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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXI (1976 / Heft 148 und 149)

 
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Es folgten die Serien der „Hellas"-Lithographien, 
die idyllische „Reise nach Apulien", die epischen 
Steindrucke zu Homers „Odyssee", die Ko- 
koschka als die erste Darstellung eines indivi- 
duellen Menschenschicksals erlebte. Dann die 
dramatischen Kaltnadelradierungen zum Aristo- 
phanes („Die Frösche"). Der Künstler blickt weit 
um sich und tief in die Dinge, um d_ie Ursachen 
der Tragödie des Menschen zu ergründen. Hier 
rekreiert er Shakespeares „König Lear" (Lithas), 
dort Kleists „Penthesilea" (Lithos). In diesen Jah- 
ren zwischen 1955 und 1975 erleben wir einen 
vulkanischen Ausbruch schöpferischer Energie. 
Da ist das monumentale Hamburger Mosaik 
„Ecce Homines", nicht „Ecce Hama". Denn die 
Betonung liegt nicht auf Christus allein, sondern 
auf dem Gott und dem plebeiisch-brutalen römi- 
schen Knecht, der ihm die Lanze in die Seite 
sticht - beides sind M e n s c h e n. 
Unzählig sind die Szenen und Kostüme für Ko- 
kaschkas Theaterentwürfe, ein Reichtum von Ge- 
stalten und Milieus, wie sie nur ein Barock- 
mensch aufbringen kann. Dem Kulturverfall Eu- 
ropas wirkt er entgegen, indem er zwei Gene- 
rationen zeitgenössischer iunger Künstler sachte 
auf den Pfad des schöpferischen Denkens und 
Sehens lenkt. Er hat Licht über unser düsteres 
Dilemma gebreitet und hat uns durch sein Le- 
ben und Werk ein Beispiel gegeben, wie man 
 
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Oskar Kakoschka, „Die Freier eilen zum Hafen". 
 dem Portfolio „Die Odyssee". Lithographie, 
Oskar Kokoschka, „Der Schiffbruch des Odys- 
seus". Aus dem Portfolio „Die Odyssee". Litho- 
graphie, 1968 
Oskar Kokoschko, „Friamos is sloin at the Altar 
in his palace". Aus „Die Traerinnen". Lithoe 
graphie, 1971172 
Oskar Kakoschka, „The Spirit of God came 
upon Saul". Aus dem Portfolio „Saul und Do- 
vid". Lithographie, 1968 
 
 
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aufrecht stehen soll in einer Zeit des Niedergan- 
ges, des nationalen und sozialen Hasses: „Das 
geistige Erleben hat nichts zu tun mit Ländern 
oder Ideologien. ln dem geistigen Staat, dem 
Staat im Sinne Platos, gibt es Ethik. In diesem 
Staat ist das größte Verbrechen der geistige 
Betrug und die größte Sittlichkeit ist die Rein- 
heit. Und das ist in ihrem Wesen die europäische 
Geschichte. Das hat nur mit Europa zu tun. Wer 
das nicht sieht, ist kein Europäer - ist ein Lemur 
vielleicht." 
Und; „Je tiefer, desto höher wieder, das ist die 
Dynamik des Lebens." So las ich auch in seinem 
letzten Weihnachtsbrief an mich: „Zum Glürk 
hat der Winter begonnen, das heißt, er wird 
auch wieder einmal vorbeigehen, und dann..." 
Wer so denkt und sich nicht an die miserablen 
drei Monate des Sonnentiefstands, der Kälte und 
Nässe verliert, der denkt positiv, der denkt stolz 
und schöpferisch. Und so wollen wir ihm heute 
mit Pindars Versen huldigen. 
„ApolIon! Süß gedeihet den Menschen End' und 
Anfang, wenn ein Gott sie beteuert. Dieser 
hat durch Deinen Rat wohl solches vollbracht." 
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Oskar Kokoschka, Selbstporträt mit-Fax 
1966. Lithographie 
Oskar Kakoschka, View af Downtowl 
hattan with the Empire State Building 
ÖllLeinwand, 40 x 54 cm 
Oskar Kokoschka, Les Perspectives de la I 
Aus dem Portfolio „Le Bol Masque" 
graphie, 1967 
 
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