Franz Wagner
Simon Baldaufs Schränke in
der Salzburger Domherren-
sakristei und die vBoullerr-
Uhr Erzbischof Firmians
Den Abbildungen 1-6 liegen Neuaufnahmen durch Herrn
Herbert Ullmann von der Landesbildstelle Salzburg zu-
gründe.
1 Salzburg. Dom. Domherrnsakristei. Einblick in den In-
nenraum nach Südosten.
Anmerkungen 1-19
' Franz Windisch-Grestz. Barocke Möbelkunst in Österreich (Über-
blick und Forschungslage - Die Mobel des Stiftes sl. Florian). in:
sankt Florian. Erbe und Vermächtnis (e Band 10 der Mitteilungen
des Oberdsterreichischen Landesarchivs). Llrll 1971. s. 346-396.
1 Zum Problem der Inventarisation des Kunsthandwerks vgl.: Theo-
der Müller. was erwartet die Wissenschaft von der Kunstdenkma-
lermventarisationT in. Deutsche Kunst und Denkmalpflege. 1960.
S. 66-69.
1 Auch hier wird die Hegel durch Ausnahmen bestätigt. etwe durch
einige der Arbeiten von Nora von Watteck: a) Gesohnitztes stein-
hOCkhDrn - Ein vergessener Zweig des Salzburger Kunsthand-
werks. in: Alte und rnederne Kunst. 7. 1962. Heft 59159. s. 27-91; e)
Salzburger Maliwerktruhen. in: Alte und moderne Kunst. 14.1969.
Heft 105. s. 25-30; und d) Eergkristallverarbeitung in Salzburg. in:
Mitteilungen des Gestsalzb. Landeskunde. 1121113. 1972173.
s. 541495.
f etwa Band 43. Teil 1 und 2. Die Kunsldenkmalerdes siines Krems-
munstsr. wren 1977179.
i Franz Windlsch-Graetz. Möbelkunst aus vierJahrhundartan im strrt
Kremsmünster. in- crerniranum 777-1977. Festschrift zur 1200-
Jahr-Feier des Stiftes Kremsmurlster (e Band 12 der Mitteilungen
des Oberösterreichischen Landesarchlvs). Linz 1977. s. 243-279.
ferner: ders.. Drei Spieltische (aus Kremsmunster). in: Alte und rnd-
derne Kunst. 9. 1974. Heft 133. s. 56-57; ders.. Barocke Mobel aus
dern StlftKremsmiinster. ebenda. 13. 1974. Heft 134. s. 1s23; ders..
vier kleine Tische (aus Krerrlsmunster). ebenda. 19. 1974. Heft
1391137. s. 96-97; ders.. Kunstkammermobel aus dem Stift Krems-
mtinster. ebenda. 20. 1975. Heft 139. s. 14-19.
Zu den Gemälden: l-lans Tietze in. Österreichische Kunsttopogra-
phie (im folgenden: OKT). 9. 1912. s. 2x26.
wie Anm. s. s. 2a.
Dazu: Johann Riedl. Archivalische Notizen. in" Jahresbericht 1959
des vaterlandiscnen Museums CarolinoAugusteum. Salzburg 1959.
s. a
Da von den irn Salzburger Landesarchiv verwahrten Jahrgangen
1735 und 1736 der Holkammarpmtokolle jeweils nur Teilbande er-
halten sind. kann auch das genaue Datum der Fertigstellung der
Schränke noch nicht mitgeteilt werden.
"' OKT. 13. 1914. s. 161.
" OKT. 10. 191a. s. 225-226; bzw. OKT. 29. 1940. s. 223.
1' DKT. 10. 1913. S. 205; bzw. ebenda. S. 397 und 405.
u ÖKT. 9. 1912. S. 240 und 250.
" ÜKT. 22. 1929. S. 103.
ß ÜKT. 10. 1913. S. 129.
w ÖKT.12.1913.S.CXLVlurld 27.
w Franz Martin. Quellen zur GBSCNCNQ des Salzburger Kunsthand-
werks. in: Altes Kunsthandwerk. I. 1927. S. 51-72 und 133-140. hier
s. 133.
" Dazu willibeld l-leuineler. Der nandsenrmliene Nacnlaii Dr. Leo-
peld Spalzerieggers. in: Mitteilungen der Gesrsalze. Landeskun-
de. 21. 1991. s. 143-146.
" Nidnt -Klosleruu bei Eger". wie talscnlien im Katalog des Salzbur-
ger ndmrnuseums (vgl. Anm. 21) vermerkt ist.
r-Für die Geschichte der Möbelkunst eines Landes
ist es unerläßlich. von datierten Werken auszuge-
hen. Die Erfassung zeitlich fixierter Arbeiten ergibt
das Grundgerüst für eine chronologische Ordnung.
die den Ablauf und die Aufeinanderfolge dereinzel-
nen Stile wiedergibt. Die Feststellung derartiger. als
exemplarisch zu bezeichnender Stücke wird nicht
dem Zufall überlassen bleiben dürfen. Man wird sich
im Landedanach umsehen müssen. wo jeneZentren
zu finden sind. in denen immer oder doch wenig-
stens zu gewissen Zeiten in hervorragender Weise
die Voraussetzungen dafür gegeben waren. um eine
Möbelerzeugung von Rang und Bedeutung auf-
kommen zu lassen und zu fördernd-
Diese Sätze. mit denen Franz Windisch-G raetz 1971
einen grundlegenden Aufsatz über die eBarocke
Möbelkunst in Österreich-J begonnen hatte. haben
ihre volle Gültigkeit für die Geschichte des Möbels
im ehemaligen Reichsfürstentum und Erzbistum
Salzburg. Zwar ist in Salzburg - als dem einzigen
Bundesland des heutigen Österreich - der gesamte
überlieferte Bestand an historischen Kunstwerken
in den Bänden der Österreichischen Kunsttopogra-
phie verzeichnet und beschrieben worden. Aberaus
mancherlei Gründen. die hier nicht erörtert werden
sollen. wurde dabei vielen Werken der i-artes mino-
resi-z nicht die ihnen gebührende Beachtung und
Sorgfalt gewidmet - eine der Folgen davon ist. daß
die (Arbeiten internationalen Ranges aufweisende)
Entwicklung des Kunsthandwerks in Salzburg zu
den auf weite Strecken hin unerforschten Bereichen
der europäischen Kunstgeschichte gehört". Da je-
doch die neuen Bände des österreichischen Inven-
tarwerkesf gerade durch die Mitarbeit von Franz
Windisch-Graetz. unter Zuhilfenahme ergänzend
edierter Aufsatzes auch alle Möbel sorgfältig be-
schreiben und abbilden. darf-sozusagen als kleiner
Nachtrag zu dem 1912 erschienenen Band "Die
kirchlichen Denkmale der Stadt Salzburg-r - auf ein
derart exemplarisch zu bezeichnendes Hauptwerk
der Möbelkunst in Salzburg näher eingegangen
werden; aufbauend auf dem zugehörigen Quellen-
material kann dadurch auch aufandere Arbeiten des
Meisters dieser Möbel hingewiesen werden.
Im Zuge des vollständigen Neubaues des Salzburger
Domes im frühen 17. Jahrhundert wurden zwischen
der Ost- und der Süd-(beziehungsweise Nord-J
Konche. die Außenfassaden der Seitenschiffe wei-
terführend. zweigeschossige Sakristeibauten er-
richtet: im Süden die Domherrnsakristei mit der
darüberliegenden Paramentenkammer, im Norden
Pfarrsakristei und Wachskammer. Allen Wänden der
sich über fast quadratischem Grundriß erhebenden
Domherrnsakristei sind zu zwei Dritteln ihrer Höhe
durchgehend wandfeste Schränke mit geraden
Fronten vorgebaut. Alle sichtbaren Teile weisen eine
gute Marketerie auf (darüberwie überdie Beschläge
wird noch zu sprechen sein). alle lnnenteile und La-
den bestehen aus englischrot gestrichenem Weich-
holz. Ein profiliertes Gesims teilt die oben durch ein
kräftig ausladendes Gebälk abgeschlossenen
Schrankwände horizontal in zwei Geschosse. ge-
kuppelte Pilaster sorgen für vertikale Gliederung.
Der untere Mittelteil der Nord-. Ost- und Südwand
entspricht der in den Sakristeien dieser Zeit ge-
bräuchlichen "Anrichten", in der Mittelachse dar-
über befindet sich je ein zeitgenössisches Olgemäl-
des. das an der Nord- und Südwand jeweils von ei-
nem frei skulpierten. vergoldeten Wappen des Erz-
bischofs Leopold Anton Freiherrn von Firmian
(1727-1744) überragt wird. Die Westwand ist etwas
abweichend ausgeführt; ihre Seitenflügel. ebenfalls
in zwei Geschosse geteilt. enthalten flache Schrän-
ke. außerhalbder Mittelachse. flankiert von je einem
durchgezogenen Pilaster. war die durch das Bau-
werk bedingte Rundbogennische mit der rechtecki-
gen Haupttü re zu gestalten. Anläßlich der Restaurie-
rungsarbelten nach dem Zweiten Weltkrieg wurden
vor den Schränken der Nord-. Ost- und Südwand
über dem Marmorpflaster hölzerne Podien einge-
fügt und der in der Mitte stehende Tisch durch einen
marmorverkleideten Speicherofen ersetzt. eDie
Schränke wurden 1733-1736 vom Hoftischler Simon
Thadde Baldauf gearbeitet (Hofbauamt, 1733)'.4
In den im Salzburger Landesarchiv verwahrten
eHofbauamtsakten-r des Jahres 1733 befindet sich
ein Schreiben der Hofbaumeisterei vom 28. Oktober
1733 an die Hofkammer; daraus geht hervor, daß
schon unter der Regierung des Erzbischofs Franz
Anton von Harrach (1709-1727) "wegen Machung
neuer Thumb Sacristey Cästen der Hoftischlermai-
ster Simon Baldauf einen Riß und Yberschlag per
5450 fl. verfassete hatte. die Ausführung aber der
hohen Kosten wegen "in suspenso gelassene wor-
den war (vgl. D 13). Auf Grund der mehrmaligen Vor-
sprachen und Gesuche der Domkustodie beschloß
die Hofkammer am 1. Dezember 1733, Baldauf für
dieses Vorhaben 4000 Gulden anzubieten (D 14);
falls er dies aber ninnerhalb 14 Tagen nit acceptin
und annimbt. man sich eines anderen bedienen wol-
lee. Am 13. Dezembererklärte sich dann Baldauf be-
reit, für die angebotenen 4000 Gulden "die Thumb
Sacristey Cässten seinem gemachten Fliß gemeß in-
nerhalb drithalb Jahren zuverferttigen-i (D 15); nach
dem Hofkammerbeschluß vom 22. Dezember 1733
sollte deshalb "mit ermelt demselben ein ordentli-
cher Contract aufgerichtrr werden (D 16). Trotzdem
dieser Kontrakt verschollen ist und die Zahlamts-
journale der Hofkammer in den fünfzigerJahren des
19. Jahrhunderts der Papiermühle Lerigfelden zum
Einstampfen übergeben wuden". kann an der Aus-
führung der bestehenden Sakrisfeiausstattung
durch Baldauf kaum gezweifelt werden?
Aus den in den Bänden der Österreichischen Kunst-
topographie veröffentlichten kurzen archivalischen
Notizen können außerdem folgendeArbeiten Simon
Baldaufs nachgewiesen werden: 1723 fertigte er
Zehn Türen "samt Verkleidung und Futtere für
Schloß Mirabell anm. 1717 die im 19. Jahrhundert
abgebrochenen Hochaltäre der Pfarrkirchen von
Hof und von St. Johann im Pongau". 1720 bezie-
hungsweise 1721 Seitenaltäre in Faistenau und Ma-
ria Bühel". in den Jahren zwischen 1720 und 1727
die vier "Fakultäten-Altäre in der Salzburger Kolle-
gienkirche". ein den dreißiger Jahrene den 1897
abgebrochenen Hochaltar in Mariapfarr". 1738139
Hochaltar und Kanzel in der Stiftskirche Seekir-
chen'5 und 1741 einen neuen Altar beim Fiupertus-
grab in der Stiftskirche St. Peter in Salzburgm (wo-
bei es sich selbstverständlich jeweils nur um die an-
teiligen Tischlerarbeiten handelt).
Bei den Archivalien für die Altarbauten in St. Johann
im Pongau und in Mariapfarr ist ausdrücklich ver-
merkt. daß diese nach nFliß und Visierungii des Si-
mon Baldauf gearbeitet wurden. Denkt man dazu an
den erwähnten Entwurf für die Domherrnsakristei
und an die Vertragsstelle bei der Werkstattü bergabe
von 1743 (D 18). seinem Nachfolger emit Rath und
Zaichnunge weiterhin behilflich zu sein. so kann nur
gehofft werden daß die in nächster Zeit unumgäng-
lich notwendige Suche nach diesen verschollenen
Blättern positive Ergebnisse und damit nähere Auf-
schlüsse über Baldaufs Zeichenstil erbringen wird.
Neben diesen Daten hatte Franz Martin 1927" in
seiner Veröffentlichung der von Leopold Spatzen-
egger erarbeiteten" Meisterlisten den Erwerb des
Salzburger Bürgerrechts 1713 für Simon Baldauf
mitgeteilt (vgl. auch D 5-D 7). Im gleichen Jahr gab
Baldauf in seinem Ansuchen um Aufnahme in die
Salzburger Tischlerzunft an, daß er jede Tischlerar-
beit auf die ansehnlichste Art und Gestalt machen
könne, nitem auch geschatieret Egerische Arbeith-r
(D 9). Aus der Eintragung von Baldaufs Hochzeit im
Trauungsbuch der Salzburger Dom- und Stadt-
pfarre (D 4) geht eindeutig hervor. daß er- damals
noch Bürger seiner Heimat Au am lnn"'-vor seinem
Aufenthalt in Salzburg in Eger wohnhaft war. Viel-
leicht läßt sich deshalb einmal - was derzeit durch
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