in gewohnter Weise in die 
wSpachtelzeichnung-t einbezogen wird. 
Jede neue Arbeit stellt ein stets wiederkehrendes 
Risiko dar. eine Herausforderung der Angst. ß-Ma- 
len ist für mich ein Abenteuer. das einzige. das 
ich habeß 
Manfred Chobot 
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