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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIII (1978 / Heft 160 und 161)

Glücklicherweise war das Schicksal dem eKarlslu- 
ster Tisch-r freundlicher gesinnt als seinem Gegen- 
stück im Wiener Museum. Denn. - obwohl Schlot! 
Karlslust wegen seinereinsamen Lage in den weiten 
Wäldern entlang der Thaya, an der nördlichen 
Grenze Niederösterreichs. während der ersten wir- 
ren Jahre der Nachkriegszeit höchst gefährdet war- 
blieb das Schloß ohne nennenswerten Schaden und 
das für uns so wichtige Tischchen völlig intakt. So 
konnte es 1965. wieder anläßlich einer Ausstellung 
zum Gedenken des Wiener Kongresses. als Haupt- 
stück unter der ausgewählten Gruppe von Möbeln 
gezeigt werden'. Diesmal wurde aber nicht ver- 
säumt, den Wortlaut der Signatur im Ausstellungs- 
katalog festzuhalten: B. HOLL BDM WIEN (Abb. S). 
Schließlich hat dann Georg Himmelheber mit vor- 
bildlicher Gewissenhaftigkeit auch die Stempeiung 
der Signatur und ihren Platz "auf der Kante einer 
Schubladenseiterr vermerkt". Von da an wußte man 
also wenigstens überdie Art. wie Holl seine Arbeiten 
zu signieren pflegte, genau Bescheid und kannte 
den Anfangsbuchstaben seines Vornamens. Seine 
Person allerdings blieb nach wie vor im Dunkel und 
rätselhaft. 
Die Wendung brachte - wie schon so oft -ein purer 
Zufall, weil der erste Hinweis von einer Seite kam, 
von der man ihn niemals erwartet hätte. Wiederum 
betrifft es eines der schönsten Möbel aus der Samm- 
lung des Österreichischen Museums und nochmals 
einen Damenschreibtisch, dessen Charakterisie- 
rung sich einstmals nur in Superlativen ausdrücken 
ließ. das aber nach dem Krieg am Bergungscrt so 
brutal und sinnlos zugerichtet wurde. daß die Be- 
schädigung einem Totalverlust nahekam (Abb. 7. 8 
9)9. Als dennoch nach langem Zögern wenigstens 
eine Konservierung ins Auge gefaßt und zu diesem 
Zweck das Möbel einer genauen Überprüfung un- 
terzogen wurde. machte der in den Werkstätten des 
Museums damit betraute Tischler" eine unerwar- 
tete Entdeckung. An der Unterseite einer Ablage. die 
sich seitlich aus dem herunterklappbaren Schreib- 
pult herausziehen läßt (Abb. B), um Kerzenleuchter 
oder Schreibutensiiien daraufzustellen. fand sich 
ein Zettel mit folgender Inschrift aufgeklebt: wBene- 
dickt HolLlBürgl: Dischler meisterlin WienlAnno 
1799er (Abb. 10). 
Aufgrund dieses Vermerks. der nicht nur den so 
lange unklar gewesenen Vornamen enthielt, son- 
dern auch die Abkürzung BDM eindeutig entschlüs- 
selte - bisher waren für deren Auflösung zwei Ver- 
sionen offen gewesen. die entweder "Bürgerlicher- 
oder Befugter Dischler meistere lauten konnten -. 
aufgrund dieses Vermerks also waren endlich die 
Voraussetzungen gegeben. mit Archivforschungen 
2 4 
zu beginnen. um der Person Holls auf die Spur zu 
kommen. Sie haben folgendes Ergebnis erbracht. 
Benedikt Holl war kein gebürtiger Wiener. Vielmehr 
war er aus Ellwangen in Württemberg zugewandert. 
Am 24. März 1791 hat er das Bürgerrecht in Wien 
i-ausgerichta" und am 2. Jänner 1796 im Dorn zu 
St. Stephan die --J(ungfer) Catharina Riglerin, eine 
Dienstmagd. gebürtig vonZirstorf(Ziersdorf) in Uzö: 
(Unter Österreich : Niederösterreich)" geheiratet". 
im Trauungsbuch wird er als rrDer ehrengeachte H: 
Benedikt Holl. ein bürgl. Tischlermeister gebürtig 
von Elwangen (sic) im Reiche bezeichnet. Als Alter 
gab er41 Jahre an. Gestorben ist eram 5. März1B33. 
mit 80 Jahren. wie es im Totenbeschauprotokoil 
heißt". Stellt man dieser Eintragung jene im Trau- 
ungsbuch gegenüber. so ergibtsich darauseine Dif- 
ferenz von zwei Jahren. Nach dem Totenprotokoll 
wäre das Geburtsjahr 1753 gewesen. bei dem im 
Trauungsbuch von 1796 verzeichneten Alter von 41 
Jahren kommen wir jedoch auf das Geburtsjahr 
1755. Leider konnte bisher das exakte Datum nicht 
in Erfahrung gebracht werden". 
ÜberHolls Besitzverhältnissewurde in das Formular 
der irSperrs-Reiation-r. der Verlassenschaftsab- 
handlung. eingetragen: r-Vermögen keines. indem 
der Verlebte (Verstorbene) Alters halber zur Arbeit 
unfähig. und von seinen Kindern unterstützt worden 
ist. Es konnte nichts weiterfürgekehrt werdende An- 
stelle eines Vermögens gab es nur Schulden in der 
Höhe von 27 Gulden 30 Kreuzer CM. weil seit 1831 
die Zahlung der Erwerbsteuer unterblieben war. 
Dazu gab die Witwe als Erklärung zu Protokoll, r-daß 
der Verlebte seit dieser Zeit (1831). sein Geschäft 
nicht mehr betreiben konnteßs. Soweit die aus den 
Archiven erhobenen Daten und Fakten zum Leben 
von Holl und seiner Familie sowie über seine Werk- 
statt. 
Wie verhält es sich nun mit der Datierung jener Mo- 
bel. durch die der Name Hoil in die kunsthistorische 
Literatur Eingang fand. und welche Rückwirkungen 
ergeben sich aus der Beantwortung dieser Frage für 
die zeitliche Einordnung anderer Wiener Kleinmö- 
bel. die oft im Zusammenhang mit den Hollschen 
Arbeiten genannt werden? 
Ausgangspunkt für diese Untersuchung muß Holls 
vorläufig einziges datiertes Werk. der Schreibtisch 
von 1799. sein (Abb. 7. B). Eine Formalanalyse des 
Möbels läßt sich in zwei Begriffe zusammenfassen: 
die aufwendige Dekoration. die sich feinst durchge- 
bildeter. z.T. naturalistischer Ornamente bediente. 
Anmerkungen 7-15 (Anm. 3 (-6 s. Text S. 29) 
wegen des Kriegsverlustas wurden in neueren Veroffentlichungen 
enstelle des wiener Möbels zwei andere. setir verwandte Stucke 
publiziert: ein Sekretär aus setildrl seriwetzingen [bereits in a. C 
aul Tal. 2l abgebildet] und einer aus dem Landesmuseum Joan- 
neum in Graz. Nun aber erfolgte im Vergleich zu lriitier eine ziem- 
Iich betrachtliche umdatierung. oa im vorliegenden Aulsetz eine 
andere Malnung vertraten wird. sei auch diese Literatur der Voll- 
slandigkelt rialber angegeben. 
g Georg Htmmelheber. oie Kunst des deutschen Mbbels. Bd. a. 
KlassizismusrHrstdrismusldugendstil. München 191a. Sekretar 
aus sdtiwetzingen- Abb. 365. Text s. 94. Dat.: um 12125130; era- 
zer Mbbül nur im TEX! erwähnt. 
n Georg Himmeltiebar. eiederrneiar Furnlture. London 1914: se- 
kretär aus Schwetzingen. Farblat. A. Text s. 5a. bal- vienna. 
ebbut 11125 ta lsclo. in ttie style dl Hdll. e setrretar aus craz. 
Abb. 11. Text s. ss. Dat.. vierine. abeut la2s. by Hall (1). 
Über die Gründe. die vermutlich den Anlaß zur apateren oatierung 
gaben. sierie Anm. 21. a. 
Franz Windisch-Graelz. senlbla Kartslust. ein Jagdsdtitdll aus dem 
Ende des ls. Jahrhunderts. in: alte und moderne Kunst. wien. 
l Jg.. 195a. Nr. 4. s. 2-1. 
Blumenesche. dunkel gebetztes Birnbaumholz (Einfassungen 
usw.). Ebenholz (Galerie). Stahlbeschlage. Alabasterfigurchen: 4 
Gouachen vdn BalthasarWigand milAnsichten ausderumgebung 
vdn Wien. - Maße. 101 x 15.5 x 50 cm 
a Joseph Folnesics. lnnenraume und Hausrat der Empire- und 
eiedermeiarzeit in Österreich-Ungarn. wlen 190a; Abb. Tat. 41. 
Dat.. Um 11420; Text s cla. oat. um 1190 (sic). 
b A. Feulner. sietie Anm. s. e; Text s. 59a. bat; um 1215 
c Der Wiener Kongress. Ausstellung. Wien 1965. Kat. Nr. xxlrl. 
Abb. so. Dat.: um 1010. 
d o HimmeltiebensietieAnm.s.g.Abb.asa.Texts.s4 Dat Um 
1325. 
a ealttiasar wigand (1110-1846). 51. sanderausstellung des Hist. 
Mus. d. siadl Wien. 1911; Kat. Nr. s. Abb. 1. Dat.: Um telo. 
' a ulrien Tiiieme und Felix Becker. Allgemeines Lexikon der bilden- 
den Künstler. Bd. 11. Leipzig 1924. s. 366: Holl. Kunsttischler in 
wien. Anl. 19.Jat1rh. 
b Peter w. Meister und Hermann Jedding. oas sbtidne Möbel im 
Laufe derJahrhunderte.HetdeIberg-Munchen1958;S.359:Holl. 
wiener Kunstschreiner der Bledermeierzeit. VOrl dem menrere 
reizvolle Möbel. vbr altern Arbeitstischchen bekannt sind. 
' Sieh Anm. 5. c. 
t siene Anm. 5. d. 
' lnv. Nr. H 1502.- Mariagani; Beschlage. Ornamente. Plalratten aus 
vergbldeter Bronze; mechanische Einrichtung als sbtiraibtisen 
und Necessalre (bzw. rrilristuatrstisativ); Ausstattung mit sbtireib- 
gernitur und anderen utensilien. - Firmenplakette aus Email 
(Abb. s). e Maße: es x es x48 cm. Zeltgenossische Information 
iiber das Geschäft vdn Franz Mayer. 
a Nützliches Auskunftsbuch oder Kommerzialschema für Han- 
delsleute. Fabrikanten. Künstler . . .. wien 1191. s. a2: oalante- 
riewaarenhändler Hr. Fr. Mayer. zur stadt Karlsbad nächst dem 
Seitzerhol 4so (heute Kohlmarkt) 
b Handlungs cremien und Fabrickerl Adressen Buch. Wien 191a. 
s. 42; ln Gaiantsrie waaren. Fr. Mayer Victoria. unter der Firma 
Franz Mayer sel.. wittwe und canip.. in der üflentl Gesellschaft 
ist ihr Hr. senvirager cedrg earnti Mayer. waldtier auch lirmirt. 
dann Hr. Karl setimid. zurstadt Karlsbad nachstdem Seitzerhol. 
4e0. 
C a.a.o. wie b. 1320 s 44. Karl sdtimid in ceselisetiall mit Stefan 
Syre. 
d Allgemeiner Harldlungs-Almanach liir den dsterr. Kaisarstaat. 
wlen 11:34. s. 134- ln calanterie-waaren. syre Franz. am Kohl- 
markt zur stadt Carisbad Nr. 1152. -Das Jahrder Einverleibung 
in den burgl.l-1andelsstand1a25 
Fur die Beschaffung der obigen Angaben danke iali Herrn Dr. 
Christian Witt-Dorrirlg 
e Der setireibtiseti wurde 1922 vOlTl Museum aus dem Holmobi- 
Iiendepct (heute laundesmbbilienverwaltiing) ubernommerl. Er 
muß bei Hbl setir gasenetzt worden sein. denn er befand sich zu 
Lebzeiten der Kaiserin Elisabeth in inrem salbn in der Hermesvil- 
I2. 
l Klaus Eggen. nie Hermesvilla im Lainzer Tiergarten bei Wien. m. 
alte und moderne lriinsl. a. Jg.. rasa. Nr. es. s. 4. Abb. e. 
g Wahrscheinlich ist auch die Erwerbung des Mdbels durch den 
wiener Hof aul den Wunsch einer Kaiserin zuruckzuluhlen. Ats 
Kaiserin Maria Ludovica15D9 den Plan taßte. in der Hdlburg ein 
neues Appartement lur sich einnetiten zu lassen. betraute sie 
damit den Grafen Franz Antan Harrabti (1155-1952). Dieser riin- 
lerließ a Bande rriit larbigen Archllekturerltwilrlen. unter denen 
jene lur die Ausstattung der kaiserlichen Gemacher einen brei- 
ten Raum einnehmen Den Projekten zur Innendekoration sind 
auch elatter beigelugt. aul denen Mobel abgebildet sind. die 
scheinbar dem Grafen Harrach als Einrieritun sstdcke geeignet 
erschienen. Aul einem dieser elatter mit der bersdtiritt -Tavb- 
le- ist der Schreibtisch von F Mayer. bzw. von e. Hall wie- 
6 
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dir. r wwtnrtsc 'l'.ttu.t:. 1 
 
 
 
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