Rudolf von Strasser
Ein Epilog zur Veröffent-
lichung der Einschreibe-
büchlein des Wiener Glas-
und Porzellanmalers Anton
Kothgasser 1769- 1851
Eine banale, aber deswegen nicht weniger gültige
Observation möge am Eingang dieser Ausführun-
gen stehen: Es ist verblüffend. wie schnell histori-
sche Zusammenhänge und Einzelheiten in Verges-
senheit geraten, und zum anderen - wie leicht es
sich die Zeitgenossen machen, das Profil eines
Künstlers nach ihrem eigenen Wohldünken zu for-
men.
Seit dem Tod Anton Kothgassers sind etwa 125
Jahre vergangen, seit der fruchtbarsten Schaffens-
periode seines Lebens 1820-1830 etwa 150, Das
sind bis auf unsere Tage 3-4 Generationen. Die En-
kelkinder des Künstlers, Frau Günther-Probst und
ihr Bruder, der Maler Karl Probst, stellten noch 1922
auf der großen Wiener Gläserausstellung Arbeiten
des Großvaters aus. Sie waren auch die Besitzer der
von mir bearbeiteten vier Einschreibebüchiein ihres
Großvaters. die als v-Kothgassernachlaß-r 1934 über
das Wiener Buchantiquariat V. A. Heck in den Besitz
des Glassammlers Josef Maler gelangten. Sie müs-
sen daher wohl zahlreiche biographische Details.
das Leben ihres Großvaters betreffend, gekannt ha-
ben, Trotzdem ließen unsere Zeitgenossen ein eher
verzerrtes Bild dieses liebenswerten Wiener Glas-
und Porzellandekorateurs entstehen. Verzerrt, denn
Kothgasser war nicht - wie man das heute vielfach
annimmt - eine einsame, alles überragende Künst-
lerpersönlichkeit auf dem Gebiet der Glasdekora-
tion - sondern seit 1820 ein dominierender Faktor
innerhalb einer in größeren Serien arbeitenden Ge-
schenkartikelerzeugung. Wohl dominierend, da er
iavon den Mohns die Technik des Malens mitTrans-
parentfarben erlernt hatte (Gottlob Mohn stirbt
1825), aber nichtsdestoweniger bloß ein sehr wich-
tiges, vielleichtdaswichtigste Glied in einervermut-
lich von der Wiener Porzellanmanufaktur organi-
sierten Nebenerwerbslinie: der Glasdekoration.
Sein Arbeitsgebiet umfaßte nicht bloß die Bemalung
von Bechern und Platten (fallweise Fenster). die man
als Geschenkartikel bezeichnen möchte, sondern
auch das Dekorieren einer Vielzahl von Gebrauchs-
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Anton Kothgasser. Glas "Stßtephanskirchen. Viele Gla-
ser von Kothgasser sind mit -Stephanskirchen-- und
vKartenblätternß bemalt.
Anton Kothgasser, Allegorischer Ftanftbecher mit der
"VESDQYEHCG". Große Signatur Kothgassers
Anton Kothgasser. Ranftbecher mit "Bienenkorbrr. Von
Kothgasser ab 1819 abgerechnet.
Anton Kothgasser, Ftanftbecher wMädchen mit Rosen-
korbw. Von Kothgasser ab 1815 abgerechnet.
Wiener Porzellan. Tasse und Schale mit "Sonne und
Mond-a Beispiel für die Gleichartigkeit der Motive von
Glas- und Porzellanmanulakturen.
Anton Kothgasser, Ftanftbecher mit -+Mond--.
Anton Kothgasser, Flanftbecher mit ßlnnenansicht der
Wiener Synagogerr. Zwei im Schulriedbüchlein abge-
rechnet. Vermutlich von Jakob Schufried
Becher mit wVogel zwischen Flanken" auf schwarzem
Grund. Vielleicht bemalt von Georg Lamprecht
Anton Kothgasser. Ranftbecher mit "Karten". von Koth-
gasser signiert.
artikeln: Thermometer, Service und Schankgefä
Apothekergefäße, Behälter für Parfümerieprodu
(ß-Fiosogliogläser"), Salztässer etc. Denn das 19.
stellte dem Künstler nicht bloß Aufgaben, die sicl
der Befriedigung eines Bedarfes an abstrak
Kunstobjekten erschöpften, sondern auch pra
sche, funktionelle Probleme, die im Interesse ei
langsam wachsenden konsumorientierten Ges
schaft zu lösen waren. Diese Feststellungen las:
sich aus dem Studium der Einschreibebüchl
Kothgassers. die-alsAnnexzu meiner Publikatic
im Wortlaut veröffentlicht wurden, unschwer erf
ten.
Schon im ersten auf uns zugekommenen Einsch
bebüchlein. in dem Kothgasser Kommissionsart
ten mit der "Nürnberger Handlung zur Goldei
Lampe-r des Leopold Schadibauer am Stepha
platz abrechnet, finden wir diese Zweiteilung. l
Büchlein reicht vom April 1815 biszum Mai 1822i
verrechnet insgesamt 179 Kunstgläser und etwa
Gebrauchsartikel. In drei weiteren Büchlein,
etwa bis zum Jahr 1830 reichen, sind etwa 10.i
Glasdekorationsarbeiten abgerechnet, davon zi
4000 an Gebrauchsartikeln.
Wesentlich für die Untersuchung der Funktion
die Kothgasser im Bereich der Glasmalerei ausül
ist jedoch die Tatsache, daß unser Künstler bloE
ersten Einschreibebüchlein mit der Goldei
Lampe fertige Gläser verrechnet, die er in Komn
sion gibt und fürdie er nach Verkauf bezahlt wirc
den weiteren drei Einschreibebüchlein: "Ha
scheck1820", weitersi-Ein Schreib Büchel(lür)d
Herrn Von Hablischek- 1823 den Qten Meyw so
"Hablischech ein Schreib Büchel- 1826 im Jänuz
erfolgt die Verrechnung nur mehr für ausgefüf
Teilarbeiten an Gläsern: Für Bemalungen.
schriftungen, für r-Konturirenr- (wohl Anfertigi
von Bordüren oder wstupfenu (vermutlich die Prä
rierung von Fonds oder Grundierung). Es muß a
eine vorgesetzte Autorität existiert haben, die
Gesamtproduktion organisiert und die Arbeits
lung verfügt hat.
Wir können lüglich nur bisca. 1820 von Hausmalr
Kothgassers sprechen und seine fast unein
schränkte Autorenschaft annehmen. Nach 1820 i
Kothgasser offenbar ein wichtiger Faktor in ein
auf Arbeitsteilung aufgebauten Arbeitsprozeß
Dekoration von Gläsern und liegt es nahe, in
Wiener Porzellanmanufaktur den eigentlichen F
traggeber und Unternehmer zu vermuten. Jedr
hat Kothgasser vor 1820 wohl noch für andere Ä
traggeber gearbeitet, und es geht aus dem Studi
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