angewandte Kunst hat man das heimische Ge-
brauchszinn fast gänzlich abgestoßen. Ob also
die große Zahl von 363 Meistern und 119 Witwen in
Wien (eine Übersicht von Adolf Mais liegt vor,
allerdings ohne Steuerieistung, Hausbesitz etc., ja
ohne Anführung erhaltener Werke, wie etwa des
signierten Sarges von Som in der Kapuzinergruft)
spezifische Formen für Krüge und Kannen ge
braucht hat, wird erst durch den Sammierfleiß von
Privaten oder von Museen festgestellt werden
können, wenn die erhaltenen Werke nach dem in
der Großstadt und ihrem Sog noch stärkeren Tra-
ditionsbruch (rascherer Wechsel von Zinngeschirr
auf Porzellan) und nach verschiedenen Metall-
sammiungen noch genügend Vergieichsmateriai
bieten.
im 16. Jahrhundert bemühten sich auch die Tiroler
Zinngießer um plastische Gestaltung ihrer Pro
dukte. Wenn man bei Stefan Jenbacher (tätig
1540-1580) beanstandete, daß er seine Ware nach
dem nGesicht-r, also nach dem Aussehen, nach
der künstlerischen Leistung und nicht nach dem
Gewicht verkaufte, dann hat er wohl Edeizinnar-
beiten eines Horchaimer, ja vielleicht sogar Briot
nachgeahmt. Nur von Jakob Haase (1630-65) sind
Teller mit reichem ornamentaiem Reiiefdekor er-
halten. Nikolaus Jenbacher (1532-97), der Sohn
Stefans, 1573 sogar zum Hofzinngießer in Inns-
bruck bestellt, verfertigte große Teller mit gravier-
ten Arabesken. Das wird der Grund sein, warum er
auf einem schönen Porträt mit einem Zirkel in der
Hand abgebildet ist - übrigens das älteste Bild-
nis eines Zinngießermeisters in Österreich.
Auch in Wien waren Hofzinngießer tätig, so Georg
Graff, der 1612 Zinngeschirr für die königliche
Hochzeit (am 4. Dezember 1611 hatte sich Mat-
thias mit Erzherzogin Anna vermählt) und 1618 so
wie 1629 weitere Arbeiten für den Hof geliefert
hatte, Georg Khainer (+ 1644), beschäftigt 1633,
und Loth Som (tätig 1668-1680) führten ebenfalls
diesen Titel. DaB 1629 für die Hochzeit Ferdinands
des lll. Aufträge für die Anfertigung von Zinngerät
auf Silberart ergingen, beweist die Herstellung
reich dekorierten Edelzinns auch in den habsbur-
gischen Ländern. Zuerst sollte nur in Böhmen
nach bestimmten Mustern gearbeitet werden,
dann wurde der Befehl dahingehend abgeändert,
nur einen Teil in Böhmen zu machen, aber zehn
Zentner Schlackenwalder Zinn nach Wien zu lie
fern, weil die Geschirre dort hergestellt würden.
Die Form der Teller und Schüsseln folgte der aiige
meinen Mode mit dem breiten Rand (16.Jahrhun-
dert, vKardinalshutu). Mit Wappen oder inschrlften
hat man den Besitzer bezeichnet, wie ein Stück
der Äbtissin von Göß im Österreichischen Mu-
seum für angewandte Kunst zeigt. interessanter
ist die Frage, ob es auch gehämmertes Zinn In
Österreich gibt. Von J. Mansrieder (Linzer Meister
1683) stammt eine wgeschiagenerr Schüssel, die
mit Hilfe einer Holzform aus einer Zinnplatte her-
ausgetrieben scheint. Ein anderes Stück(beide im
Stift St. Florian) wirkt nnachgehämmertk, also of-
fenbar im Guß- oder Drehverfahren hergestellt,
wobei der Übergang zum Rand scharfkantig wird
und am äußeren Rand ein Profil eingedreht wer-
den kann; auf der Rückseite ist jedoch wie in Eng-
land oder Frankreich ein "Nachhämmernu fest-
zustellen. Nur gutes Zinn verträgt diese Be-
handlung! Bei gravierten Tellern ist wegen fest-
zusteiiender späterer Gravur große Vorsicht gebo-
ten; mit solchem Nachverzieren will man den Wert
eines einfachen Zinntellers beträchtlich steigern!
Der große Bedarf an Zinngegenständen rief frem-
de Hersteller und Händler auf den Plan. Die Wie
ner Zinngießer beklagten sich schon 1475 beim
Fiat der Stadt über die Händler von Nürnberg und
anderen Orten, welche Zinnwerk auch außerhalb
der Jahrmärkte verkaufen wollten; dies war ihnen
jedoch nur zur Zeit der zwei Jahrmärkte zugestan-
26
den. Auch in Wiener Neustadt durften die fremden
Zinngießer laut Ratsbeschluß vom 12.Juli 1564
nur an Jahrmärkten, nicht mehr an Wochenmärk-
ten ihre Ware feilbieten. Der Entwurf zur Zinngie
ßerordnung für Oberösterreich (1800) wendet sich
gegen wdie auslendischen maistern als von Pas-
sau, Regenspurg, Nürnberg und andern orthen,
welche mit neuer arbeit auf die befreyte märckht
hereinfahren und vill zentner alt zün aufkhauffen,
eintauschen und aus dem land verfüehren, ja auch
gar etliche burgersleuth im lannd das alte zinn
hauffenweis auffkhauffen und ausser lands
frembden und auslendischen maistern zuschick-
hen und verhandeln-t.
Zwei Fundkomplexe geben Auskunft über die Be-
deutung des Zinngeräts für den Haushalt des
17.Jahrhunderts, über Wertschätzung und Obsor-
ge, die man diesem angedeihen ließ. im Jahre
1883 entdeckte man in Poysdorf beim Umbau ei-
nes Hauses einen eingemauerten i-Schatzu, beste
hend aus schöner gepflegter Wäsche und Klei-
dern, einer kleinen Bibliothek, die für den Bil-
28
dungsgrad des Besitzers spricht, sowie drei breit-
randigen Zinntellern und einer sogenannten Lava-
bokanne mit Becken, verfertigt vom Linzer Zinn-
gießer Georg Hämbi. Die Einmauerung könnte mit
den Ereignissen um oder knapp vor der zweiten
Türkenbelagerung in Verbindung stehen, der Be
sitzer war vermutlich ein kaiserlicher Offizier na-
mens Lambert Knöii. Der Fund wurde von einem
Poysdorfer Bauern auf den Gemüsemarkt nach
Wien mitgenommen, durch Zufall konnte ein ver-
ständnisvoller Sammler, der Lederhändler Josef
Salzer, ihn geschlossen erwerben, der ihn später
dem Niederösterreichischen Landesmuseum in
Wien überließ. Das oberösterreichische Gegen-
stück zu diesem Poysdorfer Fund ist das 1907 bei
baulichen Veränderungen in einem Hause in
Schwanenstadt zum Vorschein gekommene um-
fangreiche Lager von Hausrat, das wertvolle,
meist Augsburger Silberarbeiten, Keramik, vene-
zianisches Glas, prachtvolle Textilien sowie eine
bedeutende Anzahl von Zinngegenständen ent-
hielt. Eine Schraubflasche rührt vom Linzer Zinn-
gießer A. Pamberger (1656-92) her, die schönsten
Arbeiten sind dem bedeutenden Weiser Meister
H. Ledermayr (1627-69) zuzuschreiben: ein Braut-
krug mit figuraler Gravierung, zwei einfache Zinn-
humpen, 23 Zinnteller mit Monogramm, eine wei-
tere Schraubflasche, ein Nachtgeschirr und ein
zinnernes Milchsaugfiäschchen. Besonders
fein gravierten Stücke weisen kaum Gebrau
spuren auf, dienten daher nur zu Dekorations-
Flepräsentationszwecken. Auch hier wird a
nommen, daß (aus unbekannten Gründen)
Hausrat bald nach 1671 von Frau Sophie Prz
ner - in erster Ehe mit dem Schwanenstä
Wein- und Leinwandhändler Paul Pierstl verh
tet - versteckt worden ist. Durch die gute E
tung sowohl der Textilien als auch der Mete
genstände stellt der "Schwanenstädter F
heute noch ein wichtiges Schaustück des C
österreichischen Landesmuseums im L
Schloß dar.
Zinn übte auch auf Diebe und Plünderer eine
ziehungskraft aus, wie wir aus Grimmelshau
Simpiicissimus wissen. 1692 bekannte einer l
vielen Vergehen vor dem Landgericht Hollen
auch den Diebstahl einer "zinnernen V
flascheu. Dies war - wie es in den Weistüi
festgelegt ist - immer ein Delikt, das vor
Landrichter gehörte, nicht vor die Grund
schaft (OÖ. Weistümer 3, 352, 354).
Nur in großen Zentren bestanden eigene Zu
menschlüsse der Zinngießer. Selbst in Nürn
wo es im 16. Jahrhundert 159, im 17. 98 Zinng
gab, war es keine Zunft, sondern ein lIGESChi
nes Handwerk-t. in Österreich mußten sich c
Städten und Märkten tätigen Meister zu wer
migen Organisationen zusammenfassen ia:
die oberösterreichischen Zinngießer gehörte
Linzer, die steirischen zur Grazer Lade. Die W
Hauptlade forderte z. B. 1776 den Fiat der i
St. Pölten auf, daß der dortige Meister "sich
gleich incorporiren zu lassen ernstlich verh
werden sollen. in Oberösterreich haben sic
wichtige Quelle zwei Protckoiibücher, das eir
ginnend 1596 mit Eintragungen bis 1674, das
te mit einer fast vollständigen Abschrift des
ren Buches und Fortsetzung der Verzeichnis:
1773, erhalten, die Archivalien der Grazer
umfassen die Jahre 1644 bis 1846.
Auf einem Silberschild der Truhe der Wiener
gießerzunft wurden 1674 die Zinngießer N.
perfueß, J. Lutzenberger, H.P. Rauch, C. Mai
T. Manhardt und Chr. Rötter genannt. Ein F.
cekrug der Wiener Zinngießerzunft von 1789
einer Privatsammlung erhalten geblieben. Di
malung zeigt einen Engel vor einem Jünglin
Wanderstab und Bündel, auf dem Zinndecke
Wappen mit Geschützrohr, Glocke, Zinnkann-
Zinnkrug, in der Helmzier eine an einer Kette
gende Zinnkanne; auf dem zinnernen Lippei
sind die Namen A. Wimmer, J. Krantzberge
F. Panbier sowie die Jahreszahl eingraviert.
Auch die Siegel des Zinngießerhandwerks b
sen die ursprüngliche Zusammengehörigke
Metaiigußgewerbe. Da sind doch auf dem fri
rocken Siegel des Handwerks der ZinngieE
Österreich ob der Enns zwei Kannen, ein Gesl
und eine Glocke abgebildet, ebenso auf dem
ner Siegel. Ähnlich war es im Salzburger i
werk - und dort ist Jörg Gloppitscher, eine
besten Giockengießer des Spätmittelalte
Österreich, 1441 als Zinngießer aufgenor
worden. Dieselbe Gießhütte übernahmen 145
Zinngießer Joachim Perndorffer und Meist:
hart iivom Weegß (+ 1514), der alierding
Goldschmied 1486 das Bürgerrecht in Salzbi.
halten hatte!
Mit Burghausen bestanden Beziehungen, de
tige Giockengießer Heinrich Apel soll ein
des Salzburger Zinngießers Stephan Habel
' 1431) gewesen sein, beim Giockengießer M-
Hans Schuspeck in Burghausen arbeitete di
Sohn, der Zinngießer Christoph Schuspecki
45), mit. Erasmus Haydel, Zinngießer zu Lien;
1451 eine Glocke und 1459 ein Geschütz.
in Wien vermachte Uiricus von Judenburg st