Anton Legner
Das Kölner Schnütgen-
Museum in seiner neuen
Gestalt
Nach zweijähriger Umbauzeit und Umgestaltung
wurde das Schnütgen-Museum am 21.Juni 1977
wiedereröffnet. Die neue Präsentation der Werke
sakraler Kunst in St. Cäcilien ist nicht ohne breite
Resonanz in der Öffentlichkeit geblieben. Von der
"Inszenierung des Kultischenu war in der Presse
die Rede gewesen. Tiefer liegende, nicht nur ober-
flächlich ablesbare und über bloßem antiquari-
schem Interesse liegende Schichten erschienen
so angesprochen und die eigentlichen Absichten
des Museums nachempfunden. Manche kriti-
schen Bemerkungen zum Konservatorischen mö-
gen in den ersten Tagen nach der Wiedereröff-
nung begründet gewesen sein. Aber die eigentli-
che Absicht der Neugestaltung war gerade, die
strahlende Erscheinung, die sich in den Jahren ab
1956 eingeprägt hat, mit den konservatorischen
und didaktischen Erkenntnissen der Gegenwart in
Übereinstimmung zu bringen. Nur: Knappe acht
Wochen verblieben letztlich den ausführenden Fir-
men bis zum Eröffnungstermin. Vor die Wahl ge-
stellt, diesen zu verlegen und die empfindlichen
Kunstobjekte noch länger im Zustand provisori-
scher Auslagerung zu belassen, hatte man sich
für das geringere konservatorische Risiko ent-
schieden. Inzwischen aber ist alles Konservatori-
sche auf diejenige Perfektion gebracht, wie sie
nicht anders bei der Planung vorgeschwebt hat.
Die ersten Monate, die dem Museum eine beson-
dere, ja außerordentliche Besucherfrequenz
brachten, bestätigten die Funktionsfähigkeit des
Bezugssystems zwischen Ästhetik und Didaktik,
zwischen dem gewählten Aussteiiungsstii der Ob-
jekte und den Vorsichtsmaßnahmen für deren
Schutz und Sicherheit, zwischen fernsehtechnl-
scher und personeller Überwachung.
Das Ungewohnte der Präsentation stieß beim ei-
10
nen auf Unverständnis, beim anderen auf Ver-
ständnis. An der Aufstellung des Kruzifixes aus
St. Georg z.B. erregte sich die Diskussion. Als
Biasphemie war sie bezeichnet worden; der Cor-
pus Christi mitten in der romanischen Basilika, so
empfanden andere die Placierung dieses großen
Bildwerks, das ursprünglich nicht im Triumphbo
gen der annonischen Kirche gehangen hatte, son-
dern den Menschen nahe am Kreuzaitar stand wie
vordem schon das sakramentale Bild des Gerokru-
ziflxus im Kölner Dom. Uns schien auch wichtig,
durch die Ansichtbarkeit der Rückseite und die
niedrige Aufstellung das Herrenreliquien-
Reposltorium im Hinterkopf des Kruzifixus sicht-
bar zu halten, nicht anders als die Reliquienkäst-
chen in den Rückseiten der gotischen Madcnnen,
um etwas von der Reliquien- und Bildfunktion der
Figuren bewußt zu machen. Überhaupt waren es
die Überlegungen zur Gestalthaftigkeit und zur
Präsenz der Bilder im Mittelalter gewesen, zur Ma-
terialität ebenso wie zu ihrer Aura des Numinosen
und zu ihrem Charisma, zur Originalität des Kunst-
werks, auf denen die Darbietung und die Neuge-
staltung des Schnütgen-Museums beruht. Nicht
minder anschaulich schien beim Tympanon von
St. Cäcilien z. B., auch dessen rückseitige Be
schaffenheit in freier Aufstellung zu zeigen, um al-
lein durch die Wahrnehmung der römischen in-
schrift auf der Rückseite des Tiburtiussteins den
Zusammenhang zwischen Antike und Mittelalter
schon in der Identität des wiederverwendeten Ma-
terials zu demonstrieren.
So stehen die sakralen Gegenstände des Mu-
seums als kirchliches Inventar ebenso in Bezug
zum Kirchenraum wie als Kunstwerke zum Atelier
des Künstlers. Das gesammelte Gut ist als Sum-
me von Objekten im einzigartigen Raum und zu-
gleich im musealen Gebäude zusammengefaßt.
Es sollte eine neue, aber in der historischen Prä-
senz des Bildes begründete Erlebbarkeit entste
hen. Die Geschichte der Theorie und der Methode
logie des Sammlungswesens lehrt, daß jede Zeit,
jede Generation die überkommenen und ergänz-
ten Sammiungsbestände nach eigener Interpreta-
tion gesichtet, geordnet und aufgestellt hatte. So
bemühte sich auch die gegenwärtige Leitung des
Museums um die Aufbereitung des anvertrauten
Gutes auf dem wissenschaftlichen Erkenntnis-
stand der siebziger Jahre. Dabei hat der Kölner Ar-
chitekt Heinz Micheel in schönster Übereinstim-
mung mlt den Vorstellungen des Museums die
neue Museumsarchltektur und das neue Mu-
seumsdesign In der alten romanischen Cäcilien-
kirche geprägt. Und die zahlreichen Besprechun-
gennachderWiedereröffnung hattenlnsbesondere
den Gesamteindruck hervorgehoben, den St. Cäci-
llen nunmehr in Raum und Licht, in Klarheit und
Milde, in der Konsequenz der Darbietung und im
Wiederaufbau der Kryptafassade unter der Empo-
re der einstigen hochadeligen Damenstiftskirche
vermitteln kann.
Auch die r-Polyvisionu, das neue Informationssy-
stem des Museums, kommentiert die Beweggrün-
de der gegenwärtigen Erscheinungsform, nach
einzelnen Gesichtspunkten aufgeteilt, von denen
hier einige die neue Gestalt des Schnütgen-
Museums charakterisieren sollen:
Inszenierung und Didaktik
In der ästhetischen Qualität nehmen Inszenierung
und Didaktik, zwei alte und wieder zeitgemäße
Komponenten in der Präsentation von Samm-
iungsgut, einen besonderen Stellenwert ein. Die
Aufnahmen spiegeln die Absichten der neuen
Konzeption: Transparenz und Brillanz des
Raumes, nicht Bestückung von Pfeilern und einge
zogenen Wandflächen, sondern freie Placierung
der Figuren und Objekte, doch diese auf die Archi-
tektur bezogen. Der Inszenierung entsprechen ge
dämpftes Tageslicht, dabei festliche Raumaus-
Ieuchtung und Lichtakzentuierung von Objekten
in Vitrinen und auf Wandtableaus und schließlich
auch ein kontrastreicher Aufbau des Ganzen zwi-
schen Chor und Empore. im Chor stehen die goti-
sche Kölner Skulptur und das goldene Antepen-
dium aus St. Ursula vor dem neuen Altar, auf der
Empore die barocke Kunst mit dem Heisterbacher
Gitter vor dem Westportal der Kirche; im Mittel-
schiff das Kruzifix aus St. Georg und die Sonnen-
burger Figuren, diese niedrig aufgestellt; vor der
Krypta die großartige Skulptur der Romanik, die
Siegburger Madonna im Zentrum, seitlich die bei-
den Tympana von St. Cäcilien und St. Pantaieon.
Befreit von Verschmutzung und Ergänzung, in der
ursprünglichen Schönheit des kostbaren römi-
schen Steinmaterials, ist das aus konservatori-
schen Gründen ins Innere versetzte Cäcilientym-
panon die bedeutendste Bereicherung des neuge
stalteten Museums. Ansonsten ist das Mittei-
schiff nur locker bestückt, um Platz für Konzertbe-
stuhlung zu belassen. (Denn noch zahlreicher als
zuvor dient in Zukunft die Cäciiienkirche auch
Konzertveranstaltungen. Eben wegen des beson-
deren Ambientes erfreuen sich diese großer Be
Iiebtheit. Das Rheinische Kammerorchester z. B.
begeht in Zukunft seine Museumskonzertzyklen
fast ausschließlich im Schnütgen-Museum.) in
den Seitenschiffen dicht gedrängt die Heiligenge-
selischaft der Früh- und Spätgotik, aufgestellt auf
gemeinsame Sicht, aber ebenso zur Betrachtung
des einzelnen Kunstwerkes. Dem didaktischen
Konzept entsprechen Abfolge, Bezugssystem und
Ordnung des Materials. Durch die Epochen und
Bereiche führen - will man sich ihrer bedienen -
lautlose Lichtkommentare abrufbarer Programme.
Licht
Ein mittelalterlicher Kirchenraum hatte gedämpf-
tes Licht. Das durch farbloses Fensterglas einfal-
lende Tageslicht nimmt dem Raum die Atmosphä-
re und das milde Ambiente, das zu ihm gehört,
bringt statt dessen Helligkeit und Härte. So ab-
träglich wie der Ästhetik des mittelalterlichen Kir-Kein Volltext zu diesem Bild verfügbar.
Kein Volltext zu diesem Bild verfügbar.