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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIII (1978 / Heft 157)

Anton Legner 
Das Kölner Schnütgen- 
Museum in seiner neuen 
Gestalt 
Nach zweijähriger Umbauzeit und Umgestaltung 
wurde das Schnütgen-Museum am 21.Juni 1977 
wiedereröffnet. Die neue Präsentation der Werke 
sakraler Kunst in St. Cäcilien ist nicht ohne breite 
Resonanz in der Öffentlichkeit geblieben. Von der 
"Inszenierung des Kultischenu war in der Presse 
die Rede gewesen. Tiefer liegende, nicht nur ober- 
flächlich ablesbare und über bloßem antiquari- 
schem Interesse liegende Schichten erschienen 
so angesprochen und die eigentlichen Absichten 
des Museums nachempfunden. Manche kriti- 
schen Bemerkungen zum Konservatorischen mö- 
gen in den ersten Tagen nach der Wiedereröff- 
nung begründet gewesen sein. Aber die eigentli- 
che Absicht der Neugestaltung war gerade, die 
strahlende Erscheinung, die sich in den Jahren ab 
1956 eingeprägt hat, mit den konservatorischen 
und didaktischen Erkenntnissen der Gegenwart in 
Übereinstimmung zu bringen. Nur: Knappe acht 
Wochen verblieben letztlich den ausführenden Fir- 
men bis zum Eröffnungstermin. Vor die Wahl ge- 
stellt, diesen zu verlegen und die empfindlichen 
Kunstobjekte noch länger im Zustand provisori- 
scher Auslagerung zu belassen, hatte man sich 
für das geringere konservatorische Risiko ent- 
schieden. Inzwischen aber ist alles Konservatori- 
sche auf diejenige Perfektion gebracht, wie sie 
nicht anders bei der Planung vorgeschwebt hat. 
Die ersten Monate, die dem Museum eine beson- 
dere, ja außerordentliche Besucherfrequenz 
brachten, bestätigten die Funktionsfähigkeit des 
Bezugssystems zwischen Ästhetik und Didaktik, 
zwischen dem gewählten Aussteiiungsstii der Ob- 
jekte und den Vorsichtsmaßnahmen für deren 
Schutz und Sicherheit, zwischen fernsehtechnl- 
scher und personeller Überwachung. 
Das Ungewohnte der Präsentation stieß beim ei- 
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nen auf Unverständnis, beim anderen auf Ver- 
ständnis. An der Aufstellung des Kruzifixes aus 
St. Georg z.B. erregte sich die Diskussion. Als 
Biasphemie war sie bezeichnet worden; der Cor- 
pus Christi mitten in der romanischen Basilika, so 
empfanden andere die Placierung dieses großen 
Bildwerks, das ursprünglich nicht im Triumphbo 
gen der annonischen Kirche gehangen hatte, son- 
dern den Menschen nahe am Kreuzaitar stand wie 
vordem schon das sakramentale Bild des Gerokru- 
ziflxus im Kölner Dom. Uns schien auch wichtig, 
durch die Ansichtbarkeit der Rückseite und die 
niedrige Aufstellung das Herrenreliquien- 
Reposltorium im Hinterkopf des Kruzifixus sicht- 
bar zu halten, nicht anders als die Reliquienkäst- 
chen in den Rückseiten der gotischen Madcnnen, 
um etwas von der Reliquien- und Bildfunktion der 
Figuren bewußt zu machen. Überhaupt waren es 
die Überlegungen zur Gestalthaftigkeit und zur 
Präsenz der Bilder im Mittelalter gewesen, zur Ma- 
terialität ebenso wie zu ihrer Aura des Numinosen 
und zu ihrem Charisma, zur Originalität des Kunst- 
werks, auf denen die Darbietung und die Neuge- 
staltung des Schnütgen-Museums beruht. Nicht 
minder anschaulich schien beim Tympanon von 
St. Cäcilien z. B., auch dessen rückseitige Be 
schaffenheit in freier Aufstellung zu zeigen, um al- 
lein durch die Wahrnehmung der römischen in- 
schrift auf der Rückseite des Tiburtiussteins den 
Zusammenhang zwischen Antike und Mittelalter 
schon in der Identität des wiederverwendeten Ma- 
terials zu demonstrieren. 
So stehen die sakralen Gegenstände des Mu- 
seums als kirchliches Inventar ebenso in Bezug 
zum Kirchenraum wie als Kunstwerke zum Atelier 
des Künstlers. Das gesammelte Gut ist als Sum- 
me von Objekten im einzigartigen Raum und zu- 
gleich im musealen Gebäude zusammengefaßt. 
Es sollte eine neue, aber in der historischen Prä- 
senz des Bildes begründete Erlebbarkeit entste 
hen. Die Geschichte der Theorie und der Methode 
logie des Sammlungswesens lehrt, daß jede Zeit, 
jede Generation die überkommenen und ergänz- 
ten Sammiungsbestände nach eigener Interpreta- 
tion gesichtet, geordnet und aufgestellt hatte. So 
bemühte sich auch die gegenwärtige Leitung des 
Museums um die Aufbereitung des anvertrauten 
Gutes auf dem wissenschaftlichen Erkenntnis- 
stand der siebziger Jahre. Dabei hat der Kölner Ar- 
chitekt Heinz Micheel in schönster Übereinstim- 
mung mlt den Vorstellungen des Museums die 
neue Museumsarchltektur und das neue Mu- 
seumsdesign In der alten romanischen Cäcilien- 
kirche geprägt. Und die zahlreichen Besprechun- 
gennachderWiedereröffnung hattenlnsbesondere 
den Gesamteindruck hervorgehoben, den St. Cäci- 
llen nunmehr in Raum und Licht, in Klarheit und 
Milde, in der Konsequenz der Darbietung und im 
Wiederaufbau der Kryptafassade unter der Empo- 
re der einstigen hochadeligen Damenstiftskirche 
vermitteln kann. 
Auch die r-Polyvisionu, das neue Informationssy- 
stem des Museums, kommentiert die Beweggrün- 
de der gegenwärtigen Erscheinungsform, nach 
einzelnen Gesichtspunkten aufgeteilt, von denen 
hier einige die neue Gestalt des Schnütgen- 
Museums charakterisieren sollen: 
Inszenierung und Didaktik 
In der ästhetischen Qualität nehmen Inszenierung 
und Didaktik, zwei alte und wieder zeitgemäße 
Komponenten in der Präsentation von Samm- 
iungsgut, einen besonderen Stellenwert ein. Die 
Aufnahmen spiegeln die Absichten der neuen 
Konzeption: Transparenz und Brillanz des 
Raumes, nicht Bestückung von Pfeilern und einge 
zogenen Wandflächen, sondern freie Placierung 
der Figuren und Objekte, doch diese auf die Archi- 
tektur bezogen. Der Inszenierung entsprechen ge 
dämpftes Tageslicht, dabei festliche Raumaus- 
Ieuchtung und Lichtakzentuierung von Objekten 
in Vitrinen und auf Wandtableaus und schließlich 
auch ein kontrastreicher Aufbau des Ganzen zwi- 
schen Chor und Empore. im Chor stehen die goti- 
sche Kölner Skulptur und das goldene Antepen- 
dium aus St. Ursula vor dem neuen Altar, auf der 
Empore die barocke Kunst mit dem Heisterbacher 
Gitter vor dem Westportal der Kirche; im Mittel- 
schiff das Kruzifix aus St. Georg und die Sonnen- 
burger Figuren, diese niedrig aufgestellt; vor der 
Krypta die großartige Skulptur der Romanik, die 
Siegburger Madonna im Zentrum, seitlich die bei- 
den Tympana von St. Cäcilien und St. Pantaieon. 
Befreit von Verschmutzung und Ergänzung, in der 
ursprünglichen Schönheit des kostbaren römi- 
schen Steinmaterials, ist das aus konservatori- 
schen Gründen ins Innere versetzte Cäcilientym- 
panon die bedeutendste Bereicherung des neuge 
stalteten Museums. Ansonsten ist das Mittei- 
schiff nur locker bestückt, um Platz für Konzertbe- 
stuhlung zu belassen. (Denn noch zahlreicher als 
zuvor dient in Zukunft die Cäciiienkirche auch 
Konzertveranstaltungen. Eben wegen des beson- 
deren Ambientes erfreuen sich diese großer Be 
Iiebtheit. Das Rheinische Kammerorchester z. B. 
begeht in Zukunft seine Museumskonzertzyklen 
fast ausschließlich im Schnütgen-Museum.) in 
den Seitenschiffen dicht gedrängt die Heiligenge- 
selischaft der Früh- und Spätgotik, aufgestellt auf 
gemeinsame Sicht, aber ebenso zur Betrachtung 
des einzelnen Kunstwerkes. Dem didaktischen 
Konzept entsprechen Abfolge, Bezugssystem und 
Ordnung des Materials. Durch die Epochen und 
Bereiche führen - will man sich ihrer bedienen - 
lautlose Lichtkommentare abrufbarer Programme. 
Licht 
Ein mittelalterlicher Kirchenraum hatte gedämpf- 
tes Licht. Das durch farbloses Fensterglas einfal- 
lende Tageslicht nimmt dem Raum die Atmosphä- 
re und das milde Ambiente, das zu ihm gehört, 
bringt statt dessen Helligkeit und Härte. So ab- 
träglich wie der Ästhetik des mittelalterlichen Kir-Kein Volltext zu diesem Bild verfügbar.
	        
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