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mustergültigen künstlerisch so entzückenden und feinen japanischen Vor-
bilder zahllose Entwicklungsmöglichkeiten gesündester Art geschaffen. Und
solche Entwicklungsmöglichkeiten und Anregungen verschiedener Art zu
geben, ist die Hauptaufgabe von Ausstellungen wie die heurige, die mit
dem historischen Rüstzeug ausrückte. ]ede der vergangenen großen Kultur-
und Stilepochen bietet technisch, psychologisch und künstlerisch außer-
ordentlich viel wichtiges und wertvolles Material, das dem Geist und der
Phantasie eines schöpferisch begabten, modernen Künstlers in jeder
Beziehung vorbildlich sein kann.
DER NEUE BODENSEEDAMPFER „RHEIN" 51h
VON H. E. VQN BERLEPSCH-VALENDAS-
PLANEGG-MUNCHEN Sh
M Sommer 1905 wurde seitens der General-
direktion der königlich Bayerischen Verkehrs-
anstalten ein neuerBodenseedampfer, „Lindau",
in Dienst gestellt, dessen Ausstattung ich nach
wesentlich anderen Gesichtspunkten zu gestal-
ten bestrebt war, als sie bei den übrigen Fahr-
zeugen der Dampferfiottille des „Schwäbischen
Meeres"bisher üblich gewesen ist. Näheres da-
rüber ist im VIII. Bande, Seite 606, dieser Zeit-
schrift gegeben. Im Herbst des gleichen Jahres
schritt die Generaldirektion der Schweizer
Bundesbahnen ebenfalls zum Bau eines neuen Fahrzeuges, dessen kon-
struktive Teile ihre Bearbeitung durch die bekannte Maschinenfabrik Escher,
Wyss 8: Komp. in Zürich erfuhren, während der Entwurf zum inneren Aus-
bau und der übrigen dekorativen Teile mir übertragen wurde mit der
Bedingung, die Fertigstellung Schritt für Schritt zu überwachen und in Bezug
auf die äußere Erscheinung meinen eigenen Anschauungen Ausdruck zu
verleihen, soweit dies ohne Kollision mit den besonderen konstruktiven
Erfordernissen und den für die Dampfschiffahrt auf dem Bodensee gültigen
internationalen Abmachungen über Signalwesen und so weiter angängig sei.
Leider sind die Objekte, die zum Wirtschaftsbetrieb gehören, also alles,
was ins Küchen- und Kellerbereich zählt, nicht Eigentum des Schiffs-
besitzers (in diesem Falle der Schweizer Bundesbahnen), vielmehr hat für
deren Beschaffung der jeweilige Restaurationspächter zu sorgen. Hier halfen
meine auf Verbesserung abzielenden Ratschläge rein gar nichts. Zwar findet
sich auf den Tellern kein Schiff mehr abgebildet mit deutlich lesbarer
Inschrift, mit wehender Flagge und so weiter, dafür aber trat ein flattemdes
Inschriftband als Eßgeschirrdekoration auf. Davon war der konservative
Wirt nicht abzubringen, weil er es schön fand und weil die „renommierte
Winterausstellung im k. k. Österreichischen Museum, Gotische Stube, Entwurf vom Architekten Humbert
Welcher von Molthein, ausgeführt von Angela Furlani in Kreuzenstein
Fabrik", bei der die einschlägigen Bestellungen gemacht wurden, nur
„geschmackvolle Arbeiten" liefere. Ich konnte es ebensowenig verhüten,
daß auf dem Deck II. Klasse ein unförmlich großer Eiskasten von geradezu
urweltlicher Plumpheit aufgestellt wurde, nachdem im Grundriß des Bootes
kein Vorratsraum mit Kühlung vorgesehen war. Daß der Wert einer Arbeit
wie eines solchen Dampfers nicht bloß in der mehr oder weniger kost-
spieligen Ausstattung einzelner Räume, sondern, wie das auch beim Wohn-
haus der Fall ist, auf einer sämtliche Erfordernisse berücksichtigenden Dis-
position beruhen müsse, ist eine Ansicht, zu der sich recht viele noch nicht
emporgearbeitet haben. Die meisten Vertreter der sogenannten gebildeten
Stände glauben, wunder was für die Kunst getan zu haben, wenn sie ein oder
das andere Zimmer ihres Hauses „stilvoll" einrichten! Als ob es darauf
ankäme, mit einem einzigen guten Lappen ein ganzes Kleid zur künstlerisch
guten Erscheinung zu machen! Es kommt doch in erster und letzter Linie
auf die Art des Gehäuses selbst an und dann auf das, was jeder Örtlichkeit,
heiße sie nun wie sie wolle, in zweckdienlicher Weise beigegeben wird.
Tritt erst dieser Standpunkt in sein volles Recht, dann fällt die Stilfrage ganz
von selbst als bestimmender Faktor weg.