Dietrich dem hochgelibten Herrn Vattern
aufgericht, welcher dermassen so khünstlich und
natürlich conterfeit, das er von jedermann erkhent-
lich",u
Das Grabmal des Hans Werner von Raitenau ist seit
1903" in der westlichsten der an das südliche Sei-
tenschiff der Stiftskirche angebauten Kapellen auf-
gestellt. Die Grabplatte selbst ruht auf einem breiten
Sarkophag, dessen geschwungene Seiten geriffelt.
an den Ecken von Bändern eingefalit und in der
Mitte von je einem Wappenschild besetzt sind; der
Sarkophag selbst erhebt sich über einem massiv
wirkenden Sockel. Auf der oberen Platte liegt wder
Ritter in voller Feldrüstung aufdem Paradebette, auf
einem bezipfelten Kissen und ausgebreiteten Bahr-
tuche; doch ist die ganze Figur eigentlich aufrecht
stehend aufgefaßt, mehrals Iebensvolle Statuedenn
als aufgebahrte Leiche. Der Kopf ist Portrait; Augen
und Mund sind ausdrucksvoll geöffnet. Der Helm
und die Handschuhe liegen links zu Füßen. Der Rit-
ter halt in der gesenkten Rechten den Feldherrn-
stab, die Linke ruht über der Brust, mit dem Daumen
in die Feldbinde greifend"'--.
Seit der kurzen Veröffentlichung des Grabmals
durch Hans Tietzeß hat die kunstgeschichtliche
Forschung" mit dem Hauptwerk des plastischen
Schaffens dieser Zeit in Salzburg eigenartig wenig
anzufangen gewußt. Der Meister wurde nicht nur
stets mit "unbekannte charakterisiert. auch das
Werk selbst ist manchmal ohne Begründung" mit
1-1597" datiert worden, Diese Jahreszahl geht je-
doch einwandfrei auf eine andere Notiz Stainhau-
sers zurück: wln diesem Jahr (1597) ist auch verfer-
tigt worden des Erzbischoffen Hern Vatter seeligen
Grabstain sambt den eisernen Gatern darumb wie
auch der schonne neue Althar, darvor diese Be-
grebnus ist?" In seiner "Kirchenbeschreibungß
von 1593 schrieb aber Stainhauser: w-Es solle auch
Ihre Hochfürstliche Gnaden willen seyn, Sankt Blasii
Althar zu erneuern und eine sehr köstliche und
künstliche Tafel anstat deralten Ihren Hern Vatterzu
Gedechtnus aufzurichtenw." Im Dezember 1593
hatte also Wolf Dietrich einen Neubau des Retabels
des auch dem hl. Blasius geweihten Kreuzaltaress"
der Stiftskirche geplant, 1597 war dieser (nicht er-
haltene) Altar vollendet.
Bisher wurde nirgends der Umstand beachtet. daß
das Grabmal Hans Werners von Raitenau, morpho-
logisch betrachtet, nicht von einer Hand gearbeitet
sein kann. So fallt auf, daß bei Grabplatte und Sar-
kophag verschiedene Sorten des in Adnet bei Hal-
lein (16 km südlich von Salzburg) gebrochenen
Marmors" verwendet worden sind: die Grabplatte
aus braunrotem --Lienbacher-r sitzt eigentümlich
vertieft in dem aus "Rottropfii bestehenden Sarko-
phag. Sicherlich ist die Verschiedenheit des Mate-
rials von Relief und Unterbau nicht ausschlagge-
bend, aber auch gegenüber der Feinheit der Einzel-
formen der virtuos gemeißelten Platte wirkt die Ge-
staltung des Sarkophags plump und einfach.
Mein Lösungsvorschlag für alle bisher angeführten
Probleme lautet daher: Zwischen dem 3. Mai und
(spatestens) dem 14. Dezember des Jahres 1593
schuf Veit Eschay die rotmarmorene Reliefplatte.
die in Fußbodenhöhe von 1593 bis 1597 das Grab
Hans Werners von Raitenau bedeckte (in diesem Zu-
sammenhang ist wichtig: 1. erwähnte Hans Fugger
in seinem Schreiben (D 2). daß Eschay seines ur-
sprünglichen vHandtwerckhs ein Steinmöze-r war,
technisch-handwerkliche Probleme haben also ge-
wiß nicht bestanden; 2. sind trotz der Verschieden-
heit von Material und Auftrag morphologische Ähn-
lichkeiten mit dem Augsburger Olberg" zu beach-
ten, so mit Nase und Haartracht des Christus, mit
dem Gesichtsausdruck des Jakobus oder dem w-Ge-
äderi- an der Hand des Petrus; und 3. ist doch der
ausführende Bildhauer der Grabplatte des Vaters
des Erzbischots wohl nur in dessen engstem künst-
lerischem Umkreis zu suchen. muß also mit dem
14
Hofbildhauer dieser Zeit identisch gewesen sein).
Die von Eschay gearbeitete Grabplatte wurde 1597-
zu diesem Zeitpunkt war Eschay nicht mehr in Salz-
burg, wie viele andere hatte auch er wbald ausge-
dient-r e im Zuge der Neugestaltung des Kreuzalta-
res "erhöht-r, d.h. durch die Einbettung in einen
Marmorsarkophag nmonumentalisiertrt. Mit der
Ausführung des Sarkophags war möglicherweise
Eschays Nachfolger als Hofbildhauer, der vorher in
seiner Werkstatt arbeitende (D8) Matthäus Mur-
mann", betraut worden.
4a".
i
5 Salzburg, St. Peter, Stiftskirche, Bronzekandelaber.
G Salzburg. St. Peter. Stiftskirche. Brclnzekandelaber, mitt-
lerer Ausschnitt.
7 Salzburg. St. Peter, Stiftskirche, Bvorizekandelaber, Aus-
schnitt vorn Fuß mit Wappen Erzbischof Wolf Dietrichs
von Raitenau in der Form vor August 1594.
Schließlich wäre noch zu untersuchen, was gerade
jenen Erzbischof und Reichsfursten von Salzburg.
der wie kein anderer seiner Vorgänger oder Nach-
folger durch die Forschung als Feind alles Alten, als
Verächter jeder Tradition gekennzeichnet worden
ist, was also Wolf Dietrich von Raitenau bewogen
haben mochte, bei der Gestaltung des Grabes sei-
nes Vaters auf die schlechthin ßmittelalterlicher-
Grabplatte aus rotem Marmor zurückzugreifen. Ge-
wiß hatte Stainhauser recht, als er meinte, daß dies
eben "dergleichen rittermessigen Leuten gebürtß.
DaB aber dadurch Wolf Dietrich sich "von gotischen
Vorbildern nicht lcsmachen kannn (Franz Martin)".
daß das Grabmal seines Vaters "stark untermischt
mit Erinnerungen an die gotische Uberlieferungu ist
(Lothar Pretzell)55, daß es wdie Tradition der goti-
schen Hochgraberfortführtu (Heinrich Deckerfs, ist
(in allen drei Fällen) nicht richtig. Denn im letzten
Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts gab es keine "Tradi-
tion der gotischen Hochgrabers, gab es keine "goti-
sche Überlieferung- mehr. Die Tradition war bereits
gebrochen, als der "Jüngling vom Helenenberge".
jene 1502 aufgefundene antike GroBbronze eines
Epheben", Einzug in die Prunkräume des landes-
fürstlich-salzburgischen wHauptschlossesii hielt.
als der Salzburger Bürgermeister und mit Venedig
Handel treibende Kaufmann Waginger seinen Vor-
namen Virgil in Vergil umwandelte", als dem nack-
ten menschlichen Körper das besondere Interesse
eines vMeister IP" und seinerleitgenossen galt. Als
dann 1568 in Italien Vasaris Viten in ihrer zweiten.
noch starkerdas historistische Element betonenden
Ausgabe erschienen, war deutlich geworden, daß
damit ein Mensch dieser Zeit die Vergangenheit als
übermachtig empfand.
Wolfgang Lotz hat an einigen Grabmalen des Bam-
berger Domes für die Zeit "um 1600-1 Bestrebungen
aufgezeigt, mittelalterliche Formen nachzuahmen:
DMan kopiert die alten Gräber und weist damit die
Würde eines Geschlechtes oder eines Bischofssit-
zes ausäg." Wir wissen, daß in der Regierungszeit
Wolf Dietrichs die Jahre knapp um 1593 jene seines
größten Eifers und Ehrgeizes waren: Die (mit Lan-
desverweisungen radikalen) Versuche der Wieder-
herstellung der Einheit des katholischen Glaubens
im Erzbistum, die (erreichte) Standeserhöhung sei-
ner Familie, das (vergebliche) Streben nach dem
Kardinalat sind unter anderem hier zu nennen, Kann
man dann sagen, daß das "mittelalterliche-- Grab-
mal für seinen Vater nur ein wSich-nicht-los-
machen-Könneni- war? Ich meine. daß die tiefere
Bedeutung im genauen Gegenteil liegt: Im klaren
Empfinden der Vergangenheit und im Hinblick auf
die "gute, alte Zeit" des wahren Glaubens vor den
Jahren der Reformation war es für den Erzbischof
das bewußte Setzen eines Zeichens. enrvachsen aus
dem neuen Bildbekenntnis und Bildbedürfnis der
Gegenreformation".
Wolf Dietrich von Raitenau, der 62. Nachfolger des
heiligen Rupert auf dem Thron der Salzburger Kir-
chenfürsten, bverstendig, gelehrt, voll der Spra-
chen, in Historie woll erfahren-q hat mit seinen Auf-
trägen an Veit Eschay nicht nur den Boden für jene
gewaltige Erneuerung der Monumentalplastik be-
reitet, die im Barock so großartig vollzogen worden
ist. Vor allem hat er damit bewiesen, daß auch die
künstlerische (erst von seinen Nachfolgern vollen-
dete) Erneuerung seiner Kathedralkirche wie seiner
Residenzstadt nicht als Laune eines bauwütigen
Feudalherrn, sondern als Triumphmal eines großen
Geistes in die Geschichte einzugehen hat.
U Anschrift des Autors.
Franz Wagner, Kustos
am Salzburger Barcckmuseum
Mirabellgarten
A-5024 Salzburg