. Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Blickpunkte
Bewußt an die Spitze gesetzt: Die Kinderführungen des
Museums oder wKunst für Kinder im Museum-_ Dr. An-
gela Völker kann hier ersten echten Erfolg für das Mu-
seum und sich buchen. Als i-Führende- vor Kindern
agiert sie freier wie schulische oder andere pädagogi-
sche Lehrkräfte. Ebenso wie die Kinder erwartungsfro-
her. weil freiwillig und in Freiheit des Entschlusses sol-
che aufzusuchen. zu diesen Führungen kommen. Ohne
Lernzwang und Leistungsdruck sind sicher Erkenntnisse
und Wissenswertes leichter zu vermitteln. Viel lebhafter
der Kontakt, zumeist ein ersprießliches Frage- und Ant-
wortspiel, das für beide Teile Vorteile bringt. Das Mu-
seum für angewandte Kunst, im Gegensatz zu einem Mu-
seum hoher oder reiner Kunst, das Bilder. Plastiken, Gra-
fiken, große Namen wie z.B. Michelangelo, Leonardo da
Vinci, Dürer, Ftaffael. Rubens oder andere große Künstler
zeigt, steht zu diesem in uter Konkurrenz, trägt mit sei-
nen Sammlungen eine besondere Chance in sich. Das
in unserem Museum geführte Kind kann mit Gegenstän-
den vertraut gemacht werden. die heute, jetzt und mor-
gen seine kleine Umwelt. seinen noch etwas verspielten
Kindesalltag ausmachen: Kleider. Schmuck, Teppiche.
Möbel. Bücher. mit einem Wort Dinge, womit ein Mu-
seum für angewandte Kunst eben aufwarten kann. Denn
mit alldem lebt ein Kind. kann beis ielsweise im Verglei-
chen mit Kleidung und Mobiliar o. . aus den historischen
Sammlungsteilen. im Anschauen stärkeres Interesse und
neue Aspekte gewinnen. Die Führungsarbeit mit Kindern
wird. bisher so erfolgreich. fortgesetzt werden, sicher
sogar erweitert werden. und man hofft mit Recht. dali
sich die gute Resonanz verstärken wird.
Frühsommer und Wiener Festwochen lassen im Stamm-
haus Belebung auf dem Besuchersektor verspüren. Noch
laufen die Ausstellungen -Marianne Maderna-n und -Carl
Ungeru. neu eröffnet wurde in der Bibliothek und Kunst-
blattersammlung die Ausstellung -Herrn Biedermeiers
Wunschbilleh. Die kleine Porzellanschau -H.F. Kitsch--
nun im Eitelbergersaal, Neuerwerbungen, Jugendstilmö-
bei und moderne Plastiken auf der Galerie.
Ergebnisse eines Signet-Wettbewerbes "Exportanleihen-t
waren kurzfristig Mitte März im Säulenhof ausgestellt.
Mittels Inseraten forderte die Österreichische Kontroll-
bank AG Grafiker und Designer auf, n Werbezeichen,
Signet, zu entwerfen, das künftig alt re mit der Au
gebe von Exportanleihen zusammenhängenden Aktivitä-
ten auffallend herausstellt. Eine Jury, bestehend aus dem
Direktor des Museums, w. Hofrat Prof. Dr. Wilhelm Mra-
zek, Generaldirektor Dr. Haschek. Prof. Arch. Gustav
Peichl. Chefgrafiker Erich Sokol und Präsident Anton
Tusch, wählte aus 1000 Einsendungen 4 Hauptpreise und
7 Anerkennungen.
Die Neuaufstellung der altorientalischen Teppiche schrei-
tet rüstig voran. man ist fleißig. betreibt dies mit aller
Sorgfalt. Nach neuen konservatorischen Prinz" ien wer-
den die Teppiche auf fixen Metallrahmen verstützt. und
man hofft. diese so publikumswirksame Sammlung noch
1978 eröffnen zu können.
M000 Jahre ostasiatische Kunst- heißt die nun eröffnete
Ausstellung in der Minoritenkirche SteinlKrems. bei der,
wie erwähnt, an die 700 Objekte aus der Ostasiensamm-
lung des Museums Hauptträger sind. Sie bietet Freunden
und Kennern ostasiatischer Kunst eine Fülle schönster
Objekte, und ihr Besuch zusammen mit einem der Stadt
Krems. die stadterhaltend so Hervorragendes auf denk-
malschützerischem Gebiet leistet, müßte fast jedem
Kunstfreund Pflicht sein.
In den Außenstellen momentan der gewohnte saisonale
Sommerbetrieb mit den bereits bekannten Ausstellungen.
Hiezu kommt in der Quasi-Außenstelle SchloB Grafenegg
die neue Ausstellung -Germanen, Awaren, Slawen in
Niederösterreichk - das erste Jahrtausend nach Christus,
Selbstredend, daß eine Fahrt hierher wie auch zu allen
anderen Außenstellen des Museums überaus lohnend als
stets wiederholbare "Kunstfahrt ins Grüne- angeraten
werden kann.
I.n.
Hugo F. Kirsch (1873-1961)
Bildhauer und Keramiker
Altes Haus, Galerie, (Eitelbergersaal)
Wien 1. Stubenring 5
26.10.1977 - 29.1.1978 (verlängert)
Mit der Spontan-Ausstellung von Werken des Bildhauers
und Keramikers H.F. Kirsch konnte ein weiterer beach-
tenswerter Künstler aus dem Depotdunkel treten. Wie
überhaupt jede gute Gelegenheit erfaßt werden sollte,
neben dem historisch begrenzten Sammlungspotential
rnit fixer Aufstellung Objekte der jüngeren und neueren
Zeit zu präsentieren.
H.F. Kirsch erreichte das hohe Alter von 88 Jahren, dem-
zufolge groß ist seine Oeuvre. das über Österreich hinaus
auch international von Kennern und Liebhabern gesam-
melt wurde. Viele Werke von ihm befinden sich in öffent-
lichen und privaten Sammlungen.
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Als Schüler der Wiener Kunstgewerbeschule und Absol-
vent derer von Teplitz und München war er von akademi-
schen Prinzipien geleitet, entwarf hauptsächlich seine
Werke selber, arbeitete auch nach fremden Zeichnungen,
wie 2.8. solchen von Luksch.
Kirschs Schaffen ist aus dem Geist der Zeitnähe ver-
ständlich und zu beurteilen. Menschen und Tiere darzu-
stellen war ihm starkes Anliegen. vergnüglich anzusehen
u.a. seine Nestroyschen Drei aus dem Lumpazivagabun-
dus. Alle Betulichkeit und Beschaulichkeit dieser
Mürchenwelt tritt in den Figuren zutage, von einem be-
gabten Künstler erspürt und ausgeführt. Personifizierte
Liederlichkeit, naiv-provokant. voll Schlaue. Ebenso na-
turnahe seine Tierdarstellungen, durchgebildet im ge-
nauen Anschauen. Seine Gefaßkeramiken mit dem cha-
rakteristischen Dekor der Zeit, seine Plaketten und Me-
daillen beweisen die Vielseitigkeit und das Engagement
des Künstlers.
Gewiß nur eine "kleine-t Ausstellung, jedoch ein weiterer
Schritt. sukzessive die jüngere Vergangenheit der Kera-
miksammlung ans Licht zu bringen. Wie immer war (und
ist noch?) alles vorbildlich präsentiert. An die 30 Objekte,
flankiert und begleitet von Gipsmodellen. Musterbuch-
auszügen und einer umfassenden Signaturenzusammen-
Stellung. sollten neuerdings Museum und Besucher zu
gemeinsamem Wirken vereinen, Reaktionen bewirken.
Die Ausstellung ist praktisch ein Anfang. sich mit
H.F. Kirsch zu befassen, denn über Dokumente und wei-
tere Sichtungsmöglichkeiten aus Nachlässen will Dr.
Waltraud Neuwirth die Person des Künstlers, sein Schaf-
fen und sein Werk neu sehen und wissenschaftlich aus-
werten.
Glasfenster für Auschwitz
von Heinrich Sussmann
Veranstaltung mit der Österreichischen
Arbeitsgemeinschaft. Museum Auschwitz
Altes Haus, Säulenhof
Wien 1, Stubenring 5. 27.1.-5.2.1978
Kunst hat stets in hohem Maße und mit oft schonungslo-
ser Härte zu allen Zeiten in politisch-ideologische Berei-
che und Prozesse eingegriffen, Große der Kunst haben
ihr Werk darauf abgestimmt, sich engagiert. wie man
heute sagt, so Goya, Daumier. Grosz, Picasso zuletzt.
u.v.a.. S übermittelten uns vollkünstlerische Wirklich-
keiten nach Vorgängen, Exzessen als sichtbaren Tatbe-
stand der Zeitgeschichte.
Auschwitz als eine besondere Gedenkstätte nach Mar-
tern, Verfolgung und Massakern soll sichtbar geordneter
Aschenrest einer Epoche seln. die kein Wind des Verges-
sens auseinander zu blasen vermag. Einer Epoche, als
tausendjährige propagiert, in der unter dem Banner ideo-
logischer Verlogenheit Kunst willfährig, boden- und erd-
brünstig zum Handlanger massivsten Wahnwitzes ge-
macht wurde, Aus titanenhaften Gesundleibern unter flat-
ternden Sieg-Panieren mit dem werhakten- (Todes)-
Kreuz trieb schillernd eine Scheinblüte, die später im
gemeinsamen Todesruch aus Schlachtfeldern und Gas-
kammern jäh abstarb.
Nunmehr ist das alles Vergangenheit von jener Art, die
in den betroffenen Generationen und in den härtest Be-
troffenen immer wieder hochkommt. die den Nachfol-
genden Mahnung werden und bleiben soll. Daher die
Einrichtung einer. dieser Gedenkstätte.
i-Glasfenster für Auschwitz von Heinrich Sussmann" hieß
die Spontan-Schau im Museum, die man noch vor dem
Einbau in die internationale Gedenkstätte Auschwitz hier
präsentieren wollte. Sussmanns Glasfenster bildeten das
Zentrum der Dokumentation im Säulenhof. Seine Darstel-
lungen, expressiv. führten die Unentrinnbarkeit eines
furchtbaren Schicksals, die stille innere Marter dieses
Todeskreises KZ-Lager vor Augen, sollen dieses vor Au-
gen halten. Sussmann zog ein Netz, das gleicherweise
die Inkarnation tiefster Not und Bedrückung unmenschli-
cher Leiden und Leidens versinnbildlichte. Symbolische
Vergitterung und Zeichnung physischer Physiognomien
bildeten somit zu Einem verschmelzend gestalterisches
Element. Als farbliche Träger gefärbte Glasteile in ange-
strebter Glasmalerchromatik. Vor und um diese Glasfen-
ster VOfl Sussmann eine Dokumentation vom österreichi-
schen Schicksal 1934 bis 1945: Unterdrückung. Terror.
Widerstand, Befreiung. Bilder und Dokumente aus der
Zeit des gnadenlosen 2. Weltkrieges. der den europä-
ischen Kontinent überzog und kaputtmachte. Rückblicke
auf Konzentrationslager und Vernichtungsstätten dieser
Zeit. Sowohl das kollektive wie das einzelne Schicksal
dieser Todeskollekte vermögen w" nicht zu erfassen. Zu
unmenschlich ist das alles in seinen Auswirkungen als
Manifestation rassistischen lrrsinns. Man kann das nicht
oft genug herausstreichen! Berge von Haaren, zusam-
mengeworfener Brillen. Ieidvertretener Stiefel. Nunmehr
nun auch als Bilder unauslöschliche ewige Reste und
"Überbleibsel-t für ein Mahnmal, getragen von grausam
künstlerischer lntensitat. ungewollt unterstrichen vom
Duktus der bitteren Realität.
Der Dokumentation im Österreichischen Museum folgten
unnmittelbar Transport und Adaptierung dieses osterrei-
chischen Kompartiments des Gesamtkomplexes "Interna-
tionales Museum Auschwitz". Zur Eröffnung der osterrel-
chischen Gedenkstatte fand eine Gedenkfahrt statt. an
der zahlreiche namhafte Persönlichkeiten teilnahmen.
Dem Vernehmen nach eine Reise. die sowohl zahlreichen
Personen aus der Solidaritätsbewegung und des Wider-
standes wie auch jenen. die solche Todeslager nur vom
Hörensagen kannten, post festum unauslöschliche Ein-
drücke bescherte. Mogen Heinrich Sussmanns Glasfen-
ster ihre Wirkung nicht verfehlen und ein inneres Feuer
der Abwehr vor allem in den jüngeren Generationen ent-
zünden. nie wieder so grausame Unmenschlichkeit auf-
keimen oder gar hochkommen zu lassen.
Sonderveranstaltung:
Laghani präsentiert Laura Biagiotti, Rorn
Altes Haus, Säulenhof, Wien 1, Stubenring 5
23.2.1978 - 20.30 Uhr
Nach zwei mitteleuropaischen Modeschauen. solchen der
Österreichischen Hochschule für angewandte Kunst nun
eine aus dem Süden. aus Italien. Wie immer im anpas-
sungsfähigsten Rahmen, dem Säulenhof des Museums.
mehr und mehr für solche Exklusivitäten begehrt. Dia
starre, gewohnt stille Museumsatmosphäre plotzlich er-
füllt von ästhetisch lockerer Turbulenz. Junge, eher un-
mannequinhafte Mädchengruppen mit Frühjahrs- und
Sommerkollektionen 1978. Locker, leger. wie undrapiert
übergeworfene Stoffkreationemso gut wie dekorlos, Vor-
führung im Sog strenger Choreographie und der gera-
dezu unerlaßlichen rfff-Music-r. aggressivst, und nicht
mehr wegdenkbar. Ins Auge springend die Einfachheit
der Modelle. Wallende grob-rustikale Uberwürfe. anmu-
tig-einfach, lassen an Zeiten frühen Christentums den-
ken, womit sich über 2000 Jahre hin ein Kreis schließt.
Beweis dafür, daß wir dem Geheimnis. der Faszination
der Mode wohl kaum jemals auf die Spur kommen wer-
den. Zur Präsentation noch: manches balletteusenhaft,
von klassisch-herkömmlicher Mannequinpose deutlich
ins Tänzerische entfernt, doch schon anzusehen. mehr
und mehr optisch-akustisches Spektakel. das aber an-
kommt, Im Vergleich zu den letzten Modeschauen der
Hochschule wie ein frischer Wind herauf aus mediterra-
nen Breiten, das Publikum enthusiasmierend. Südlicher
Charme zwang sich mit sanfter Force in den menschen-
gefüllten Palazzi-Fonds des Saulenhofs.
Laura Biagiotti, die junge Flömerin, brachte lichte Far-
ben. lüftige, hitzeabsorbierend Modelle, mit Volants, oft
auch quastelverzipfelt. Pastell-fleischgewordene, nicht
unteure Aufforderung und extravagante Animation an
Wiens Damenwelt zum flanierenden Dolce far niente über
Graben und Karntner Straße.
Modeschauen im Museum7 Wir meinen. wenn die der
Hochschule. dann zur Belebung und in gesundem Kon-
trast auch solche aus dem freien, privaten Bereich. Ein
Museum für angewandte Kunst mit einer Vielzahl ge-
sammelter historischer Kostüme muß up to date sein.
scheint ein guter, ein richtiger Platz dafür zu sein. Mode
ist so allumfassend geworden, daß ihr, im Rahmen natür-
lich. immer wieder Möglichkeiten zur Präsentation gege-
ben werden sollen. Moglichkeit auch. das Museum von
einer Seite her zu beleben, die ungewöhnlich scheint.
Im Hinblick auf die aus erstarrten konservativen Mu-
seumskonzeptionen ausbrechenden Bestrebungen. über
das gewohnte Sammelbild des Kunstobjekts hinaus, le-
bensnahere Intuitionen zu verfolgen. eröffnete Wege wei-
ter zu beschreiten.
Oswald Haerdtl (1889-1959)
Ausstellung der Hochschule
für angewandte Kunst
Neues Haus. Ausstellungshalle
Wien 1, Weiskirchnerstraße 3
28.2.-16.4.1978
1978, Jahr der Ausstellungen verdienter Lehrer der
Hochschule für angewandte Kunst. Nach Eduard Baumer
nun eine, dem 1959 verstorbenen Prof. Oswald Haerdtl
gewidmet. -Er war kein Kind der Stadt" (nach Wildgansl,
wuchs an der Donau, im Kahlenbergerdorf auf. Unge-
hemmt von steinernen. fensterkarierten Fassaden und
engen Straßen in den damals noch paradiesischen, ur-
wüchsigen. unregulierten Auen. In einer Welt, die
zwangsläufig und früh Keim zu allem Natürlichen. orga-
nisch Gewachsenem. vegetabil entwickelten, dem Flora-
len schlechthin, in Haerdtl legte. überwältigt stand er als
Schüler vor Otto Wagners bestürzend neuer prächtiger
Fassade des frisch erbauten Postsparkassengebäudes
in Wien. Nahe seinem künftigen Lebensbereich, der
Kunstgewerbeschule. der Stadt. Er lernt das Tischler-
handwerk bei einem Onkel, wird Schüler Kolo Mosers.