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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIII (1978 / Heft 156)

I Aktuelles KunstgeschehenlÖsterreich 
 
Wien 
Museum des 20. Jahrhunderts 
Bruno Gironcoli 
Beherrschend waren die Polyesterobjekte und Figuren- 
gruppen. Beherrschend war (wieder einmal) der Schock. 
Der Mensch ist überall unsichtbar gegenwärtig, obwohl 
fast alle Objekte nur technische Gerätschaften zeigten. 
Er ist gegenwärtig. um gequält. geschunden. verletzt, 
verstümmelt. seines Menschseins beraubt zu einem zuk- 
kenden Fleischbündel verwandelt zu werden. Was diese 
kalten. oft in lockerem Gefüge arrangierten Objekte so 
bedrückend macht. ist die grenzenlose Auswegiosigkeit. 
das alleinige Aufzeigen ohne Stellungnahme. ohne in- 
nere Anteilnahme. ohne Engagement. Eine sterile. von 
allen technischen Errungenschaften geprägte Welt der 
Un-Menschlichkeit. In Alfred Schmellers Vorwort zu dem 
umfangreichen und informativen Katalog steht im letzten 
Satz genau ein dutzendmal das Wort kein (bzw. keine). 
Gironcoli: Negation. Aber wovon? Gironcoli will nicht 
mehr als Aufzeigen. Was? Diese Welt! Es ist im Grunde 
aber nur seine Welt! (7. 9-26. 10.1977) -(Abb. 1) 
Retrospektive Neumarkt 
Diese kleine Dokumentation. in einem Nebenraum neben 
der großen Gironcoli-Ausstellung. zeigte eine andere 
Welt. Keine sogenannte große Welt. keine Hinweise auf 
Chile. auf Viet-Nam oder Brasilien, sie zeigte Fotos von 
burgenländischen Handwerkern, die mithelfen. die alten 
Bauernhäuser zu restaurieren. zeigte Fotos der Künstler. 
der Politiker und immer wieder auch Kinder. die alle in 
den Atelierhäusern lebten, die hier malten. modellierten. 
dlchteten und Feste feierten. Eine Anzahl von Graphiken 
bekannter österreichischer Maler, die in Neumarkt ent- 
standen sind. sprachen vom Arbeitsklima. Verschiedene 
Schriftstücke ließen die Entstehung dieses kulturpoliti- 
schen Knotenpunktes im burgenländischen Leben ein- 
sichtig werden. Ein Katalog hält die vielen Stadien der 
mit dem Namen Feri Zotter verbundenen Adaptierungen 
dieses Knotenpunktes und die folgenden Aktivitäten fest. 
(14. 9-13. 11. 1977) - (Abb. 2) 
Adolf Wölfli 
Eine großartige und reiche Schau. die von der Adolf- 
WölfIi-Stiftung und dem Kunstmuseum Bern organisiert 
wurde. Wölfli. der die längste Zeit seines Lebens in einer 
psychiatrischen Heilanstalt verbrachte. war ein von Bil- 
dern Besessener und verstand. die aus ihm brechende 
Flut von Geschautem In seiner ihm eigenen Form wie- 
derzugeben. Wir finden erstaunlicherweise viele archety- 
pische Formen, die genauso in romanischen. in byzanti- 
nischen. in keltischen. aber auch in indischen Darstel- 
lungen ihren Niederschlag im Laufe der Jahrhunderte ge- 
funden haben. Wölfli verbindet scheinbar mühelos und 
flüssig die Strenge des Ornaments mit Schriftbildern, er- 
findet sich ein eigenes Formenvokabular. montiert aus 
Werbeschriften Collagen. dichtet und komponiert. ist un- 
erschöpflich in seiner Aussage. Eine Fotodokumentation 
ergänzt die Werke sehr geschickt. sie zeigt die Lebens- 
umgebung. die Menschen der Zeit. in der Wölfli lebte. 
Der Katalog. ein umfangreiches, sehr schön ausgestatte- 
tes und mit einigen sehr interessanten Essays versehenes 
Buch, ist unbedingt zu empfehlen! (9. 11.-11. 12. 1977) 
- (Abb. 3) 
Akademie der bildenden Künste 
und Secession 
Fritz Wotruba 
Eine sehr umfassende und wichtige Gedächtnisschau 
des verstorbenen Meisters zu seinem 70. Geburtsta. In 
der Secession war ein sehr schöner Überblick mit der 
Großen Liegenden als Zentrum. Neben den wenigen 
Werken der früheren Schaffensperioden. die noch Spu- 
ren der Bildhauerepoche der zwanziger Jahre zeigten. 
die eine leichte Neigung zu einem monumentalen Rea- 
lismus wiesen. konnte man deutlich bei den Arbeiten 
nach dem Schweizer Exil jene für Wotruba typische Ver- 
blockung feststellen. die sich eine Zeitlang auch in ein 
Säulensystem aufgliederte. Der große Raum der Seces- 
sion war fast zu klein. um die vielen und durch ihr Ge- 
wicht - sowohl im materiellen als auch geistigen Sinne- 
wirkenden Skulpturen voll zur Wirkung kommen zu 
lassen. Die Gruppierungen waren daher mit einem Zu- 
sammenrücken der Kleinplastiken gut durchgeführt. Sie 
ermöglichten optimale Abstände zu den Großskulpturen. 
im ersten Stock wer die Druckgraphik. hauptsächlich 
Radierungen und Lithos. zu sehen. In der Akademie auf 
dem Schillerplatz bestachen schon beim Eintritt die 
Großfotos der Dokumentation. An Hand der Kleinplasti- 
ken konnte man gut die Entwicklung verfolgen. Beson- 
ders schöne Tuschezeichnungen gab es hier. Die gezeig- 
ten Olbilder bewiesen allerdings. daß Wotruba alles an- 
dere als ein Maler war. Modelle zu Bühnengestaltungen 
und vor allem die Modelle für den Karmel von Mauer- 
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bach, die später zur Gestaltung der Kirche "Zur Heilig- 
sten Dreifaltigkeittt in Wien-Mauer führten. gaben einen 
interessanten Einblick in diese Arbeit. Der Katalog. ein 
umfangreiches Buch. das den Titel "Figur als Wider- 
stand- trägt. Ist von Otto Breicha im Verlag der Galerie 
Welz. Salzburg. herausgegeben und mit seinen Bildern 
und Schriften zu Leben und Werk Wotrubas eine wich- 
tige Publikation über den Meister. (20. 10.-23. 12. 1977) 
- (Abb. 4) 
Graphische Sammlung Albertina 
Hubert Berchtold 
Der 1922 in Vorarlberg geborene Künstler zeigte Gou- 
achen. Aquarelle. Zeichnungen und Druckgraphiken. Ei- 
nige frühe Aquarelle lassen noch das Herkommen von 
Dobrowsky ahnen. Jedenfalls zeigen sich bald sehr ei- 
genwillige Verarbeitungen. auch jener anderen persönli- 
chen Begegnungen. wie Picasso. Matisse etc. Schließlich 
streift Berchtold alle Erinnerungen ab und findet Anfang 
der siebziger Jahre eine überaus kraftvolle. selektierende 
Arbeitsweise. Ein Maler. der in Wien noch viel zuwenig 
bekannt ist. (12. 10.-20. 11. 1977) - (Abb. 5) 
Künstlerhaus 
Bernhard Hollemann 
"Umwelteindrücke in Zeichnung und Farbe- nennt der 
Künstler die große Schau. Es waren neben vielen schon 
gezeigten Arbeiten, mit Hollemanns tiefsinnigen und 
-sinnlichen Mischwesen filmartige Bilderfolgen mit Ver- 
haltensweisen unserer Gattung. auch etliche Blätter zu 
sehen, die einer neueren. gelockerteren und in den Li- 
nien bestimmteren Einzelheiten nachsinnenden Art ent- 
sprechen und die damit einen neturalistischeren Ton an- 
schlagen. (7. 12. 1977-7. 1. 1978) - (Abb. 6) 
Galerie Contakt 
Wander Bertoni 
Es waren durchwegs Bronzen (18 Stück) ausgestellt. die. 
als Folge. nach einer Reise durch Ceylon und Indien ent- 
standen sind. Oft hatte man den Eindruck. Bertoni greift 
auf seine in den 50er Jahren geschaffenen Formen zu- 
rück. Nur sind sie hier weniger expressiv. sie sind ruhi- 
ger, geschlossener. So wirkte etwa die "Hockende" ge- 
radezu ausgeglichen. Wir fanden aber auch immer wie- 
der Gegenüberstellungen polarer Eigenschaften. Einma- 
lig und fast zum Zeichen verdichtet ist der "Baum von 
Kandyk. der wohl auch thematisch in Bertonis letzte Ar- 
beitsphase hineinpaßt. (12. 10.-12. 11. 1977) - (Abb. 7] 
Alte Schmiede 
Franz Zad razil 
25 großflächige Bilder. z.T. Ol auf Holz. aber oft auch 
Mischtechnik oder einfach Feder und Bleistift auf Papier, 
zaubern uns eine solche verblüffend realistische Schau 
von Häuserfassaden. Vorstadtbahnhofen. Geschäftsporta- 
len. daß uns für das sonst Übersehene plötzlich die Au- 
gen geöffnet werden. ln sorgfältig gewählten Ausschnit- 
ten und nur leicht verfremdeten Farben werden hier Per- 
spektiven ausgewählt. die uns unsere Umwelt in einer 
dem Photorealismus nahen Art sehen lassen. Hier ist das 
handfeste handwerkliche Können mit einem sehr enga- 
gierten Wollen gepaart. (5. 10.-f2. 11. 1977) - (Abb. B) 
Hilda Uccusic 
14 Graphiken. Bleistift. Federzeichnungen und Aquarelle. 
letztere nur leichte Tönungen. Lockere Blätter. die immer 
wieder zeigen. daß der Strich der Malerin bewußter. fe- 
ster und treffender geworden ist und daß sie mehr und 
mehr mit dem Freiraum zu arbeiten vermag. Das Motiv 
dieser Blätter war Sopran (Ödenburg). das vor kurzem 
sein 700iänriges Stadtiubiläum feierte und das mit seinen 
historischen Bauten schöne lnterieurs bietet. 
(2. 11-26.11. 1977) 
Galerie Kollegium Kalksburg 
Ada Gsteu 
Die Malerin. die bei Prof. Dobrowsky studierte. ist bis 
jetzt leider mit ihren Arbeiten noch viel zuwenig vor die 
Öffentlichkeit getreten. Die hier gezeigten Blätter gaben 
nur einen kleinen Einblick in ihr graphisches Werk. in 
dem sicher ihre Stärke zu suchen ist. Besonders einige 
sehr lockere Zeichnungen. unterbrochene und immer 
wiederaufgenommene Strichlagen. bei den Aquarellen 
Farbflecken und Tupfer. ein Haus in Griechenland. ein 
Blumenstrauß zeigen. daß da unglaublich viel in der 
Hand ist und wir noch manches von ihr erwarten können. 
(3.-1. 12. 1977) - (Abb. 9) 
Galerie Ariadne 
Siegried Anzinger. Eugenia Ftochas. Roman 
Scheidl. Hubert Schmalnix und Edgar Tezak 
Eine vielfältige und sehr interessante Schau, wenn auch 
die einzelnen Maler von unterschiedlicher Kunstauffas- 
sung und Qualität sind. Anzinger beweist sein Können 
hauptsächlich in der Graphik sowohl mit lockeren 
("Übung 12") als auch mit den dichten Strichen ("Kind 
im Parke). Seine Farbkreidebilder und Gouachen sind 
gedanklich etwas zu überladen. Die Rochas schien uns 
die Schwächste in diesem Bunde. Scheidl ist ein Phanta- 
stischer Realist der x-ten Welle. Schmalnix spachtelt ex- 
pressive Bilder. Stilleben einfacher Gegenstände. auch 
die Kreidezeichnung i-Mann mit Flügels sprach uns sehr 
an. weniger die Gouachen. die im Keller hingen. Von Te- 
zak. der an Paul Klee erinnert, ist besonders das Ölbild 
"Ein einsam Stürzenderii hervorzuheben. 
(24.10.-8. 12. 1977) - (Abb. 10) Aiois Vogel 
Salzburg 
Bildungshaus St. Virgil 
Ankäufe der Salzburger Landesregierung 
Gezeigt wurden die 1967-1977 angekauften Werke aus 
dem Gebiet der Plastik. Dabei waren und sind die aus 
dem Bereich der "Freien Kunstforderung- bereitgestell- 
ten Mittel jeweils gebunden an die Bedingung. daß das 
angekaufte Werk innerhalb der Grenzen des Bundeslan- 
des Salzburg entstanden ist. Man sah also charakteristi- 
sche - weil gut ausgewählte - Arbeiten von Roland von 
Bohr. Ralph Brown. John Haie. Hilde Heger. Martin Hel- 
minger. Karl Hittmann. Alois Lidauer. Lois Lindner, Josef 
Magnus. Meta Mettig. Hans Müller. Hans Pacher. Bern- 
hard Prähauser. Thomas Pühringer. Josef Rems. Max 
Rieder. Franz Schmeisser. Josef Simon. Klara Tarnay- 
Kutlie. Anton Thuswalder, Vera Trauberg-Tonic. Friedrich 
Unterrainer und Josef Zenzmaier: alles Namen. die durch 
Ausstellungen der Internationalen Sommerakademie und 
der Galerien hier gut bekannt sind. (1.10.-13. 11.1977). 
Albert Birkle 
Monumentale Glasfenster sind nicht "mobil". man kann 
sie nicht in Galerien ausstellen. Aber die hier gezeigten 
57 Entwürfe auf Farbblattern erwiesen sich als hervorra- 
gende Stellvertreter: sie sind wie die ausgeführten gro- 
ßen Werke Birkles keine -Fenster nach außen". sie öff- 
nen den Weg nach innen. zur Andacht. zur Meditation 
hin. Birkles erstes großes Fenster. 1933 fur die Kirche 
von Herrenberg bei Stuttgart geschaffen. wurde solcher 
Forderung ebenso gerecht wie alle anderen seiner Arbei- 
ten dieser Gattung in Österreich. Deutschland. England. 
der Schweiz und den Vereinigten Staaten. 
(13.10.-13.11.1977) 
Franz Wallnöfer 
Diese Werkschau zeigte wichtige Beispiele aus allen Be- 
reichen des vielfältigen Schaffens des 1921 geborenen 
und in Salzburg wirkenden Innenarchitekten und Desi- 
gners: industrielles Styling. grafische Präsentationen 
(von der Weltausstellung iiFamily of Man- bis zu den 
jüngsten Ausstellungen des Dommuseums) sowie Bilder 
und Fotos und auch Buch- und Plakatgestaltungen. 
(17.11.-1. 12. 1977). 
Salzburg Kunstverein 
Flainer Fleinisch, Günter Schatzdorfer und 
Peter Winkler 
Eigenständige Reflexionen über die sogenannte Wirk- 
lichkeit - somit eine der moglichen Spielarten zeitgenös- 
sischen Kunstschaffens - waren für die Grundtendenz 
dieser schön gehängten Ausstellung ausschlaggebend. 
(3. 12.43. 12. 1977). 
Salzburg Galerie Welz 
Alfred Karger und Friedrich Danielis 
Neben ausdrucksstarken Zeichnungen der beiden waren 
von Karger (in den Galerieräumen des Erdgeschosses) 
Ölbilder und vor allem aber hervorragende Aquarelle. von 
Danielis (im ersten Stock) subtil gestaltete Pastelle und 
Gouachen zu sehen. (4. 10.-1 11. 1977)-(Abb.11) 
STEFAN (von Fteiswitz und Kaderzin) 
Gottfried Salzmann 
Die mit Objekten bestückten" Glasbilder des 1931 in 
München geborenen und seit 1955 in Spanien lebenden 
STEFAN erweisen ihn als einen jener Leute. die mit gro- 
ßer gestalterischer Kühnheit und groteskem Humor er- 
folgreich eigene Spuren im Kunstbetrieb unserer Tage 
ziehen. "ars phatastica- in Reinkultur. im ersten Stock 
der Galerie wurden Zeichnungen und Druckgraphik von 
Gottfried Salzmann gezeigt. neue Beweise einer höchst 
eigenständigen Schwarzweißkunst des bekannten Aqua- 
rellisten. (3. 11.-27. 11. 1977) - (Abb. 12) 
Franz Wagner
	        
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