verdankt das neugestaitete Museum der Absicht
des Architekten, in der romanischen Basilika ein
Vitrinensystem zu gestalten, das in Korrespon-
denz und gleichzeitig in Kontrast zum mittelalterli-
chen lnnenraum steht. Die Vitrinengestalt ist ent-
worfen in den Harmoniemaßen des Goldenen
Schnitts. im konservatorischen Bereich sind alle
Erkenntnisse moderner Museumstechnik bis zur
Installation von Miniventilatoren in den Lichtta-
blaren der Vitrinen verwertet. AusstelIungsästheti-
sches Anliegen war, die Zimelien des Schnütgen-
Museums nlcht auf Glasplatten aufzureihen, son-
dern einen dem Kunstwerk entsprechenderen
Unter- und Hintergrund zu schaffen. Dies erfordert
für jede Etage einen eigenen Lichtraum. in der
Standfiäche der oberen ist jeweils die Beleuch-
tung für die untere Etage installiert. Auch im Ta-
bleausystem der Kircheninnenwand erscheinen
die kleinen und kleinsten Objekte im individuellen
Lichtambiente. Die Kunstwerke sind nicht gereiht
und gehäuft, die Kostbarkeit des Einzelobjekts
wird hervorgehoben. Den zumeist edlen Werkstof-
fen entsprechend, aus denen die Kunstwerke ma-
teriell bestehen, fand als Bespannung Wildleder
Verwendung. Beim Einrichten wurde auch darauf
geachtet, daß in den unteren Etagen Gegenstände
Aufstellung fanden, die das besondere Interesse
der Kinder haben. So bietet sich in der niedrigen
Placierung vieler Objekte das Schnütgen-Museum
zugleich als Kindermuseum an.
Die Präsentation der Paramente
Berühmt geworden ist die Sammlung Schntltgen
nicht zuletzt durch ihren reichen Bestand an litur-
gischen Gewändern. Um sie schädlicher Lichtein-
wirkung möglichst zu entziehen, andererseits zu-
gänglich zu halten, wurden in der Sakristel und im
südwestlichen Joch große Schränke mit 43 verti-
kalen Vitrinentafeln installiert. Beiderseitig sicht-
bar, zusätzlich durch Lexanglas - wie auch die
frei im Museum aufgestellten Paramente - licht-
geschützt, kann der Besucher selbst eine Vitrinen-
tafel nach der anderen ausziehen und sich der Be-
schauung des solcherart dargebotenen kostbaren
Stoffes widmen. An einer großen Zahl aufgereiht
ausgestellter Paramente dagegen pflegt man -
wenig aktiviert - erfahrungsgemäß vorbelzuge
hen. Aus der Verflechtung konservatorischer, äs-
thetischer und museumsdidaktischer Überlegun-
gen, zum Schutz der Objekte wie zur Selbstbedie-
nung des Beschauers, entstand die neue Präsen-
tatlonsart einer Auswahl der schönsten sakralen
Gewänder vom Mittelalter bis zum Ornat der Kai-
serin Maria Theresla.
Rekonstruktion der Kryptafassade
An der Stelle, an der bis vor kurzem in einer raum-
schließenden Wand unter der Nonnenempore Hei-
zungsschächte Installiert waren, bietet sich nun-
mehr die wiedererstandene Kryptafassade dar in
der Gestalt, die sie um die Mitte des 19.Jahrhun-
derts nach dem eben damals aufgedeckten mittel-
alterlichen Befund erhalten hatte. Die Rekonstruk-
tion des Stadtkonservators - unter Verwendung
von Reimerather Trachyt, belgischem Granit,
Aachener Blausteln, Mayener Schiefer und Wei-
berner Tuff - brachte nicht allein die erforderlich
_ gewordene Sanierung. Großen ästhetischen Fleiz
erzeugen die Diaphanie der raumerweiternden
Durchblickzonen, die Stufungen von Bodenebe
nen und der Zusammenklang der kleinen Bogen-
folge der Kryptafassade mit der monumentalen
Bogenarchltektur der romanischen PfeilerbasiiI-
ka. Eine hohe Raurnqualltat auf engstem Bezirk ist
wiedergewonnen worden.
Sammlung und Bibliothek
Sammlungen waren stets mit Bibliotheken verbun-
den. nMouseionv war bis ins 17.Jahrhundert die
1A
Bezeichnung für Sammlung wie Bibliothek. Nach
dem Ordnungsschema der Bücher erfolgte oft ge-
nug auch die Ordnung der Sammlung. Die Objekte
sind die Flealien des theoretisch in den Büchern
Dargebotenen. "Was heute Museen zu erreichen
versuchen, durch große Vielfalt von Exponaten
umfassend zu bilden, das war bereits die Aufgabe
des Museums, bevor es sich im 19.Jahrhundert in
verschiedenen Speziaisammiungen aufspaltetem
Kürzlich wurde dargelegt, wie z. B. die Samm-
lungstheorie aus demselben DenkprozeB hervor-
ging, der auch die Zentralperspektive hat erstehen
lassen, wie bestimmte Sammlungen unter dem
zentralen Begriff des Theaters im System der vars
memoriaeu als Summe von Objekten im Raum zu-
sammengefaßt, von einem einzigen Punkt aus zu
betrachten waren, wie die Präsenz der Objekte im
projektiven Raum ihre ständige Verfügbarkeit in
der imaginierten Sammlung bedeutete: in der Bi-
bliothek, wo das gesamte Wissen vereint ist. Um
eine ähnlich perspektivisch-enzyklopädische Seh-
weise bemühte sich die Arbeit des Schnütgen-
Museums bisher in der Bibliothek ebenso wie bei
der Neugestaltung des Museums.
Didaktik und Information
Das von Uwe Westfehling im Außenreferat der Köl-
ner Museen erarbeitete Vermittlungssystem bietet
Informationen zur freien Auswahl an. Neben die
knapp gefaßte Objektbeschriftung treten die Text-
und Biidkommentare der schon erwähnten "Poly-
visionu. Sieben Geräte mit jeweils dreißig Themen
bringen Erläuterungen und Zitate. Eine pultförmi-
ge Projektionsfiäche vermeidet bewußt die opti-
sche Konkurrenz zum ausgestellten Kunstin-
ventar. Die Anwahl erfolgt über ein beschriftetes
Tastenfeld. Vielfältige Staffelung in Kompliziert-
heit und Menge charakterisieren das neu ent-
wickelte System. Querverweise stellen den didak-
tischen Zusammenhang her. Grundrisse geben die
Flaumorientierung. Ein "Führer zur Kunst des Mit-
telaltersu, ebenfalls von Uwe Westfehling erarbei-
tet, dient als Leitfaden durch die Ausstellung. Au-
Berdem schafft er zusammen mit der Markierung
an zahlreichen Objekten die Verbindung zwischen
den verschiedenen Mitteilungsformen. Einführen-
de Informationen befinden sich in der Eingangs-
halle. Ein Grundrißplan gibt den ersten Überblick,
ein Vldeogerät für die Wiedergabe von Filmen und
zur Nutzung der Fernsehüberwachung als Fernseh-
übertragung tritt hier zum Gesamtkonzept hinzu.
Um die Videoprogramme als werbenden Blickfang
zu nutzen, erscheinen Filme oder Direktübertra-
gungen von Aktivitäten aus dem Inneren des Mu-
seums auch audiovisuell auf einem Monitor vor
dem Hause, dicht an der frequentierten Großstadt-
straße.
Technokratle und Informationssystem wollen
nicht als eigene Flezeptionsfelder In Konkurrenz
zu den Kunstwerken treten: dies war die Prämisse
der gesamten Neugestaltung. Allein der architek-
tonische Raum und die Qualität der Objekte soll-
ten den Maßstab bestimmen. Das Schnütgen-
Museum in der Cäcilienkirche - Denkmal und Mu-
seum zugleich - mochte in Raum und Licht, in
Inszenierung und Didaktik sakrale Bildkunst des
Mittelalters zwischen Antike und Neuzeit verge-
genwärtigen, es möchte die Werte ihrer Präsenz
erfahrbar machen.
l l Anschrift des Autors:
Univ.-Prof. Dr. Anton Legner
Direktor des Schnütgen-Museums
Cäciiienstraße 29
0-5000 Köln 1