Thematik
Thematische Affinitäten zum Werk Boschs finden
sich bei Pieter Breughel in frequenter und vielfältig-
ster Weise.
Die Welt des Dämonischen. wie sie uns im Triumph
des Todes oder etwa im Engelsfurz begegnet. weist
eindeutig auf Bosch; ebenso spannt sich in seinen
religiösen Darstellungens eine Brücke zu H. Bosch.
Der eigentliche Unterschied beider Künstler zuein-
ander besteht indessen in der Wahl der themati-
schen Ausdrucksmittel: Boschs Darstellung des
Dämonischen wurzelt noch tief in der mittelalterli-
chen Symbolvorstellung. Neben ihrem betont mora-
lisierenden Anspruch entbehrtsie nicht einer gewis-
sen Mystifizierung. Bei Breughel hingegen ver-
schiebt sich der Akzent auf die Darstellung des real
Möglichen, in derGestalt seiner Umwelt. Kraft seiner
Empfindung und Beobachtung entfaltet sich diese
zu einerfast unerschöpflichen QuelledesGrotesken
und Makabren".
Auch in der Behandlung biblischerThemen lost sich
Breughel ganz von der teilweise noch am Typus
des Andachtsbildes orientierten Darstellungsweise
Boschs5. Bei ihm dominiert das Genrehafte; bei-
spielhaft präsentiert sich uns diesbezüglich die
Volkszählung zu Bethlehem: das eigentliche Bild-
thema ist hier in vielerlei Hinsichteingebunden. ,.in-
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2 Pieter Breughel d. A., nDie niederländischen Sprichwor-
ter-i,1559.Ausschnitt.OlauiHolz.117 x 163 cm: bez.u.r.
-Bruegel 1559-. Berlin. Deutsches Museum.
tegriert". S0 bildet die HI. Familie nur einen, wenn
auch thematisch bedeutsamen Aspekt innerhalb der
Gesamtszenerie: zudem unterscheiden sich Maria
und Josef in nichts von den anderen sie umgeben-
den Personen. Als Kontrast zum Vordergrund (Tra-
ger des Bildthemas) zeigt Breughel im Mittel- und
Hintergrund die ganze Palette desdörflichen Alltags
- spielende Kinder, Bauern, die ihrer Arbeit nachge-
hen. Beide Themenbereiche werden ihrerseits har-
monisch eingebunden in die winterliche Land-
schaft, die das gesamte Bild beherrscht. ln diesem
Punkt zeigt sich ganz deutlich der Unterschied zwi-
schen Bosch und Breughel: Im Gegensatz zu Bosch.
in dessen biblischen Themen die Darstellung des
Religiösen dominiert. treten bei Breughel Religiöses
und Profanes, Bildthema und Alltag in vermischter
Form auf, wobeiderSchwerpunkt in der Darstellung
eindeutig bereits beim Profanen zu finden ist.
Farbtechnik und Farbwahl
Das Verhältnis des Künstlers zur Farbe ist bei
Breughel durch Direktheit und außergewöhnliche
SpontaneitäU gekennzeichnet. Form und Farbge-
bung finden in seinen Bildern zu einer komplexen
Einheit. wobei beim kritischen Betrachter der Ein-
druck entstehen kann, daß dieser Maler im Grunde
gar nicht malte, sondern mit dem Pinsel zeichnete.
Anmerkungen 3-8
' Denken wir etwa an die Anbetung der konige oderdie Flucrit nacri
Agypteii
' Zuweilen DIS zum Kalrikalurhaflerl, wie beispielsweise in der
Klilulllagurlg
5 sierie dazu v Schubert solaerri, Hieronymus Bosch und Pleter
Breughel der Altele m} Beitrage zur kunstgesetiietite, Franz wieli-
tidll gewidmet. Wien l905_ s 77l
5 vergteietinar in diesem Zusammenhang aueri durchaus die Antie-
lurlg der Kdriige iin Schnee (1567).
Der vollige verzietii auf VOlZeiChrtIlrtgert unterstreicht diesen Elli-
druck von Spontaneilal.
' c van Mander, Het scriiider-Boeck. Harlem 1604. ld 21a e.
Ganz anders bei Bosch: hier wird die Farbe nicht
benutzt. um auf die Form hinzuarbeiten, sie unter-
liegt vielmehr einem Abstraktionsprozeß, indem sie
sich vom Gegenstand lost und dadurch ihren Ei-
genwert erhält.
Der Unterschied zu Breughel zeigt sich insbeson-
dere in der Art der Ausführung, die bei Bosch ein
hohes Maß an Subtilität erreicht. Dank der Auf-
zeichnungen Van Marlders kennen wir wesentliche
Züge seiner Malweise. Van Mandel schreibts:
t-Wie schon ältere Meister hatte er die Angewohn-
heit, seine Bilder auf die weiße Tafel zu entwerfen
und zu zeichnen und eine durchsichtige Schicht In-
karnats daruberzulegen. Oft ließ er auch den Grund
wirken."
Wenden wir uns nun dem Phänomen der Farbwahl
und Farbkomposition zu: Die Farben Boschs zeich-
nen sich insgesamt gesehen durch einen hohen
Grad an Transluziditat und Leuchtkraft aus. Alles
Stofflichewird durch sie mitder ganzen Vitalität und
Feinfuhligkeit ihres Urhebers vermittelt. Vor allem
aber sieht Bosch die Farbe aus dem Blickwinkel der
Gesamtkomposition. Er tendiert daher, wie sich in
vielen seiner Gemälde zeigt, zu einer synthetischen
Farbgebung. Um die Wirkung seiner Farben noch zu
erhöhen, setzt er das Mittel der Kontrastierung ein.
Mit Vorliebe operiert Bosch mit Kontrastfarben. wie